Kreis Lörrach Ein rauschendes Fest für alle Sinne

Die Oberbadische

„Salto Sociale“: Benefiz-Zirkusgala der Aktion „Leser helfen Not leidenden Menschen“ /

Zum fünften Mal lud die Aktion „Leser helfen Not leidenden Menschen“ unserer Zeitung am Samstag zur Zirkusgala „Salto Sociale“ in den Zeltpalast des Lörracher Weihnachtszirkus ein. Es wurde ein Fest der Extra-Klasse.

Von Dorothee Philipp (Text) und Kristoff Meller (Fotos)

Kreis Lörrach. Der erste Star in der Manege war ein Auto: Der nagelneue Toyota Corolla Hybrid im Wert von 30 000 Euro ist der Hauptpreis der Tombola von „Leser helfen“. Dieser Preis zeigt exemplarisch, in welche Größenordnung die Hilfsaktion des Verlagshauses Jaumann im 40. Jahr ihres Bestehens vorgestoßen ist. Während des Apéro in und um die Manege konnte das Publikum den vom Autohaus Schultheiß gespendeten Wagen in Augenschein nehmen, bevor er geräuschlos aus der Manege glitt, um den Artisten Platz zu machen.

Mit zwei artistischen Präsentationen wurden die Gäste auf einen schönen Abend eingestimmt. Großen Anteil daran hatte der aufmerksame und professionelle Service unter der Leitung von Bärbel Jung. Schüler der Pestalozzi-Schule Lörrach und der Hellbergschule Brombach ergänzten das Team und sorgten dafür, dass kein Glas lange leer blieb. Auch später beim Auftischen und Abräumen des Vier-Gänge-Menüs für 350 Personen gelang dem Service eine tolle, professionelle Leistung.

Viele Gönner und Sponsoren

Die Gala im weihnachtlich geschmückten Zirkuszelt wurde erneut von der Volksbank Dreiländereck als Hauptsponsor präsentiert. Wie stark und vielgestaltig das Netzwerk der Sponsoren und Gönner ist, die zum Gelingen der Spendenaktion beitragen, zeigte die lange Liste der Namen, Guido Neidinger, Chefredakteur des Verlagshauses Jaumann und gleichzeitig Vorsitzender der Hilfsaktion, präsentierte. Es ist ein „Who is Who“ des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens in der Region Lörrach. Neidinger dankte auch den vielen Dutzend Helferinnen und Helfern, welche die Großveranstaltungen von „Leser Helfen“ mit ihrem Einsatz zu Erlebnissen machen. Viel Beifall erhielt Uta Schroeder, die seit 40 Jahren die Aktion maßgeblich organisiert und sie gemeinsam mit Neidinger zu einer wichtigen Säule des sozialen und gesellschaftlichen Lebens in der Region gemacht hat. Eine Zahl mag das verdeutlichen: 2018 wurde erstmals die Spendensumme von 200 000 Euro überschritten.

Im Mittelpunkt: Menschen mit Behinderung

Das Schwerpunktthema in diesem Jahr ist Menschen mit Behinderung gewidmet. Menschen, die „nicht mehr frei ihr Leben gestalten können und oft unter Stigmatisierung zu leiden haben“, wie es Schirmherrin Landrätin Marion Dammann in ihrem Grußwort ausdrückte. Im Lauf des Abends wurden deswegen nicht nur respektable Schecks vergeben, sondern mit dem Theaterstück von Tempus fugit und dem Interview mit dem Koch der Theaterkantine kamen die Betroffenen auch selbst eindrucksvoll zu Wort. Oberbürgermeister Jörg Lutz erinnerte an die Tragödie vor wenigen Tagen in Lörrach. Ein offenbar psychisch gestörter Mann hatte seine Nachbarin, Mutter von zwei Kindern, erstochen. Auch hier, war er sich sicher, werde die Aktion „Leser helfen“ unterstützend tätig werden, was Neidinger bestätigte. „Geben macht reich“, stellte Lutz fest.

Direkt und hautnah

Die Informationen und Begegnungen zum sozialen Thema waren wieder mit Fingerspitzengefühl und Sachkompetenz ins übrige Programm eingefügt worden: Nachdem Neidinger die UN-Behindertenrechtskonvention zitiert hatte, nach der jedem Menschen mit Behinderung auch das Recht auf selbstbestimmte Arbeit zugestanden wird, zeigte das Freie Theater Tempus fugit ein beeindruckendes Bühnenintermezzo. Das kurze Stück, ein Auszug aus der aktuellen Produktion „Dieses Blicken II“, war von einem fünfköpfigen Ensemble selbst entwickelt worden, in dem auch zwei Menschen mit Behinderung mitspielen. Eine unbändige und ansteckende Lebenslust entwickelte sich da. Kern der Darbietung war eine neue Version des Udo-Jürgens-Schlagers „Aber bitte mit Sahne“.

Großer Respekt und teils ungläubiges Staunen machten sich im Publikum breit, als Theaterpädagoge Benjamin Böcker den Theaterkoch und festen Mitarbeiter bei Tempus fugit, Edwin Engeser, zu seiner Arbeit befragte. Engeser wurde mit Trisomie 21 (Down Syndrom) geboren und kam über das Spielzeitteam zu Tempus fugit, wo er jetzt als Angestellter in der Theaterküche Essen für 40 Mitarbeitende zubereitet.

Anrührend berichtete er von seiner Tätigkeit und seinen Erfolgen in der Sprachheilschule. Mit einem Spendenscheck über 10000 Euro von „Leser helfen“ kann für Engeser acht Monate lang die notwendige Assistenz finanziert werden. Diese benötigt er, um komplizierte Barrieren wie das Öffnen komplexer E-Mails oder das Berechnen der Mengen für den Einkauf zu bewältigen.

Einen tiefen Einblick in die Arbeit des St. Josefshauses Herten gab Geschäftsführerin Birgit Ackermann im Interview mit Guido Neidinger. Sie stellte fest, dass sich heute ein neuer Ansatz im Umgang mit den Menschen mit Behinderung bemerkbar macht: Es gehe mehr denn je um eine Pluralität der Lebensentwürfe, der Mehrwert der Vielfalt werde der Gesellschaft immer bewusster. „Wir müssen bereit sein, Platz für Begegnungen aller Menschen zu schaffen, dann kommt der Rest fast von selbst“, sagte sie. Und dort wo Versorgungslücken erkannt werden, müssen diese geschlossen werden. Die 5000 Euro aus der Aktion „Leser helfen“ für das St. Josefshaus sollen für Musiktherapie und die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit der Bewohner eingesetzt werden. Einen weiteren Scheck über 2000 Euro nahm Annette Ritter-Schreitmüller, Geschäftsführerin der gemeinnützigen GmbH „leben+ wohnen“ in Tumringen für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung entgegen. Das Geld wird unter anderem für die Vorbereitung und Ausrichtung des „Miteinander-Festivals“ verwendet, das am 20. Juni im Alten Wasserwerk in Lörrach stattfindet. „Wir wollen Sie alle dabei haben“, lud Ritter-Schreitmüller die Gäste ein.

Spitzen-Artistik

Sie trafen mit ihren Vorführungen mitten ins Schwarze, die Artisten des Weihnachtszirkus. Das Duo Costache hatte gleich zwei Auftritte, mit Schwindel erregenden Balancen bis unter die Zirkuskuppel und einer von Temperament sprühenden Action. Von bezaubernder Poesie waren die Figuren, die Charline Frank mit dem Netz mit weiten Schwüngen im freien Raum schwebend zeigte. Robert Lagroni schien mit seiner kraftvollen Handstand-Performance jeglicher Schwerkraft zu trotzen. Auch das ungarische Trio Bokafi, eine Gastnummer des Basler „Palazzo Colombino“, zeigte Hochleistungsartistik mit dem „Teeterboard“, die nichts für schwache Nerven ist: Ein Mensch lässt sich mit einem Katapult in die Zirkuskuppel schleudern, zeigt Spiralen und Salti und landet stehend auf den Schultern seines Kollegen. Und schließlich die Jongleure: Rogerio Gonçalves brachte mit zwei dünnen Stäben Tennisschlägern das Fliegen bei und spielte mit Jonglierbällen, die wie dressierte Tierchen von selbst den Weg in seine umgeschnallten Köcher fanden. Und schließlich Elias Oechsner vom Basler Zirkusfestival Young Stage, der mit seiner strubbeligen Komik einer Handvoll Jonglagebällen Manieren beibrachte.

Genuss pur

Der „rote Faden“ des Abends war das Festmenü, das Christoph Wilke und Klaus Zöbelin von der bbv-Akademie auftischten. Trüffelpastete mit Salatbouquet, Gutedelcremesuppe, Hirschrücken mit Rotkraut und Kartoffelgratin, meisterlich komponiert und angerichtet - jeder Gang für sich ein Hochgenuss, der am Ende mit einem üppigen Dessert aus Karamelleis mit Vermicelles gekrönt wurde. Für die passenden Getränke hatten die Sponsoren Erste Markgräfler Winzergenossenschaft Schliengen-Müllheim und die Lasser-Brauerei gesorgt.

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