Kreis Lörrach Großer Player mit Vorbildfunktion

Die Oberbadische

Soziales: Mit innovativen Projekten treibt die Lebenshilfe die Angebote in der Behindertenhilfe voran

In 55 Jahren vom Selbsthilfe-Verein zum großen Player: Mit 250 Mitarbeitern und 13 Millionen Euro Jahresumsatz ist die Lebenshilfe Lörrach, gegründet 1964, heute ein bedeutender Träger der Behindertenhilfe im Landkreis Lörrach.

Von Beatrice Ehrlich

Kreis Lörrach. Einem innovativ denkenden Vorstand und zupackenden Geschäftsführern ist es zu verdanken, dass die Lörracher Lebenshilfe immer wieder eine Pionierrolle gespielt hat, wenn es darum ging, um Autonomie und gesellschaftliche Teilhabe für von Behinderung betroffenen Menschen voranzutreiben.

Der jüngste in dieser Reihe ist Philipp Bohner, der im Juli dieses Jahres die Geschäftsführung der Lebenshilfe Lörrach übernommen hat. Schon seit zehn Jahren kennt der studierte Sozialwirt die Lebenshilfe von innen, fünf Jahre davon als Leiter der Offenen Hilfen. Die Arbeit mit Behinderten ist dem Mann mit Wurzeln im Kreis Biberach ein Herzensanliegen. „Ich kann mir nichts anderes vorstellen“, sagt er mit voller Überzeugung. Was ihn bei seiner Arbeit täglich antreibe, sei der Wille, Menschen mit Behinderung ernst zu nehmen und ihnen zu einem möglichst selbstbestimmten Leben zu verhelfen.

Das Angebot reicht heute von der interdisziplinären Frühförderstelle über den Betrieb zahlreicher Werkstätten bis hin zum inklusiven Wohnprojekt in der Kolpingstraße. Mit ihren Diensten und Angeboten deckt die Lebenshilfe die Bereiche Kind und Familie, Wohnen, Arbeiten sowie Offene Hilfen ab. Eine Vorbildrolle nimmt die Lebenshilfe mit KoBV (Kooperative berufliche Bildung und Vorbereitung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt) ein, einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme für Menschen mit Behinderung in Kooperation mit der Agentur für Arbeit, der Schulverwaltung und dem Integrationsamt. 70 Prozent der Teilnehmer konnten seit dem Start im Jahr 2005 in den Arbeitsmarkt vermittelt werden.

Wegweisend war auch die Einrichtung der Wohnschule für Menschen mit Behinderung ab 18 Jahren. Ziel ist eine ambulant betreute Selbstständigkeit. In einer Wohnung im Zentrum von Lörrach wohnen vier Wohnschüler zwei Jahre zusammen und erlernen wichtige Alltagsfertigkeiten wie Einkaufen, Putzen, Kochen, Wäsche waschen, Benutzen von Bus und Bahn, Umgang mit Geld, Telefonieren und anderes. Dazu gehört aber auch, Ideen für die eigene Zukunftsperspektive zu entwickeln und sich darüber klar zu werden, wie man zukünftig wohnen will, seine Freizeit verbringen möchte und wo man Freunde findet und wie man sich um diese Freunde, um Partner und Familie kümmert.

Ihre logische Fortsetzung erfahren die genannten Projekte in dem inklusiven Wohnprojekt Kolpingstraße, das dieses Jahr fertig gestellt wurde. Mit dem Bau eines eigenen Mietshauses kommt die Lebenshilfe einer Nachfrage nach Barrierefreiheit nach, die der freie Wohnungsbau nicht erfüllt. Fünf Millionen Euro hat die Lebenshilfe dafür in die Hand genommen, das Projekt soll sich über die Mieteinnahmen tragen. Als Mieter für die Einzelappartements und Wohnungen für WGs oder Familien sind Menschen mit einem Bedarf an Wohnbetreuung durch die Lebenshilfe ebenso angesprochen wie andere Interessenten an einer barrierefreien Wohnung. Teil des Konzepts sind allgemein nutzbare Funktionsräume, etwa ein zentral gelegener und barrierefrei erreichbarer Seminarraum mit Küche, in dem vor allem auch Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen ermöglicht werden sollen. Mithilfe von Spenden sollen die Funktionsräume nach und nach noch entsprechend ausgestattet werden.

Obwohl viele ihrer Dienste durch die Pflegekassen und Zuschüsse, etwa des Landkreises finanziert werden, ist die Lebenshilfe nach wie vor in hohem Maße auf Spenden angewiesen. Dies betrifft vor allem die Offenen Hilfen; professionell betreute und meistens von Ehrenamtlichen mit durchgeführte Angebote zur Freizeitgestaltung sowie ein Kinderferienprogramm für Kinder und Erwachsene mit und ohne Behinderung. In Kooperation mit verschiedenen Partnern, etwa dem Familienzentrum, der Volkshochschule, der Kaltenbach-Stiftung, dem Freien Theater Tempus fugit und anderen Akteuren werden Angebote für verschiedene Zielgruppen an verschiedenen Standorten angeboten, unter anderem im neuen Seminarraum in der Kolpingstraße. Noch relativ neu ist ein Angebot für Geschwisterkinder eines Kindes mit Behinderung. In der Gruppe, die sich regelmäßig zu gemeinsamen Unternehmungen trifft, haben solche Kinder die Gelegenheit, Fragen zu stellen und sich untereinander auszutauschen und erfahren ganz konkret, dass andere in einer ganz ähnlichen Situation aufwachsen. Die Einbindung ehrenamtlicher Helfer gegen Aufwandsentschädigung – über 150 sind es bei der Lebenshilfe Lörrach – diene letzten Endes auch der Mitarbeitergewinnung, wirbt Bohner für dieses Modell, obwohl es für die Lebenshilfe mit enormem bürokratischen Aufwand verbunden ist, etwa für vorgeschriebene Schulungen. Es seien meist positive Erfahrungen, die insbesondere die jugendlichen Helfer ab 14 Jahren aus einem solchen „verantwortungsbewussten Ferienjob“ mitnähmen. Nicht zuletzt würden gerade in diesem Bereich Brücken in die Gesellschaft hinein geschlagen und die Bevölkerung für die Belange behinderter Menschen sensibilisiert.

„Behinderung“ lautet das Schwerpunktthema der Aktion „Leser helfen Not leidenden Menschen“ in diesem Jahr. Neben der Unterstützung von Einrichtungen und Projekten für „Menschen mit Behinderung“ geht es auch darum, mit redaktionellen Beiträgen und Reportagen die Themen Behinderung und Inklusion ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu tragen.

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