Kreis Lörrach Glanzvoll und berührend

Die Oberbadische

Leser helfen: Hilfsaktion unserer Zeitung startet mit der Binzener Runde und dem Thema Obdachlosigkeit prächtig und nachdenklich stimmend

Gaumenfreuden, ein glanzvolles Ambiente, feinste Unterhaltungskunst und nachdenklich stimmende soziale Akzente: Das ist die Binzener Runde. Sie war auch am Freitagabend wieder der gelungene Start der Aktion „Leser helfen Not leidenden Menschen“ unter dem Dach des Verlagshauses Jaumann mit seinen Zeitungen Die Oberbadische, Markgräfler Tagblatt und Weiler Zeitung.

Kreis Lörrach. Ein Viergang-Menü auf höchstem Niveau, auf den Tisch gezaubert vom Küchenteam der Mühle, erlesene Weine der Bezirkskellerei Markgräflerland und ein Kabarett-Programm der Extraklasse: Das allein wäre in dem heimelig-eleganten Festzelt des Hotel-Restaurant Mühle in Binzen völlig ausreichend gewesen für einen vergnüglichen Abend.

Doch Guido Neidinger, der Vorsitzende der Aktion „Leser helfen“, will mehr. Er will sensibilisieren für soziale Probleme in unserer Gesellschaft – nicht irgendwo, sondern in unserem direkten Umfeld.

Dieser Gegensatz von unbeschwertem Genuss einerseits und der aufrüttelnden Ansprache sozialer Missstände in unserer Region andererseits scheint auf den ersten Blick so gar nicht zusammenzupassen.

Doch genau dieser Kontrast macht die Binzener Runde und damit ihren Erfolg aus. Die 120 Besucher der längst ausverkauften Veranstaltung wissen um dieses Wechselbad der Gefühle, das ihnen da zugemutet wird. Und sie lassen sich darauf ein. In diesem Jahr lautete das Thema: Obdachlosigkeit. Sowohl Guido Neidinger als auch die Schirmherrin der Binzener Runde, Landrätin Marion Dammann, berichteten von zunehmender Obdachlosigkeit in unserer ansonsten wohlhabenden Region.

Finger in soziale Wunden: Selbst Menschen, die einer geregelten Arbeit nachgehen, aber nur den Mindestlohn erhalten, haben laut Damman kaum eine Chance auf dem angespannten heimischen Wohnungsmarkt. Und wer einmal sozial bis ganz nach unten durchgereicht wurde, kommt aus eigener Kraft nicht mehr auf die Beine. In der Theorie ist das vielen bewusst. Doch wer spricht schon mit Obdachlosen, hört sich ihr Schicksal an, erfährt aus erster Hand von deren Not und Elend? Es ist ein Qualitätsmerkmal der Binzener Runde, genau das zu tun – den Finger in die Wunde zu legen, auch wenn es weh tut.

Mucksmäuschenstill wurde es im Festzelt der Mühle, als Neidinger Arno Widmann auf die Bühne bat. Das Schicksal des Stetteners berührte zutiefst. Mutig und bewegend erzählte Widmann, mit sensibel und dennoch direkt gestellten Fragen geführt, wie er ins soziale Abseits geriet und obdachlos wurde. Schwere Krankheiten, Jobverlust, Alkohol, und schon war der Fernfahrer obdachlos und landete im Erich-Reisch-Haus, das sich seit Jahrzehnten um Obdachlose kümmert.

Seit 13 Jahren wird das Haus von Stefan Heinz geführt. Im zweiten Zwiegespräch mit Guido Neidinger öffnete Heinz den aufmerksamen Zuhörern die Augen und machte klar: „Obdachlosigkeit kann jeden treffen. Obdachlose, das sind nicht nur Tippelbrüder.“ Das größte Problem ist laut Heinz die zunehmende Wohnungsnot. Tausende von Wohnungen fehlen – in Lörrach und in der Region. Das macht den Landkreis Lörrach landesweit zu dem Landkreis mit den meisten Obdachlosen. „Wir brauchen dringend bezahlbaren Wohnraum“, appellierte Heinz an die Politik, die mit den Gemeinde- und Stadtoberhäuptern Jörg Lutz (Lörrach), Christoph Huber (Weil am Rhein) und Andreas Schneucker (Binzen) gut vertreten war. Ebenfalls dabei, der Landtagsabgeordnete Rainer Stickelberger (SPD). Auch die Landrätin machte deutlich, dass die Wohnungskanppheit die Kehrseite der Medaille in unserer wirtschaftlich boomenden Zuzugsregion sei.

Übrigens: Das Schicksal von Arno Widmann hat sich zum Guten gewendet. Dank seines eigenen Willens und der kompetenten Hilfe im Erich-Reisch-Haus gelang ihm die schwierige Rückkehr in ein bürgerliches Leben. Widmann wohnt heute in Stetten in einer kleinen Wohnung, hat Kontakt zu seinem Sohn, der in einer Pflegefamilie lebt, und betreut seit sechs Jahren ehrenamtlich im Erich-Reisch-Haus selbst Menschen, die noch danach suchen, wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen.

Stimmung und Kulinarik: Trotz dieser nachdenklich stimmenden sozialen Akzente war es ein Abend voller Heiterkeit. Dazu trug maßgeblich das Karlsruher Kabarett-Trio „Fräulein Knöpfle und ihre Herrenkapelle“ bei. Als ausgelernte Fleischereifachverkäuferin mit einem innigen Verhältnis zu ihrer Fleischtheke trieb Cordula Möhringer alias Fräulein Knöpfle den Gästen die Freudentränen ins Gesicht. Zudem rockten die beiden hochvirtuosen Musiker Rainer Möhringer und Uli Kofler das Zelt. Im Wechselspiel der Gegenpole trieben sie so manchem Zuschauer die Lachtränen in die Augen. Die eine oder andere Dame musste nach den Auftritten gar neues Make-up auflegen.

Für das Wohlempfinden sorgten zudem mit einem vorzüglichen Viergang-Menü Karsten Weltin, der stellvertretende Küchenchef der Mühle, und sein Team. Zusammengestellt wurde das Menü von Hansjörg Hechler, dem Patron der Mühle. Die bestens korrespondierenden vier Weine hatte Hagen Rüdlin, der Geschäftsführer der Bezirkskellerei Markgräflerland in Efringen-Kirchen, ausgesucht.

Der flinke und professionelle Service der Mühle trug ebenfalls maßgeblich zu einem perfekten Abend bei.

Schecks für Soziales: Die großzügigen Sponsoren der Binzener Runde, die Sparkassen Lörrach-Rheinfelden und Markgräflerland, der Energieversorger Badenova und die Maulburger Firma Busch sorgten dafür, dass deren Vertreter Stefan Heinz bereits zum Auftakt der Hilfsaktion Schecks über 10 000 Euro überreichen konnten. Das Geld wird laut Heinz für ein betreutes Obdachlosen-Projekt in Brombach benötigt. In ein Haus an der katholischen Kirche sollen acht Frauen einziehen. Mit dem Spendenbetrag, der zum Abschluss der Hilfsaktion um weitere 10 000 Euro aufgestockt wird, wird das Haus möbliert.

Neu in diesem Jahr ist die „Binzener Gönnerrunde“. Deren Mitglieder fördern uneigennützig das soziale Anliegen der Aktion „Leser helfen“ mit namhaften Beträgen. Zur Gönnerrunde gehören der Verleger Dr. Hansjörg Jaumann, der Zahnarzt Dr. Hans-Jürgen Weh, Thomas Sieberer von Mc Donald’s Hochrhein, die Anwaltskanzlei Seidler & Partner und die Firma Würzburger. Vertreter der Gönnerrunde überreichten Arno Widmann einen Scheck über 5000 Euro.

Der Betrag kommt der Wärmestube für Obdachlose in Weil am Rhein zu Gute. Guido Neidinger hofft, dass weitere Mitglieder zur Gönnerrunde stoßen. „Wer Mitglied werden möchte, kann mich liebend gerne ansprechen.“

Die Riesentombola: Nach wie vor das wichtigste Standbein von „Leser helfen“ ist die Riesentombola mit mehr als 600 Preisen im Wert von über 80 000 Euro. Die Preise werden überwiegend von Firmen und Einzelpersonen gestiftet. Hauptgewinn ist in diesem Jahr ein e-Golf im Wert von 34 500 Euro, gespendet von dem Energieversorger EBLD Schweiz Strom GmbH in Rheinfelden. „Ein so teures Auto hatten wir noch nie als Hauptpreis“, freute sich Guido Neidinger und dankte dem Unternehmen, vertreten durch die Leiterin für Kommunikation und Marketing, Natascha Neidinger, für die großzügige Spende. „schweizstrom“ ist zudem Sponsor der Zirkusgala „Salto Sociale“, die den festlichen Abschluss der Hilfsaktion am 17. Dezember in Kooperation mit dem Lörracher Weihnachtszirkus bildet.

Schweizer Partner: Eine weitere erfreuliche Entwicklung konnte Guido Neidinger vermelden. Neben „schweizstrom“ unterstützen gleich mehrere Partner aus der benachbarten Schweiz die Hilfsaktion. Es sind das Palazzo Colombino mit Geschäftsführer Thomas Dürr und das Internationale Zirkusfestival „Young Stage“ mit seiner Direktorin Nadja Hauser. Hinzu kommen die Universitätskliniken Basel über ihr deutsches Tochterunternehmen, das Medizinische Versorgungszentrum Lörrach, mit dessen Geschäftsführerin Heike Jost.

Guido Neidinger und Landrätin Marion Dammann dankten Uta Schroeder, der guten Seele von „Leser helfen“, für ihren jahrzehntelangen Einsatz im Dienste der guten Sache.

FOTOGALERIE Weitere Fotos unter www.dieoberbadische.de

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