Kandidateninterview: Felix Düster (FDP) Es braucht mehr Pragmatiker

Die Oberbadische
Für Felix Düster muss die Digitalisierung endlich Chefsache werden. Foto: zVg

Frage: Herr Düster, Sie sind erst seit etwas mehr als einem Jahr Mitglied der FDP und politisch noch ein unbeschriebenes Blatt. Was drängt Sie jetzt in den Landtag?

Ich sehe meine Position als unerfahrener Politik-Neuling eher als Vorteil. Ich gehe die Dinge aus einem anderen Blickwinkel an als meine Kollegen. Ich möchte in den Landtag einziehen, weil ich der festen Überzeugung bin, dass es mehr Pragmatiker wie mich benötigt. Es wird mit Sicherheit schwierig, den trägen Apparat unserer Landesregierung zu verstehen, aber vielleicht kann ich ja dazu beitragen, dass vieles künftig schneller und praxisorientierter funktioniert.

Frage: Als Unternehmer und Leiter des „Rührberger Hofs“ wissen Sie aus erster Hand um die Lage der Gastro-Branche und Hotellerie in der Corona-Pandemie. Was kreiden Sie der Landesregierung an, und was muss aus Sicht der Liberalen geschehen, damit die Betriebe die Krise überstehen?

Ich denke, dass das Motto „Wir bleiben zu Hause“ im Frühjahr 2020 noch eine gute Idee war. Es ist allerdings ein Jahr später überholt, es braucht andere Lösungen. Wir müssen das Wissen, das wir heute haben, auch anwenden. Wir haben einen Impfstoff, Schnelltests und ausgeklügelte Hygiene-Konzepte. Das sollte meiner Meinung nach einen Öffnungsfahrplan ermöglichen.

Unser Land braucht Perspektiven, und zwar jetzt, und nicht erst in ein bis zwei Monaten. Wir haben lange genug Zeit gehabt, um uns eine effektive Corona-Strategie zu überlegen und zu planen. Mir scheint es aktuell so, als sei diese Zeit nicht genutzt worden.

Frage: Der Tourismus spielt in unserer Region eine wichtige Rolle. Wie soll nach Vorstellung der FDP die Branche nach der Pandemie wieder angekurbelt werden? 

Gemeinsam mit den Menschen vor Ort bedarf es der Planung eines touristischen Gesamtkonzepts. Die Mehrwertsteuer-Senkung auf sieben Prozent für Speisen in gastronomischen Betrieben halte ich für sinnvoll. Generell hilft, meiner Meinung nach, eine Steuererleichterung mehr als gezielte Fördermittel. Die Betriebe müssen frei entscheiden können, in welchen Bereichen sie in die Zukunft investieren.

Frage: Apropos Finanzen. Wie sollen wir aus der Krise kommen? Diskutiert werden unter anderem Steuererhöhungen, ein Abschied von der Schuldenbremse oder Steuerentlastungen. Welchen Weg würden Sie einschlagen, damit der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg attraktiv bleibt?

Wir haben im vergangenen Jahr gesehen, wie schnell sich der Markt wieder normalisieren kann. Die Steuern sofort zu erhöhen, halte ich für falsch. Wir müssen mit Sicherheit die nächsten zwei Jahre einen Weg einschlagen, in dem wir eher mit Steuererleichterungen arbeiten als mit Steuererhöhungen. Generell sollte man die Staatsausgaben überprüfen und auf das verzichten, was für unser Land aktuell nicht zwingend notwendig ist.

Ich denke, wenn wir die Unternehmen besteuern, die seit Jahren kaum Steuern in Deutschland bezahlen, aber unsere starke Kaufkraft ausnutzen, können wir die Staatseinnahmen ohne große Auswirkungen erhöhen und eine fairere Steuerpolitik schaffen.

Frage: Ein Ziel der Landesregierung ist, den ländlichen Raum zu stärken und ihn besser an den ÖPNV anzubinden. Stichwort: Reaktivierung der Kandertalbahn. Wo liegen die Grenzen des Machbaren?

Ich halte den Ausbau des ÖPNV für zwingend notwendig, wenn wir unsere Region touristisch attraktiv gestalten möchten. Mobilität bedeutet Freiheit, deshalb müssen wir unsere Region unbedingt auch besser ausbauen. Die Reaktivierung der Kandertalbahn bietet uns die große Chance, mit einem vorhandenen Schienennetz die Orte entlang der Bahn attraktiver zu gestalten. Die Grenzen des Machbaren liegen dort, wo wir sie setzen. Geben wir unserer Region eine Chance und denken innovativ ohne Grenzen.

Frage: Wenn es um Mobilität geht, hat Grün-Schwarz die Weichen in Richtung Elektro-Motor gestellt. Wasserstofftechnik scheint nur eine kleine Rolle zu spielen. Zu Recht?

Ich halte es für falsch, dass eine Regierung durch ihre Fördermittel entscheidet, welche Antriebstechnik sich durchsetzen soll. Ich denke, dass wir in Zukunft viele verschiedene Antriebstechnologien nutzen werden. Je nachdem, für was es benötigt wird, ist die Elektromobilität, Wasserstoffantrieb, Benziner, Diesel oder Gas sinnvoll.

Frage: Ausgebaut wird auch das schnelle Internet, wofür es entsprechende Fördermittel gibt. Sind Sie zufrieden mit der Landespolitik? Mit Blick auf die Digitalisierungsprämie des Landes hat die FDP-Fraktion im Landtag deutliche Kritik geübt und der Regierung mangelnde Zuverlässigkeit vorgeworfen.

Die Digitalisierung muss endlich zur Chefsache gemacht werden. Gerade in der Pandemie haben wir unsere Schwächen gesehen. Wir benötigen im Land vermutlich eine weitere Milliarde Euro, um den Ausbau in allen Regionen zu gewährleisten. Offene Anträge können jetzt nicht bearbeitet werden, weil der Haushalt mit der nächsten Regierung erst bewilligt werden muss. Dementsprechend bin ich nicht zufrieden mit der Landespolitik. Generell müssen wir uns neue Wege überlegen, wie wir Beschlüsse und Förderprogramme schneller umsetzen.

Frage: Wie wollen Sie die Interessen der Region in Stuttgart vertreten, und wo sehen Sie den dringendsten Handlungsbedarf auf regionaler Ebene?

Unsere Region ist sehr besonders. Drei Länder sind sehr eng miteinander verwoben. Wir müssen in Stuttgart klar machen, dass unsere Landesgrenzen ineinander fließen, und dass bis direkt an die Grenzlinie und darüber hinaus die Infrastruktur benötigt wird, die wir auch im Zentrum Stuttgarts haben. 5G, der Breitbandausbau, der ÖPNV: Wir müssen gesamte Konzepte mit den Nachbargemeinden aus der Schweiz und aus Frankreich ausarbeiten.

Wir müssen am dringendsten unsere Grenzen wieder komplett öffnen. Die aktuelle Lage schadet unserer Wirtschaft und unserem Leben im Dreiland enorm.

Frage: Welche Stärken und Schwächen sehen Sie für den Kreis Lörrach? Wie können die Stärken erhalten und ausgebaut werden?

Der Wahlkreis Lörrach besticht durch seine Vielfalt. Wir haben einen wunderschönen ländlichen Raum mit dem Schwarzwald, dem Wiesental und dem Markgräflerland. Gleichzeitig haben wir ein städtisches Flair in Lörrach, Weil und Schopfheim. Unsere Nähe zur Schweiz ist einerseits ein Segen für den Einzelhandel und einen Teil der Unternehmen in unserer Region.

Andererseits ist das aber auch ein Problem: Die Mieten sind teilweise zu hoch, die Lebensunterhaltskosten sind deutlich höher als beispielsweise auf der Schwäbischen Alb. Fachkräfte, Pfleger, Ärzte und viele mehr arbeiten lieber in der Schweiz und wohnen in Deutschland, was zur Folge hat, dass viele Stellen nicht besetzt werden können.

Frage: Und was braucht es?

Wir brauchen in unserer Heimat steigende Nettolöhne, um auch den Einheimischen die gleiche Kaufkraft wie unseren Nachbarn aus der Schweiz zu ermöglichen. Ich bin der Meinung, dass wir das durch Steuererleichterungen erreichen können.

Die Infrastruktur der Region muss verbessert werden, um uns und den Nachbarn aus Frankreich und der Schweiz die Verweildauer zu verbessern, und gleichzeitig den Unternehmen eine attraktive Region zu bieten.

Frage: Nennen Sie bitte drei Dinge, die Sie als Liberaler ändern würden, wenn Sie Teil einer Regierungskoalition wären.

Ich denke, dass das Verwaltungskonzept der Städte, Gemeinden und Regierungspräsidien mit seinen bürokratischen Hürden überarbeitet werden muss. Wir müssen in der Lage sein, Projekte, Verordnungen und Beschlüsse schneller umzusetzen. Die Digitalisierung muss endlich vorangetrieben werden, und der ländliche Raum muss den Anschluss noch in diesem Jahr bekommen. Unsere Landwirte müssen ihren Beruf ausüben können, ohne sich jedes Jahr auf neue Vorschriften vorbereiten zu müssen. Was hier passiert, ist nicht weiter vertretbar.

Frage: Die FDP hat ein Stufenkonzept zum Ausstieg aus dem Lockdown vorgelegt. Epidemiologen warnen derweil vor allzu schnellen Lockerungen. Sollte man nicht eher den Wissenschaftlern vertrauen?

Ja, ich bin stark davon überzeugt, dass man Wissenschaftlern vertrauen muss. Man muss allerdings auch die Soziologen und Psychologen bei der weiteren Planung mit ins Boot nehmen. Die Auswirkungen eines anhaltenden Lockdowns ohne Perspektiven auf Öffnungen bereitet den Menschen ebenso gesundheitliche Probleme. Ich sage nicht, dass ab März alles wieder so sein muss, wie es vorher war, wir brauchen aber endlich Perspektiven, und wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben. Wir müssen impfen, testen, Abstand halten, Kontakte nachverfolgen, Masken tragen und ein Konzept mit den technologischen Mitteln, die uns heute zur Verfügung stehen, ausarbeiten.

Frage: Die Liberalen im Land mahnen, zukünftigen Generationen keine massive Verschuldung zu hinterlassen. Wie will Ihre Partei für Generationengerechtigkeit sorgen?

Das Prinzip der Schuldenbremse muss, wenn wir aus der Krise rausgekommen sind, vielleicht in zwei bis drei Jahren wieder aktiviert werden. Subventionen, Förderprogramme und Coronahilfen müssen effizient sein und eine Wirkung zeigen, das trifft aktuell nicht auf alle Programme zu. Wenn Hilfen beschlossen werden, dann müssen diese gerecht für alle verschiedenen Bereiche unserer Wirtschaft zur Verfügung gestellt werden. Auf der Bundesebene müssen die großen Online-Unternehmen, die in Deutschland Umsatz generieren, diesen auch in Deutschland versteuern. Wir dürfen der nächsten Generation nicht einfach einen Schuldenberg hinterlassen.

Frage: Erklärtes Ziel der FDP ist, die Oppositionsbank zu verlassen. Welche wäre Ihre Wunschkoalition?

Derzeit ist eine Ampelkoalition relativ wahrscheinlich. Ich persönlich fände eine Regierung aus Grünen und FDP ein sehr spannendes Konzept. Nachhaltigkeit braucht unser Land ebenso wie eine starke Wirtschaft und technologischen Fortschritt. Diese Ziele erreichen wir nicht mit einer Verbots-Politik.

Wenn wir das Thema Nachhaltigkeit der Bevölkerung wirtschaftlich interessant machen, dann werden sich viele Bürger daran beteiligen wollen. Angefangen mit Photovoltaikanlagen auf sämtlichen vorhandenen Dächern. Wie es allerdings am 14. März ausgehen wird, bleibt abzuwarten. Sich vorher schon festzulegen, wäre falsch. Wir werden, falls das Wahlergebnis es so will, den Regierungsauftrag annehmen.

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