Kreis Lörrach „Impfpflicht wird Lücken reißen“

Michael Werndorff und Marco Fraune
Die Impfpflicht im Gesundheitswesen stellt Heime und Kliniken vor besondere Herausforderungen. Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Impfpflicht I: Pflegeheimleiter äußern Kritik / Gesundheitsamt rechnet mit Mehrbelastung

Ohne Impfung droht Arbeitnehmern im Gesundheitswesen und Pflegeberufen ab Mitte März ein Tätigkeitsverbot. Das kann zu Lücken in der Personaldecke führen, die nur schwer geschlossen werden können, weiß Reinhard Heichel, Betriebsleiter des Eigenbetriebs Heime im Landkreis Lörrach.

Von Michael Werndorff und Marco Fraune

Kreis Lörrach. Sollte es nach dem 15. März tatsächlich zu Tätigkeitsverboten kommen, werde es mit Blick auf den ohnehin angespannten Personalmarkt in der Pflege schwierig werden, fehlende Mitarbeiter zu ersetzen, macht Heichel im Gespräch mit unserer Zeitung deutlich. „Es besteht die Gefahr, dass Lücken entstehen, die nicht zeitnah gestopft oder kompensiert werden können.“

Abwanderung möglich

Der Fachkräftemarkt sei so gut wie leergefegt, erschwerend komme die Grenzlage hinzu: „Das Risiko einer Abwanderung von Pflegekräften in die Schweiz, wo andere Bedingungen herrschen, ist gegeben.“ Die Lage auf dem Arbeitsmarkt sei ohnehin angespannt. Nach dem 15. Februar könnte sich die Situation verschlimmern.

Dann werde es auch schwieriger, Mitarbeiter über Leiharbeitsfirmen zu akquirieren, um einen möglichen Ausfall eigener Kräfte abfedern zu können, ergänzt Lucas Lacher, Einrichtungsleiter des Seniorenzentrum St. Fridolin. Dort seien 90 Prozent der Mitarbeiter geimpft, 75 Prozent geboostert und acht ungeimpft. Drei bis fünf ungeimpfte Mitarbeiter könnte sein Haus verlieren, meint Lacher. Im gesamten Landkreis rechnet er mit 60 bis 80 Mitarbeitern, die wegen der Impfpflicht den Arbeitgebern den Rücken kehren würden. „Das wird sich unmittelbar auf die Pflegequalität auswirken“, ist Lacher überzeugt. Möglich seien auch Aufnahmestopps und der Wegfall von Pflegeplätzen. Zudem werde die Impfpflicht wohl den Fachkräftemangel verschärfen, ist Lacher überzeugt.

Impfquote weiter erhöhen

Ziel sei es, die Impfquote von mehr als 90 Prozent im Eigenbetrieb Heime weiter zu erhöhen. „Mit den bisher ungeimpften Mitarbeitern der kreiseigenen Heime werden bereits Gespräche geführt, und bei einigen steht bereits ein Impftermin fest, sodass wir davon ausgehen, dass sich die Impfquote in den nächsten Wochen noch erhöhen wird“, erklärt Torben Pahl, Pressesprecher des Landkreises Lörrach, auf Nachfrage unserer Zeitung.

Keine Kündigungen

Die Impfquote erhöhen wollen auch die Kliniken des Landkreises, wie Sprecherin Marion Steger deutlich macht. „Was ab dem 15. März passieren wird, ist derzeit noch offen.“ Derzeit warte man noch auf Konkretisierungen.

Mit dem Thema befasst seien Juristen der Deutschen Krankenhausgesellschaft, so Steger weiter. „Wir legen die Hände nicht in den Schoß und versuchen, mit den Mitarbeitern in den Dialog zu treten und haben ein ganzes Bündel an Informations- und Aufklärungsmöglichkeiten geschnürt. Wir sehen, dass sich auch noch einige Mitarbeiter impfen lassen. Kündigungen sind bei uns bislang keine bekannt“, so die Kliniken-Sprecherin. „Unser Ziel ist es, dass uns kein Mitarbeiter verlässt.“

Infoveranstaltungen

Im Lörracher Pflegeheim „Margaretenheim“ liegt die Impfquote unter den Mitarbeitern bei 90 Prozent – jeder zehnte ist also noch nicht geimpft. Der Träger der Senioreneinrichtung, das Evangelische Altenwerk, will in den kommenden Wochen daher noch Überzeugungsarbeit leisten, wie Vorstandsmitglied Martin Strittmatter gegenüber unserer Zeitung erklärt. Eine Info-Veranstaltung für Nicht-Geimpfte sowie anschließende Einzelgespräche sind geplant. „Ich gehe davon aus, dass wir aber einige Mitarbeiter verlieren.“ Auf eine Zahl will er sich lieber nicht festlegen. „Wir schauen mal, was dann passiert.“

Klar ist, dass er die Fälle dem Gesundheitsamt melden muss, das wiederum ein Betretungsverbot für das Lörracher Seniorenheim verhängen kann, in dem 107 Bewohner leben (Siehe Infotext unten). Zugleich weiß Strittmatter, dass die Schweiz keine Impfpflicht auferlegt. Um die möglichen Folgen der deutschen Vorgaben sorgt er sich daraus resultierend. „Es stellt sich die Frage, ob wir uns einen Pflegenotstand einkaufen.“ Das Gesundheitsamt habe er über seine Bedenken schon in Kenntnis gesetzt.

Aus seinem Missmut hinsichtlich der Impfpflicht für Pflegekräfte macht das Vorstandsmitglied keine Mördergrube. Diese einrichtungsbezogene Vorgabe sei „unglücklich“. Ähnliches hört er von Mitarbeitern. „Die fühlen sich gegängelt.“ Denn besonders in der Pandemie sei noch einmal mehr Arbeit zu leisten. Pädagogisch hält er die Impfpflicht daher für den falschen Weg.

Deutliche Kritik kommt auch von Tilman Steinmann, Hausleitung Gevita in Lörrach: „Insgesamt ist es ein strategischer Fehler, einen gesonderten Bereich für die Impfpflicht herauszugreifen“, verschafft sich der Einrichtungsleiter Luft. Eine generelle Pflicht wäre zielführender. Nun entstehe der Eindruck, dass sich die Pandemie nur in der Pflege abspiele.

Gleichwohl habe man die Gelegenheit, bei der Impfung mit Vorbild voranzugehen. Damit setze der Bereich Pflege ein Zeichen, Verantwortung in der Pandemie zu übernehmen. Mit einer Massenabwanderung rechne Steinmann nicht, gleichwohl werde man die Folgen der Impfpflicht im Pflegeheim zu spüren bekommen.

Mehraufwand absehbar

Ein weiterer Aspekt: „Wie will das Gesundheitsamt den durch die Impfpflicht verursachten Aufwand bewältigen?“, fragt sich der Heimleiter. Mehrbelastung wird dies sicherlich bedeuten, heißt es derweil aus dem Landratsamt. „Eine konkrete Vorbereitung kann unsererseits jedoch erst dann erfolgen, wenn das Verfahren und die Rahmenbedingungen auf Landesebene konkretisiert worden sind“, sagt Pressesprecher Torben Pahl auf Nachfrage unserer Zeitung. Hier würden derzeit Vorgaben entwickelt, die noch abzuwarten seien.

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