Kreis Lörrach Klare Zielsetzungen formulieren

Die Oberbadische

Inklusion: Lehrer im Landkreis Lörrach sind motiviert, aber teilweise mit der Situation überfordert

Die Lage sei besorgniserregend. Viele Lehrkräfte fühlten sich schlichtweg mit der Inklusion überfordert, resümiert Anja Hanke, GEW-Vorsitzende des Landkreises Lörrach. Eine Besserung sei bislang noch nicht in Sicht.

Von Denis Bozbag

Kreis Lörrach. Vier Jahre liegt die Verankerung der Inklusion im Schulgesetz nun zurück. Obwohl das Kultusministerium in einem zweiten Sachstandsbericht im April ein positives Fazit zieht, und sich immer mehr Schulen für inklusive Bildungsangebote öffnen, bleibt gleichwohl weiterhin viel zu tun.

„Die Lehrer sind in ihrer Einstellung und ihrem Menschenbild dem Thema Inklusion sehr aufgeschlossen. Die Bereitschaft, förderungsbedürftige Schulkinder in die Klassengemeinschaft aufzunehmen, ist vorhanden“, betont Hanke im Gespräch mit unserer Zeitung.

UN-Konvention

Das große Aber: „Leider fühlen sich viele Lehrer damit überfordert.“ Die rot-grüne Landesregierung habe es versäumt, seit dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2008, die vom Bundestag 2009 ratifiziert wurde, Strukturen zu schaffen, um eine auf die Lebenssituation behinderter Menschen abgestimmte Unterrichtsplanung umsetzen zu können. „Erst seit dem Jahr 2015, als das Land von der UN abgemahnt wurde, kam bei der Inklusion Bewegung auf.“

Das Problem: Wie so oft bei schnell angesetzten Neuerungen im Schulbereich habe man eine Planung im Hauruckverfahren durchgesetzt, bevor überhaupt ein gutes Konzept ausgearbeitet war, lautet Hankes Kritik.

Lehrkräftemangel

Zudem fehle es an Personal für die Betreuung der Inklusionsklassen. „Im Landkreis Lörrach ist der Lehrkräftemangel im Vergleich zu anderen Schulbezirken im Land am höchsten.“ In einem geschilderten Extremfall muss eine Lehrerin alleine eine Klasse mit 28 Schülern betreuen. Davon sind fünf förderungsbedürftig, zwei sind geistig eingeschränkt.

Der vom Kultusministerium angestrebte Betreungsrichtwert liege im Sinne des Zwei-Pädagogen-Prinzips bei zwei Stunden in der Woche, in denen sich zusätzlich eine sonderpädagogische Assistenzkraft um die Inklusionskinder kümmert. Dieser Richtwert sei bereits äußerst knapp bemessen.

Laut eines Berichts der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft wurden im vergangenen Schuljahr 8887 Inklusionskinder an öffentlichen und privaten Einrichtungen im Land beschult. Mehr als drei Viertel davon an Grund- und Gemeinschaftsschulen. „Hier werden seit jeher Kinder mit unterschiedlichem Leistungsniveau unterrichtet, und die Lehrer verfügen über viele Erfahrungswerte.“

An den Gymnasien sei der Anteil mit 0,01 Prozent am geringsten.„Die Leistungsanforderungen für diese Schülergruppe ist dort oft zu hoch. Die Mehrzahl dieser Kinder benötigen Förderung beim Lernen sowie bei der sozial-emotionalen Entwicklung, die in Grund- und Gemeinschaftschulen besser durchzuführen ist“, hebt Hanke hervor.

Eine Besserung des Lehrkräftemangels und der teilweisen Überforderung der Unterrichtenden sei nicht in Sicht. „Einige Eltern schreckt die Situation so sehr ab, dass sie ihre Kinder lieber gleich an einer Förderschule anmelden“, gibt die Gewerkschaftlerin weiter zu bedenken.

Probleme sind bekannt

„Die Probleme mit der Umsetzung der Inklusion sind mir aus vielen Gesprächen mit der GEW und Besuchen in Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) bekannt. Leider hatte die CDU zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention 2008 in ihrer Regierungszeit praktisch keinen Finger gerührt – erst unter Grün-Rot kam Schwung in die Diskussion“, erklärt der Bundestagsabgeordnete Rainer Stickelberger (SPD) auf Anfrage.

Im Jahr 2015 habe das damals SPD-geführte Ministerium als ersten Schritt zu einem inklusiven Bildungssystem die Sonderschulpflicht abgeschafft.

Schulgesetzänderung

Diese Schulgesetzänderung aus dem Jahr 2015 sei nur der Anfang. Es sei nun Aufgabe von Grün-Schwarz, diesen Entwicklungsprozess weiter aktiv zu gestalten, klare Zielsetzungen zu formulieren, Fehlentwicklungen zu korrigieren und Inklusion zur schulischen Realität zu machen. Doch seit Kultusministerin Susanne Eisenmann 2016 das Ressort übernommen habe, sitze die CDU erneut im „Bremserhäuschen“. Das zeige sich zum Beispiel beim Ausbau der Studienplätze für Sonderpädagogik. In den Haushaltsverhandlungen habe die SPD einen Antrag eingebracht und 260 neue Studienplätze gefordert, der von Grün-Schwarz diese Woche abgelehnt wurde.

Im vergangenen Jahr hätten die Sozialdemokraten zudem ein Maßnahmenpaket geschnürt, wie man die Bildung für inklusiv beschulte Kinder und Schülern an SBBZ stufenweise verbessern könne.

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