Kreis Lörrach Flussbewohnern geht die Luft aus

Michael Werndorff
 Foto: Fotos: Michael Werndorff

Klima: Wiese verkümmert stellenweise zu Rinnsal / Tiere stehen unter Stress

Von michael Werndorff

Kreis Lörrach. Der Sommer mit seinen Rekordtemperaturen und der anhaltenden Trockenheit sorgt für Niedrigwasser in den Flüssen und setzt der Natur zu. Auf dem Rhein etwa beeinträchtigt das Niedrigwasser die Schifffahrt, und auch die Wiese ist stellenweise zu einem Rinnsal verkümmert.

„Auswertungen zeigen, dass wir uns in einer außergewöhnlichen Niedrigwasserphase befinden, die eigentlich nur mit der Trockenperiode im Jahr 2018 zu vergleichen und als besorgniserregend zu bezeichnen ist“, kommentiert Andreas Schneider, Sachgebietsleiter Wasser & Abwasser im Landratsamt, den Abfluss am Pegel in Zell im Wiesental auf Anfrage unserer Zeitung. Dort wurden am Montagmorgen 610 Liter pro Sekunde gemessen – mit der Tendenz leicht fallend. Der Abfluss beim Pegel Basel – vor Einleitung in den Rhein – liegt trotz Zulauf „Kleine Wiese“ und „Steinenbach“ ebenfalls bei 610 l/s. Zur Einordnung: Der Mittlere jährliche Niedrigwasserabfluss beim Pegel Zell im Wiesental liegt bei 1270 l/s.

Wasserentnahme verboten

„Die Auswertungen der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass der Abfluss beim Pegel Zell im Trockenjahr 2018 im Oktober über einen Zeitraum von rund 14 Tagen bei rund 500 l/s aufgezeichnet ist. Entscheidend sei aber nicht nur der Abfluss, sondern auch die Gewässertemperatur mit Auswirkungen auf den Sauerstoffgehalt und wie lange die Niedrigwasserphase dauert“, erklärt Schneider.

Die angespannte Lage hat das Landratsamt schon am 13. Juli dazu veranlasst, die Wasserentnahme aus Flüssen, Bächen und Seen zu untersagen. Sollte trotz Verbot illegal Wasser entnommen werden, können Bußgelder bis zu 10 000 Euro verhängt werden. Und in Basel herrscht zum Schutz der Fische ein striktes Badeverbot in Wiese und Birs. Im Landkreis Lörrach gibt es kein explizites Verbot, in natürlichen Staubereichen sollte allerdings nicht gebadet werden, um die noch vorhandenen „Tiefenwasserzonen“ den Fischen zu überlassen.

Nach der Prognose für den Pegel ist laut Schneider frühestens am 18. oder 19. August mit einem Pegelanstieg zu rechnen. „Dies bedeutet auch, dass sehr voraussichtlich die Allgemeinverfügung zur Wasserentnahme, die bis zum 15. August befristet ist, verlängert werden muss.

Weniger Sauerstoff

Der niedrige Wasserstand und die hohen Temperaturen der vergangenen Woche führen zur verstärkten Erwärmung des Gewässers. Dadurch sinke auch die Sauerstoffkonzentration, sagt der Experte.

„Die aquatischen Lebewesen versuchen in Kolke oder sogenannte Gumpen, also Rückzugsräume, auszuweichen. Dort ist die Temperatur etwas kühler und sie haben einen besseren Schutz vor Fressfeinden.“ Die Wassertemperatur beeinflusse maßgeblich eine Vielzahl von biologischen und physikalisch-chemischen Prozessen im Gewässer und steuere die Geschwindigkeit des Stoffwechsels. Somit wirke sie sich direkt auf alle im Wasser lebenden Organismen aus und sei unter anderem relevant für die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften im Fluss.

Lebewesen unter Stress

Fische sind Teil der Lebensgemeinschaft eines Gewässers. Ist diese Lebensgemeinschaft durch Niedrigwasser beeinträchtigt, führt das auch bei Fischen zu Stress, körperlichen Beeinträchtigungen und gegebenenfalls Nahrungsmangel. Für bestimmte Fischarten werde es ab 28 Grad Wassertemperatur kritisch, erklärt Schneider. Sehr temperatursensibel seien Bachforellen und Äschen.

Letztere wurden aus der Wiese in Basel notfallmäßig abgefischt und in ein Nebengewässer mit mehr Schatten umgesiedelt. Im Landkreis Lörrach sind solche Maßnahmen derzeit kein Thema, Fischervereine müssten dies veranlassen. Der Angelsportverein Schopfheim hat beispielsweise mittels Sandsäcken im Gewerbekanal künstlich aufgestaute Rückzugsräume für Fische geschaffen.

„Die Tiere bekommen schlechter Luft oder müssen sogar ersticken“, erläutert Claudia Salach vom Fachbereich Landwirtschaft & Naturschutz. Das habe nicht nur Auswirkungen auf Fische und Tiere, die am Gewässerboden leben, zum Beispiel Libellenlarven, Steinfliegen, Eintagsfliegen, aber auch Schnecken und Muscheln. Indirekt seien auch Vögel und Fledermäuse, betroffen, da Gewässer wichtige Nahrungsquellen für Insektenfresser darstellen.

Strukturreiche Gewässer

Entlastend wirken sich Renaturierungsmaßnahmen aus: „Wichtig sind strukturreiche Gewässer“, weiß Schneider. Diese böten verschiedene Wassertiefen, Versteckmöglichkeiten und durch Verschattung und Besonnung unterschiedliche Temperaturen im Gewässer.

Unter anderem im Bereich der Stadt Lörrach wurde „des Feldbergs liebliches Töchterlein“, wie Johann Peter Hebel den Fluss nannte, im Rahmen der „Wiesionen“-Projekte aus seinem Korsett befreit und renaturiert. Strukturreiches Gewässer mit flacheren und tieferen Stellen sind grundsätzlich besser gegen Hitze gewappnet als etwa Kanäle.

Lebensraum für Tiere

Auch in Basel fand in den vergangenen Jahren in einigen Abschnitten eine Revitalisierung statt. Mit „WieseVital“ soll der Flussabschnitt innerhalb der Langen Erlen zwischen dem Tierpark und der deutsch-schweizerischen Grenze neu gestaltet werden. Ziel ist, dass sich die Wiese innerhalb ihrer Dämme frei bewegen kann.

Dadurch entstünden wertvolle Lebensräume für Tiere und Pflanzen, wie es im Rahmen der Projektvorstellung hieß. Der Lachs und andere gefährdete Fischarten werden in der ganzen Wiese wieder laichen können, erhofft sich der Kanton. Die Bauarbeiten starten frühestens im Jahr 2025.

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