Kreis Lörrach In guten Tagen auftanken

Die Oberbadische
Foto: In der Selbsthilfegruppe für Angehörige psychisch Kranker fühlt sich Helga Fratamico verstandenFoto: Beatrice Ehrlich Foto: Die Oberbadische

Schwerpunktthema: Selbsthilfegruppe von Angehörigen psychisch Kranker in Schopfheim

Wo immer eine psychische Krankheit sich bei einem Menschen bemerkbar macht, sind andere mitbetroffen: die Angehörigen. „Wenn ein Familienangehöriger zum ersten Mal in der Psychiatrie ist, bricht eine Welt zusammen“, weiß Helga Fratamico von der Selbsthilfegruppe Schopfheim für Angehörige Psychisch Kranker.

Von Beatrice Ehrlich

Kreis Lörrach. Vor zwanzig Jahren erlitt ihr Ehemann zum ersten Mal eine psychische Krise. Damals habe sie in der Selbsthilfegruppe zum ersten Mal Menschen getroffen, die wussten, von was sie sprach, die sie verstanden. Eine große Entlastung war für sie außerdem, dass ihre Familie, ihre Freunde, ihr Arbeitgeber und die Kollegen sehr großes Verständnis hatten, wenn sie aufgrund der Erkrankung ihres Mannes kürzer treten musste. Die Möglichkeit, offen sprechen zu können, habe gutgetan. Sich in krisenhaften Zeiten nicht auch noch Sorgen darüber machen zu müssen, wie sag ich´s den anderen. Für manche ist sie dadurch vielleicht ein Vorbild: Für ihre Art, eine psychische Krankheit in der eigenen Familie so offen zu benennen, habe sich auch schon einmal jemand bedankt, erzählt sie.

Im Laufe der Zeit hat Helga Fratamico viel dazugelernt: „Am Anfang habe ich Bücher verschlungen“. Nicht nur die eigene Suche nach Informationen sondern auch der Austausch in der Gruppe hätten ihr geholfen, mit der immer wieder auftretenden Krankheit ihres Mannes umgehen zu lernen. Deshalb empfiehlt sie auch anderen Angehörigen, sich so genau wie möglich über das Krankheitsbild ihres Partners oder Kindes zu informieren. Kinder, in deren Familie eine psychische Krankheit auftrete, müssten Bescheid wissen, sagt sie aus eigener Erfahrung. Indem man mit ihnen darüber spreche statt das Thema zu verdrängen, trage man Vorsorge, dass die Krankheit für Kinder nicht selbst zur Belastung wird. In einer Partnerschaft, aber auch in der Familie oder unter Freunden nicht gleich an Trennung zu denken, sondern daran, dass man es auch zusammen packen kann, sei das eine, so Helga Fratamico. Das andere, auf die eigenen Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen und auf sich selbst zu achten in einem Alltag, der nicht immer planbar ist. Wie man in guten Tagen auftankt für schwierige Zeiten, das sei oft auch Thema in der Selbsthilfegruppe.

Den geplanten Umzug des Schopfheimer Krankenhauses und damit auch der Psychiatrie in das neue Zentralkrankenhaus sieht die engagierte Angehörige mit einem lachenden und mit einem weinenden Auge. Einerseits werde sich die psychiatrische Versorgung wohl verbessern. Andererseits sei es für Angehörige in vielen Fällen auch hilfreich gewesen, dass sich die Psychiatrische Klinik mitten in der Stadt befand. So habe man einfach „ins Krankenhaus“ gehen können, um ein psychisch erkranktes Familienmitglied zu besuchen, so selbstverständlich, wie bei allen anderen Krankheiten. Auch die Betroffenen seien gut aufgehoben mitten in der Stadt. Mittendrin statt auf der grünen Wiese, das sei für sie gleichbedeutend mit weniger Stigmatisierung und Ausgrenzung der psychisch Kranken.

Mittlerweile bringt sich Helga Fratamico als Sprecherin aktiv mit ein in die Arbeit der Selbsthilfegruppe Schopfheim, in der sich regelmäßig bis zu 20 Personen aus dem ganzen Landkreis Lörrach treffen. In regelmäßig stattfindenden Vorträgen informieren Ärzte, Polizisten oder Therapeuten über ihre Arbeit. Auf regionaler Ebene ist die Gruppe in zahlreichen Arbeitskreisen und Gremien zum Thema psychische Erkrankung vertreten. Einzelne Teilnehmer sind Mitglied im Landesverband Baden-Württemberg. Denn für psychisch Kranke und ihre Angehörigen gibt es noch viel zu verbessern, auch im Landkreis Lörrach. Die viel zu niedrige Zahl an Therapeuten sei das eine, das andere das Fehlen ambulanter Hilfsangebote und Dienste, der Angehörigen im Falle einer Krise zur Seite stehen und eine Einweisung in die Klinik möglicherweise verhindern könnte. Oft ständen Betroffene gerade am Wochenende völlig allein da. Bis zur Aufnahme in die Klinik könnte aufgrund der Wartezeit bis zu sechs oder sieben Wochen vergehen – eine akute Psychose sei da oft schon wieder vorbei. Auch nach einem Klinikaufenthalt sei die Weiterversorgung Erkrankter schwierig. Von der Gesellschaft wünscht sich Fratamico mehr Sensibilität im Umgang mit psychischen Leiden. Dafür sei noch viel Aufklärung nötig. Zum Beispiel sollte man wissen, dass Ratschläge wie: „Geh doch mal raus“ oder „Guck mal, die Sonne scheint“ völlig unangebracht sind, wenn jemand depressiv ist. Die Krankheit hindere den Betroffenen ja in diesem Augenblick gerade daran, die Dinge so wahrzunehmen, wie es andere tun.

Zu guter Letzt hat Fratamico noch einen Buchtipp für alle Betroffenen. Das Buch „Zusammen wachsen. Psychose, Partnerschaft und Familie“ von Helene und Hubert Beitler habe ihr unter den vielen, die sie gelesen habe, am meisten geholfen in ihrer familiären Situation.

Von Beatrice Ehrlich

Kreis Lörrach. Vor zwanzig Jahren erlitt ihr Ehemann zum ersten Mal eine psychische Krise. Damals habe sie in der Selbsthilfegruppe zum ersten Mal Menschen getroffen, die wussten, von was sie sprach, die sie verstanden. Eine große Entlastung war für sie außerdem, dass ihre Familie, ihre Freunde, ihr Arbeitgeber und die Kollegen sehr großes Verständnis hatten, wenn sie aufgrund der Erkrankung ihres Mannes kürzer treten musste. Die Möglichkeit, offen sprechen zu können, habe gutgetan. Sich in krisenhaften Zeiten nicht auch noch Sorgen darüber machen zu müssen, wie sag ich´s den anderen. Für manche ist sie dadurch vielleicht ein Vorbild: Für ihre Art, eine psychische Krankheit in der eigenen Familie so offen zu benennen, habe sich auch schon einmal jemand bedankt, erzählt sie.

Im Laufe der Zeit hat Helga Fratamico viel dazugelernt: „Am Anfang habe ich Bücher verschlungen“. Nicht nur die eigene Suche nach Informationen sondern auch der Austausch in der Gruppe hätten ihr geholfen, mit der immer wieder auftretenden Krankheit ihres Mannes umgehen zu lernen. Deshalb empfiehlt sie auch anderen Angehörigen, sich so genau wie möglich über das Krankheitsbild ihres Partners oder Kindes zu informieren. Kinder, in deren Familie eine psychische Krankheit auftrete, müssten Bescheid wissen, sagt sie aus eigener Erfahrung. Indem man mit ihnen darüber spreche statt das Thema zu verdrängen, trage man Vorsorge, dass die Krankheit für Kinder nicht selbst zur Belastung wird. In einer Partnerschaft, aber auch in der Familie oder unter Freunden nicht gleich an Trennung zu denken, sondern daran, dass man es auch zusammen packen kann, sei das eine, so Helga Fratamico. Das andere, auf die eigenen Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen und auf sich selbst zu achten in einem Alltag, der nicht immer planbar ist. Wie man in guten Tagen auftankt für schwierige Zeiten, das sei oft auch Thema in der Selbsthilfegruppe.

Den geplanten Umzug des Schopfheimer Krankenhauses und damit auch der Psychiatrie in das neue Zentralkrankenhaus sieht die engagierte Angehörige mit einem lachenden und mit einem weinenden Auge. Einerseits werde sich die psychiatrische Versorgung wohl verbessern. Andererseits sei es für Angehörige in vielen Fällen auch hilfreich gewesen, dass sich die Psychiatrische Klinik mitten in der Stadt befand. So habe man einfach „ins Krankenhaus“ gehen können, um ein psychisch erkranktes Familienmitglied zu besuchen, so selbstverständlich, wie bei allen anderen Krankheiten. Auch die Betroffenen seien gut aufgehoben mitten in der Stadt. Mittendrin statt auf der grünen Wiese, das sei für sie gleichbedeutend mit weniger Stigmatisierung und Ausgrenzung der psychisch Kranken.

Mittlerweile bringt sich Helga Fratamico als Sprecherin aktiv mit ein in die Arbeit der Selbsthilfegruppe Schopfheim, in der sich regelmäßig bis zu 20 Personen aus dem ganzen Landkreis Lörrach treffen. In regelmäßig stattfindenden Vorträgen informieren Ärzte, Polizisten oder Therapeuten über ihre Arbeit. Auf regionaler Ebene ist die Gruppe in zahlreichen Arbeitskreisen und Gremien zum Thema psychische Erkrankung vertreten. Einzelne Teilnehmer sind Mitglied im Landesverband Baden-Württemberg. Denn für psychisch Kranke und ihre Angehörigen gibt es noch viel zu verbessern, auch im Landkreis Lörrach. Die viel zu niedrige Zahl an Therapeuten sei das eine, das andere das Fehlen ambulanter Hilfsangebote und Dienste, der Angehörigen im Falle einer Krise zur Seite stehen und eine Einweisung in die Klinik möglicherweise verhindern könnte. Oft ständen Betroffene gerade am Wochenende völlig allein da. Bis zur Aufnahme in die Klinik könnte aufgrund der Wartezeit bis zu sechs oder sieben Wochen vergehen – eine akute Psychose sei da oft schon wieder vorbei. Auch nach einem Klinikaufenthalt sei die Weiterversorgung Erkrankter schwierig. Von der Gesellschaft wünscht sich Fratamico mehr Sensibilität im Umgang mit psychischen Leiden. Dafür sei noch viel Aufklärung nötig. Zum Beispiel sollte man wissen, dass Ratschläge wie: „Geh doch mal raus“ oder „Guck mal, die Sonne scheint“ völlig unangebracht sind, wenn jemand depressiv ist. Die Krankheit hindere den Betroffenen ja in diesem Augenblick gerade daran, die Dinge so wahrzunehmen, wie es andere tun.

Zu guter Letzt hat Fratamico noch einen Buchtipp für alle Betroffenen. Das Buch „Zusammen wachsen. Psychose, Partnerschaft und Familie“ von Helene und Hubert Beitler habe ihr unter den vielen, die sie gelesen habe, am meisten geholfen in ihrer familiären Situation.

Die Selbsthilfegruppe für Angehörige psychisch Kranker wurde im Jahr 1987 von Ursula Döring gegründet. Sie trifft sich jeden letzten Montag im Monat von 18 bis 20 Uhr in der Tagesstätte „Offener Treff“ der Diakonie, Hauptstraße 94, Schopfheim, momentan aufgrund der Corona-Beschränkungen im Gemeindesaal der evangelischen Gemeinde Schopfheim-Fahrnau.

 Kontakt: Helga Fratamico, Tel. 07762/80 95 16, E-Mail angeh.psy.kranke@web.de oder über den Sozialpsychiatrischen Dienst, Tel. 07621/ 92 75 30. Mehr Information auf der Homepage der Gruppe: www.apk-schopfheim.de

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