Kreis Lörrach Ein Spiegel der Gesellschaft

Die Oberbadische

Schwerpunkt: Kinder- und Jugendpsychiatrie des St. Elisabethen-Krankenhauses

Dass, wer hierher kommt, schon viel Leid durchgemacht hat, ist der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie am St. Elisabethen-Krankenhaus in Lörrach nicht auf den ersten Blick anzusehen.

Von Beatrice Ehrlich

Kreis Lörrach. Das Gelände mitten in Lörrach wirkt mit den locker um mehrere Innenhöfe gruppierten Gebäuden und dem schön gestalteten Garten freundlich und einladend. Clemens Keutler, Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, hat die Abteilung seit 2006 aufgebaut und leitet sie bis heute.

Corona verstärkt Leiden

Die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist ein Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen. Auch hier ist die Corona-Pandemie ein Thema: Der Lockdown im Frühjahr habe vielen seiner Patienten nicht gut getan, berichtet Clemens Keutler. Vor allem internalisierende, das heißt nach innen gerichtete Störungen hätten in den vergangenen Monaten zugenommen. Wer sich bereits vorher viel zurückgezogen habe, unter Depressionen, Angst- aber auch Essstörungen leide, sei durch Schulschließung und Abstandsgebot in seinem Vermeidungsverhalten bestärkt worden. Im schlimmsten Fall führe dies zu dauerhafter Isolation. So kenne er Kinder, die zuerst nicht mehr in die Schule gehen durften, und es danach nicht mehr schafften – ein fataler Rückfall.

Aber auch generell hätten psychische Krankheiten unter Kindern und Jugendlichen zugenommen, so der leitende Arzt. Dies habe auf der einen Seite mit gesellschaftlichen Veränderungen zu tun, dem Zerbrechen von Familien- und Dorfstrukturen und unzureichender Kompetenz in der Erziehung, auf der anderen Seite mit einem problematischen Medienkonsumverhalten. Kinder wie Jugendliche flüchteten sich demnach immer mehr in virtuelle Existenzen, auf Kosten von realen Beziehungen. Als Internet Gaming Disorder sind die Folgen exzessiven Computer- und Videospielens im amerikanischen Handbuch psychischer Krankheiten bereits eigens aufgeführt, in Deutschland spricht man dagegen meistens von einer Impulskontrollstörung. Mit schwerwiegenden Konsequenzen: Bei ungünstigen Verläufen waren Schulversäumnisse von bis zu zwei Jahren die Folge. Einige psychiatrische Krankheitsbilder werden intensiviert oder träten früher auf, hat Clemens Keutler beobachtet. Heute habe man mit „Systemsprengern“ zu tun, es gäbe Fälle von Schulausschluss bereits in der ersten Klasse, dies sei früher eine Ausnahme gewesen.

Regelbudget reicht nicht

Krankenhäuser seien chronisch unterfinanziert, Investitionsstaus von vielen Jahren die Regel, begründet Keutler die finanziellen Engpässe auch in seiner Abteilung. Damit die jungen Patienten während ihres stationären Aufenthalts in der Klinik trotzdem mit allem versorgt werden können, was sie brauchen, sei man auf Spenden angewiesen. Das seien eben nicht nur die ärztliche und therapeutische Behandlung und Medikamente, die durch das der Klinik zur Verfügung stehende Regelbudget abgedeckt seien, betont Keutler, sondern einiges mehr: gut ausgestattete Therapieräume, etwa für die Musik- oder die Arbeitstherapie, Bewegungsmöglichkeiten drinnen und draußen, mit Go-Karts und Fahrrädern, die allesamt mit Spendengeldern angeschafft worden seien und durch die intensive Nutzung immer wieder repariert oder ersetzt werden müssten. Für die Erlebnis- und Sportpädagogik sollen GPS-Geräte angeschafft werden, um mittels Geocaching, einer Art satellitengestützter Schatzsuche, Kinder und Jugendliche zum Wandern in der Natur zu motivieren. Nicht zuletzt auf den Stationen gibt es zusätzlichen Bedarf: Tablets zum Ausleihen, damit die Kinder mit ihren Eltern per Video kommunizieren können oder kleine Geschenke, als Belohnung oder zum Trost, in den „Schatztruhen“ der Stationen. Neben den externen Geldgebern bringt sich der leitende Arzt immer wieder auch selbst mit ein, etwa mit der Spende von Vortragshonoraren.

Eltern rät der erfahrene Kinderpsychiater, viel mit den Kindern nach draußen zu gehen, für Bewegung zu sorgen und dafür, dass Kinder und Erwachsene Sonnenlicht abbekommen. Auch drinnen könne man etwas gemeinsam tun, statt dass jeder für sich vor seinem Rechner sitzt, etwa Gesellschaftsspiele spielen - „Es muss ja nicht unbedingt Mensch ärgere dich nicht sein“. Und: Eltern sollten sich von ihren Kindern mal zeigen lassen, was diese eigentlich machen, wenn sie an Computer oder Konsole sitzen. Viele Eltern hätten davon keine Ahnung, hat er beobachtet.

Insgesamt 20 Kinder und 20 Jugendliche können hier stationär versorgt werden, hinzu kommen je zwölf tagesklinische Behandlungsplätze in Lörrach und Lauchringen. Die Therapie wird auf das jeweilige Krankheitsbild und den jeweiligen Patienten und seine Familie individuell abgestimmt. Zu den Therapiebausteinen gehören Musiktherapie, Arbeitstherapie unter anderem in der eigenen Holz- und Fahrradwerkstatt sowie ergotherapeutische und heilpädagogische Angebote. Zudem sind ein hoch strukturierter Tagesablauf, gesunde Ernährung und eine von Bezugspflegekräften angeleitete sinnvolle Freizeitgestaltung wichtige Elemente der Behandlung. Die Sozialberatung unterstützt Familien in sozialrechtlichen Fragen und gewährleistet eine Vernetzung hinsichtlich weiterer Hilfen. Die Kinder und Jugendlichen werden in der angegliederten Klinikschule dem jeweiligen Schultyp entsprechend in Kleingruppen unterrichtet.

Umfrage

Heizung

Der Ausbau des Fernwärmenetzes im Landkreis Lörrach nimmt Fahrt auf. Würden Sie, falls möglich, Ihr Haus an das Netz anschließen lassen?

Ergebnis anzeigen
loading