Kreis Lörrach „Es war wie eine störende Decke über mir“

Rolf Rombach
Theo Schenkel (links) und seine Verlobte Daniela Güntert gingen mit gemischten Gefühlen an die Aktion „#OutInChurch“. Inzwischen sind beide froh, dass Theo den Schritt gewagt hat. Foto: Rolf Rombach

Schicksal: Der Rheinfelder Theo Schenkel ist Protagonist der ARD-Doku „Wie Gott uns schuf“ / Im falschen Körper geboren

Das Bündnis #OutInChurch hat jüngst mit der ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ weitere Probleme der katholischen Kirche an die Öffentlichkeit gebracht. Einer der Protagonisten des 60-minütigen Films ist Theo Schenkel, angehender Religionslehrer aus Rheinfelden.

Von Rolf Rombach

Kreis Lörrach. Es sind die wohl bewegendsten Wochen im bisherigen Leben des 27-Jährigen. Am Mittwoch hatte er seine Lehrprobe im Fach Französisch auf dem Weg zum Gymnasiallehrer. Zwei Wochen zuvor stand katholische Religion auf dem Prüfstand. Und zwischen diesen beiden Terminen wurde er für sein Umfeld und viele mehr zur gefeierten Berühmtheit, die sich mit mehr als 100 weiteren Menschen mit dem System der katholischen Kirche anlegt. Was sie eint: Sie wollen die Kirche zum Umdenken bewegen, um eine gemeinsame Zukunft haben zu können.

„Religion bedeutet für mich Vertrauen und Kraft. Fast mein kompletter Freundeskreis würde ohne die katholische Kirche nicht existieren“, erzählt Theo Schenkel seine Beweggründe, Theologie studiert zu haben. „Die Kirche ist zu einem bestimmten Teil Heimat für mich. Hier hat vieles aus meinem Leben stattgefunden.“ Inzwischen ist er fast so lange bei der Pfadfinderschaft St. Georg wie zuvor als Messdiener aktiv. Der Glaube gibt ihm eine Möglichkeit, aus dem Alltag heraus zu kommen, Ruhe zu finden. „Ich hatte noch nie das Gefühl, mich vor Gott rechtfertigen zu müssen. Nur vor der katholischen Kirche“.

Leben ohne Angst

Mit „Wie Gott uns schuf“ ist Theo Schenkel nun an die Öffentlichkeit gegangen mit der Tatsache, trans zu sein. „Ich habe ihm davon abgeraten“, sagt Daniela Güntert, Schenkels Verlobte. „Aber nun finde ich es super, dass er es getan hat.“ Die Rückmeldungen sind positiv, er erhält viel Zuspruch dafür, den Mut gefunden zu haben, Probleme anzusprechen. „Für eine Kirche ohne Angst“ ist der Untertitel von #OutInChurch. Das Problem von Theo Schenkel: „Für die Kirche bin ich weiterhin eine Frau, für den Staat nicht.“ Somit scheidet nach Kirchenrecht die Möglichkeit aus, Daniela Güntert zu heiraten, da dies eine gleichgeschlechtliche Ehe wäre. Die Folgen: Verlust der Lehrerlaubnis als Religionslehrer. Da Theo Schenkel gerade im Referendariat und somit noch nicht verbeamtet ist, würde das fehlende Unterrichtsfach eine Anstellung an einem Gymnasium verhindern.

„Natürlich kam die Dokumentation nicht gerade zum besten Zeitpunkt. Aber ich konnte ja schlecht sagen: Wartet, bis ich verbeamtet bin“, lacht Schenkel im Gespräch.

Man sieht ihm die Befreiung an, sich nicht (mehr) verstecken zu müssen. „Zuvor musste ich immer aufpassen und überlegen, wem ich was sage. Ich bewundere die anderen Teilnehmer, die das zum Teil ihr komplettes Arbeitsleben geschafft haben.“ Aus der jungen Frau, die introvertiert die Pfadfinder-Leiterrunde besuchte, ist ein selbstbewusster und fröhlicher junger Mann geworden. „Zuvor war es wie eine Decke auf mir, die mich belastete. Aber ich wusste lange nicht, weshalb.“

Hormone statt Antidepressiva

Als Theo Schenkel im Jahr 2013 mit dem Lehramtsstudium begann, war er noch mit einem Mann in einer heterosexuellen Beziehung zusammen. Dann entwickelte sich die Liebe zum weiblichen Geschlecht, und aus Gedanken der Kindheit, selbst lieber ein Junge zu sein, entwickelte sich mit der Zeit der klare Wunsch, dies umzusetzen. „Ich hatte lange keine Trans-Erfahrungen, kannte niemanden.“ Als 2020 der erste Lockdown kam, hatte Theo viel Zeit, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Im November 2020 begann dann die Hormonbehandlung mit Testosteron-Spritzen. Der Bartwuchs setzte ein, der Brustumfang ging zurück, die Stimme wurde tiefer. Positiver Nebeneffekt: Theo benötigt keine Antidepressiva mehr, so gut geht es ihm inzwischen durch die Entscheidung, ein Mann zu werden.

Podcast als Hilfe

Nur die deutsche Bürokratie bremst mit ihren Hürden, die für viele Betroffene auch sehr belastend sein können. Darüber erzählen Daniela Güntert und Theo Schenkel in ihrem Podcast „Geschlecht – Meine Reise zum (Trans)Mann“. Dort behandeln sie verschiedene Themen rund um die Geschlechtsangleichung. „Ich habe nichts aus Partnersicht gefunden“, erläutert Daniela die Beweggründe. „Der Podcast gibt uns einen Rahmen, über das Thema zu gewissen Zeiten zu sprechen um dann aber wieder in den Alltag zurückzugehen.“ Und Schenkel ergänzt: „Das ist in allen Lebensbereichen mit Umbrüchen hilfreich. Miteinander reden tut gut.“

OutInChurch

Der Schritt an die Öffentlichkeit zog sich knapp über ein Jahr hin. Der Hamburger Religionspädagoge Jens Ehebrecht-Zumsande initiierte das Schlagwort #OutInChurch bei Twitter, nachdem das Manifest „#ActOut“ sich im Februar 2021 für Akzeptanz und Anerkennung von lesbischen, schwulen und bisexuellen sowie Transgender, intergeschlechtlichen und non-binären Personen einsetzte. Über die Studienbegleitung erfuhr Theo Schenkel von der Aktion. In unzähligen Online-Treffen habe man sich ausgetauscht. „Ich habe dann Redakteurin Katharina Kühn meine Geschichte erzählt. Die fand sie spannend, und dann kamen im November drei Menschen wegen mir an den Hochrhein“, freut sich Theo Schenkel.

Durch die vielen Zusprüche nach der Ausstrahlung der Dokumentation haben einige weitere Beteiligte die Anonymität verlassen. „Es ist eine enorme Angst da, je nach Bistum“, weiß Schenkel. Manche Stellungnahmen waren nicht wertschätzend. Das Schlimmste: Häufig wurden sie zusammen mit Antworten zu Missbrauchsvorwürfen abgegeben. „Alle, die queer sind, mit Missbrauchstätern gleichzusetzen, ist falsch. Deshalb ist es brisant, dass beide Skandale nun in einer Antwort vermengt werden“, bedauert Schenkel. Nähere Informationen unter www.outinchurch.de. Die Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ ist in der ARD-Mediathek abrufbar.

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