Kreis Lörrach „Einer pfeift immer“

Adrian Steineck
Foto: Adrian Steineck Foto: Die Oberbadische

Schiedsrichter und Fernsehexperte Urs Meier an DHBW Lörrach.

Kreis Lörrach - „Es ist für einen Schiedsrichter nicht gerade selbstverständlich, dass er mit Applaus empfangen wird.“ Mit diesen Worten würdigte Urs Meier am Donnerstagabend die Begrüßung durch die gut 300 Besucher an der DHBW Lörrach.

Urs Meier bedürfe der Vorstellung nicht, meinte Sebastian Feichtmair, der Organisator der Vortragsreihe Studium Generale. Der langjährige FIFA-Schiedsrichter und ZDF-Fernsehexperte stellte sich vielmehr selbst vor – mit einer Zusammenstellung markanter Ausschnitte vom Spielfeld und aus dem Fernsehstudio des ZDF, die ihn in Aktion zeigten: Da brachte er Moderator Johannes B. Kerner mit der Aussage „Schweizer des Jahres wird man nicht einfach so, dafür muss man schon Schweizer sein“ zum Lachen. Da verleitete er den heutigen Trainer des FC Liverpool und früheren Fernsehkollegen Jürgen „Kloppo“ Klopp zu der Aussage „Wer nicht Fußballspielen kann, wird Schiedsrichter“.

Gut 300 Entscheidungen pro Fußballpartie

Mit solchen durchaus Selbstironie beweisenden Ausschnitten nahm Meier seine Zuhörer von Anfang an für sich ein. Sein verbindliches, herzliches und temperamentvolles Auftreten tat sein Übriges. Wie viele Entscheidungen ein Schiedsrichter während eines Spiels wohl treffe, wollte er wissen und erntete dafür Schätzungen von 100 bis 1000. Es seien etwa 120 bis 150 sichtbare und insgesamt etwa 300 Entscheidungen. „Auch wenn ich nicht pfeife und das Spiel laufen lasse, treffe ich ja eine Entscheidungen“, sagte er.

Als Schiedsrichter müsse man unter Druck rasche Entscheidungen treffen. „Wenn ich pfeife und dann eine Sekunde zögere, wirke ich unsicher, bei zwei Sekunden bereits sehr unsicher, und nach drei Sekunden glaubt mir nicht einmal mehr meine Frau“, umriss er das Zeitfenster im Profifußball. „Der gute Schiedsrichter pfeift schneller als das Publikum“, zeigte sich Meier, der von 1977 bis 2004 insgesamt 883 Partien geleitet hat, überzeugt.

Dabei müsse man als Schiedsrichter auch ein Spielleiter sein. „Wer leiten will, muss Menschen mögen“, zog der siebenmalige Schweizer Schiedsrichter des Jahres eine Analogie zum Berufs- und Privatleben abseits des Spielfeldes. Wichtig sei es auch, sich die richtigen Ziele zu setzen.

Hier erinnerte Meier an den Fußballverein FC Bayern München und dessen vor der Champions League im Jahr 2012 ausgerufenes Ziel des „Finale dahoam“. Was passierte da? Die Bayern erreichten zwar das Endspiel, unterlagen dann aber im wichtigsten europäischen Fußballwettbewerb dem FC Chelsea, der bis dahin in der Champions League glücklos gewesen war.

Entscheidungen finden niemals nur Zustimmung

„Die Bayern hatten ihr Ziel erreicht, nur hätte dieses lauten müssen, dass sie das Finale auch gewinnen wollen“, sagte Meier und schlussfolgerte: „Visionen ohne Taten sind Träume, Taten ohne Visionen sind verlorene Zeit.“

Der Fußballexperte wies auch darauf hin, dass kaum eine Entscheidung im Leben jemals ungeteilte Zustimmung finde. „Einer pfeift immer“, sagte er.

Welche Lautstärke diese Pfiffe haben können, erfuhr Meier selbst im Jahr 2004, als er im Viertelfinale der Fußball-EM 2004 zwischen England und Portugal – zu Recht – in der 89. Minute ein Tor des Engländers Sol Campbell annullierte, da John Terry den portugiesischen Torhüter Ricardo gefoult hatte. England verlor das Spiel im Elfmeterschießen und schied aus. Die britischen Boulevardmedien machten Meier schnell als „Schuldigen“ aus, sodass er zehn Tage unter Polizeischutz gestellt wurde (wir berichteten in der Oberbadischen vom 12. Dezember). „Man muss auch stets den Mut haben, zu seinen Entscheidungen zu stehen“, appellierte Meier mit diesem Beispiel an seine Zuhörer.

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