Kreis Lörrach Entspannung ist nicht in Sicht

Michael Werndorff
Engagieren sich in der Frauenberatungsstelle Lörrach (v.l.): Julia Mörsdorf, Franziska Weiser, Melanie Weiß, Vanessa Nicklaus, Stephanie Lais-Maier und Vorsitzende Monika Mareis. Foto: Michael Werndorff

Bilanz: Frauenberatungsstelle Lörrach zählt mehr Fälle / Großer Nachholbedarf bei Betroffenen

Belastende Zeiten wie die Corona-Pandemie verstärken psychische Probleme – auch bei Betroffenen sexualisierter Gewalt. So hat die Frauenberatungsstelle einen deutlichen Anstieg bei den Beratungen festgestellt, wie bei einem Pressegespräch am Dienstag deutlich wurde.

Von Michael Werndorff

Kreis Lörrach. Es herrscht Nachholbedarf, und die Zahl der Beratungsanfragen dürfte weiter steigen, prognostizierte Franziska Weiser von der Frauenberatungsstelle im Rahmen der Bilanz für das vergangenen Jahr. Die Frauenberatungsstelle Lörrach hat im zweiten Pandemiejahr 434 Fälle im Bereich der sexualisierten Gewalt gezählt. Im Vorjahr waren es noch 330 und 2019 199 Beratungen. Bisherige Stabilisierungsfaktoren griffen in der Pandemie nicht mehr gut, kommentierte Stephanie Lais-Maier die Zahlen.

Enttabuisierung greift

Insgesamt wurden 1557 Beratungen durchgeführt, 300 mehr als im Vorjahreszeitraum, wie aus der Bilanz hervorgeht. Eine steigende Tendenz registrierten die Verantwortlichen auch bei der akuten häuslichen Gewalt, hier schlugen 40 Fälle mehr zu Buche. Das sei eine große Zahl, befand Weiser. Diese Fälle seien auch nicht planbar und stets mit großem Aufwand verbunden, verwies sie unter anderem auf die Begleitung beim Gang zur Polizei oder die gerichtsverwertbare Beweisaufnahme nach erfahrener Gewalt.

Nach wie vor kämen ältere Frauen in die Beratung, die über erlebte sexualisierte Gewalt manchmal schon lange geschwiegen haben, sogar in Psychotherapien. Gleichzeitig stimme die Wahrnehmung hoffnungsvoll, dass mehr Jugendliche, junge Erwachsene und Frauen im mittleren Alter über erfahrene sexualisierte Gewalt sprechen und sich auch selbstverständlicher an das Hilfesystem wenden. Hier greife inzwischen Enttabuisierung, Prävention und Öffentlichkeitsarbeit, erklärten die Verantwortlichen. Aber: Man sehe noch großen Verbesserungsbedarf für Mädchen und Frauen, die ganz akut von sexualisierter Gewalt betroffen sind – für das Angebot der Frauenberatungsstelle, aber auch gesamtgesellschaftlich. Konkret: verbesserte Erreichbarkeiten, vertrauliche Spurensicherung, sehr niederschwellige Angebote wie zum Beispiel bei der digitalen sexualisierten Gewalt, stehen auf der Agenda.

Für die Beratungsstelle sei 2021 ein turbulentes Jahr gewesen, wie weiter zu erfahren war. Das Jahr sei geprägt gewesen von steigenden Beratungszahlen, finanziellen Kürzungen, aber auch von lösungsorientiertem Denken und Handeln, sodass man diese Herausforderungen gut meistern konnte.

„Es ist uns gelungen, den stark ansteigenden Bedarf mit unserem Beratungsangebot zu bedienen und zusätzliche Beratungen im ländlichen Raum des Landkreises über die mobilen Teams der Frauenberatungsstelle anzubieten“, heißt es in der Bilanz des Vereins. Dieser wird mit rund 70 Prozent vom Landkreis Lörrach finanziert, wie Vorsitzende Monika Mareis erklärte. Die übrigen 30 Prozent müsse der Verein erwirtschaften, verwies sie auf eine insgesamt komplizierte Mischfinanzierung., um die man sich neben der eigentlichen Arbeit kümmern müsse.

Finanzielle Kürzungen

Die pandemiebedingten finanziellen Kürzungen in den Bereichen Beratung und Prävention durch den Landkreis seien zwischenzeitlich wieder aufgehoben worden. Davor fehlte aber für mehr als 30 Prozent der Beratungsgespräche die Finanzierung, welche kurzerhand durch Eigenmittel und mit neuen Fördermöglichkeiten des Landes abgedeckt werden konnten. Die Situation stellte die Verantwortlichen vor eine Belastungsprobe, weil die Dringlichkeit und die Nachfrage nach einer zeitnahen Beratung sehr hoch gewesen seien. Derweil konnte die Prävention sexualisierter Gewalt mit dem Projekt „Mut tut gut“ an Grundschulen und an Einrichtungen für Menschen mit Behinderung durch die finanzielle Unterstützung der Fritz-Berger-Stiftung sichergestellt werden. Zudem sucht die Beratungsstelle neue Räume in Lörrach, die möglichst barrierefrei sein sollen. Gespräche liefen.

Die Frauenberatungsstelle Lörrach feiert in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen, was am 30. Juli mit einem Open Air-Konzert in Schopfheim gefeiert werden soll.

 Kontakt: Frauenberatungsstelle, Humboldstraße 14, Lörrach. Tel. 07621/87105 oder per E-Mail an info@frauenberatung-loerrach.de

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