Kreis Lörrach Freude auf den „Großstadtgroove“

Adrian Steineck
Im Bundestag wird der Wahlkreis Lörrach-Müllheim von Armin Schuster (CDU), Christoph Hoffmann (FDP) und bald Gerhard Zickenheiner (Grüne) vertreten. Foto: Archiv

Interview: Gerhard Zickenheiner über seinen Einzug in den Bundestag. Viel Herzblut im Wahlkampf.

Kreis Lörrach - Der Architekt Gerhard Zickenheiner zieht für die Grünen im kommenden Jahr als Nachrücker für den Mannheimer Gerhard Schick in den Bundestag ein. Dann wird der heimische Landkreis von drei Politikern in Berlin vertreten.

Adrian Steineck sprach mit dem Grünen-Politiker, der jüngst sein Mandat als Kreisrat niedergelegt hat, um sich ganz auf den neuen Aufgaben widmen zu können.

Frage: Herr Zickenheiner, Sie rücken im Januar für den Mannheimer Abgeordneten Gerhard Schick in den Bundestag nach. Tun Sie das mit einem lachenden und einem weinenden Auge?

Nein. Die lachen beide. Ich habe den Wahlkampf 2017 mit viel Herzblut gelebt und viel Zuspruch erhalten. Jetzt darf ich diese enorme Aufgabe antreten und freue mich darauf.

Frage: Sie haben nach vier Jahren ihr Kreistagsmandat niedergelegt, weil Sie desem nach eigenem Bekunden nicht gerecht werden könnten, wenn Sie zugleich noch in Berlin sitzen. Politiker wie Christoph Hoffmann (FDP) schultern hingegen beides. Haben Sie auch Verständnis für diese umgekehrte Sichtweise?

Das muss wirklich jeder mit sich selbst und seiner Fraktion ausmachen. Kreistagsarbeit besteht ja nicht nur aus einer Kreistagssitzung alle zwei Monate, sondern aus Arbeit in den Ausschüssen, Regionalverband, TEB und der Vorbereitung eigener Themen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich diesen Umfang nebenbei qualifiziert leisten könnte und möchte dann nicht, nur um dann gelegentlich Präsenz zeigen zu können, den Platz einem anderen engagierten Kandidaten vorenthalten. Ich habe auch keine Angst, die Nähe zur Region zu verlieren, schließlich bin ich über ein Drittel des Jahres im Landkreis tätig und tausche mich mit den Akteuren vor Ort aus.

Frage: Welche Bilanz Ihrer Zeit im Kreistag ziehen Sie?

Ich hatte viel Freude mit der Arbeit in den Gremien und mit der Verwaltung, und war sehr gerne in diesem engagierten Umfeld tätig. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass die Ausstattung der Fraktionen professionalisiert würde, beispielsweise durch eine Unterstützung mit einer Teilzeitstelle, um den wachsenden Aufgaben der Fraktionen und der Verantwortung des Kreistages nachkommen zu können. Schließlich geht es beispielsweise beim Bau eines Zentralklinikums um die Verantwortung für sehr viel Geld, das konstruktiv überwacht sein will.

Frage: Bei Ihrer Verabschiedung im Kreistag sagten Sie, Sie würden möglicherweise wieder einmal in dieses Gremium zurückkehren. Wäre das also eine Option für die Zeit nach Ihrem Bundestagsmandat?

Falls ich nicht frühzeitig vergreise: ja. Allerdings wünsche ich mir für die vorderen Listenplätze dann eher die nächste Generation.

Frage: Sie sind Mitglied der parteiinternen Arbeitsgruppe Bauen, Planen, Wohnen. Wie wollen Sie sich auf diesen Gebieten in Berlin einbringen?

Es ist bislang noch völlig unklar, in welchen Ausschüssen ich tätig sein kann. Klar, dass ich am liebsten in Bereichen tätig sein will, in denen ich mich auskenne. Als Nachrücker muss ich unter Umständen ein wenig Geduld haben, bis sich da eine Chance auftut.

Frage: Die Volksparteien wie CDU und SPD nehmen in der Wählergunst stetig ab, während die Grünen derzeit zulegen. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?

Bei allen großen Themen der letzten Jahre wie Klima, Migration, Rechtspopulismus, leben wir Grünen eine klare, werte- und gemeinwohlorientierte Haltung. Ich glaube zum Einen, das wird wahrgenommen, und zum Anderen sehen die Menschen, dass Grün zum Beispiel hier in Baden-Württemberg seit vielen Jahren zukunftsorientiert, erfolgreich und konsensfähig regiert. Das wird honoriert und das macht Mut.

Frage: Stichwort Wohnraum: Haben Sie bereits eine Wohnung in Berlin?

Ich habe mit sehr viel Glück ruckzuck eine sehr kleine, aber bezahlbare teilmöblierte Wohnung ergattert in der Nähe des Bundestages mit Blick über Bäume und die Stadt.

Frage: Auf welchem Gebiet sehen Sie in Ihrem neuen Mandat den größten Gestaltungsspielraum?

Dazu kann ich momentan noch nichts sagen, das wird sich in den nächsten Wochen erst zeigen.

Frage: Neben Kerstin Andrae sind Sie jetzt der zweite grüne Vertreter Südbadens im Bundestag. Verbindet Sie das, oder haben Sie beide auch gegensätzliche Standpunkte?

Kerstin ist eine großartige Wirtschaftsexpertin, die mich auch regelmäßig mit ihren realpolitischen Standpunkten überzeugt. Ich bin Praktiker in meinen Fachgebieten und überzeugt, dass eine konsensorientierte, wertebasierte Politik zielführend ist. Und da sind wir sicher beieinander.

Frage: Worauf freuen Sie sich am meisten in Berlin?

Auf meine Arbeit in diesem wunderbaren Umfeld. Auf die Kunstausstellungen im Hamburger Bahnhof und das Restaurant nebenan. Auf den multikulturellen Großstadtgroove. Und nach dem allem: auf das winzige Einzelzimmer im Nachtzug nach Hause. Das ist echter Luxus für mich.

Frage: Der Anruf Ihres Parteikollegen Josef „Josha“ Frey mit der Nachricht Ihres Nachrückens hat Sie auf dem Zeller Blauen erreicht, wo Sie mit Ihrer Frau die St. Bernhardshütte zu einem Ziegenstall umbauen. Wie geht es mit diesem Projekt weiter, wenn Sie in Berlin für die Grünen tätig sind?

Wir dachten zuerst, wir schaffen das nicht und müssen vermieten oder uns davon trennen. Jetzt haben wir ein klares Konzept, wie wir das Projekt in reduzierter Form leben können und freuen uns sehr auf diesen schönen Ort und die Menschen dort oben.

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