Frage: Stolpersteine gibt es nicht nur auf finanzieller Ebene. Wo sehen Sie weitere Stellschrauben, an denen gedreht werden muss?
Bei der Entwicklung des Programms haben wir gemerkt, dass nicht nur Geld fehlt, sondern die Umsetzungskapazitäten nicht ausreichen – es fehlen Fachkräfte in Ausführung und Planung.
Zum Beispiel: In Sachen Wärmedämmung an Bestandsimmobilien müssten wir jährlich fünfmal so viel dämmen, um die Klimaziele zu erreichen. Unseren Nahverkehr müssen wir um den Faktor 2 ausbauen. Das zeigt, wie viele Menschen tatsächlich gebraucht werden, und zwar in vielen verschiedenen Berufen, um Klimaschutz und Nachhaltigkeit effizient sowie zielkonform umzusetzen.
Frage: Sehen Sie die Verwaltung gut genug aufgestellt, um solche Aufgaben anzugehen?
Da herrscht dasselbe Problem. Die Umsetzungskapazitäten sind in den Planungsämtern über Jahre hinweg ausgedünnt worden, weshalb dort gewaltig nachgerüstet werden muss. Fakt ist doch: Kommunen verursachen 70 Prozent des CO 2-Ausstoßes. Aus diesem Grund werden wir die Klimakrise nur meistern können, wenn die Kommunen klimaneutral werden.
Frage: Lassen Sie uns den Bogen zum Landkreis Lörrach schlagen, der das integrierte Klimaschutzkonzept auf den Weg gebracht hat. Ist dieser mit Vorbildcharakter unterwegs?
Der Weg ist ein guter, wenngleich die Ziele nicht Paris-konform sind. Das habe ich bereits in meiner Zeit als Kreisrat moniert. In Zukunft sind alle gefragt, zielführender zu arbeiten, was aber mit der heutigen finanziellen und personellen Ausstattung von Kreisen, Gemeinden und Städten nicht zu machen sein wird. Deshalb braucht es dieses sehr aufwendige Programm.
Frage: In diesem stellen Investitionen vom Bund eine Grundvoraussetzung dar. Wird mit den milliardenschweren Corona-Hilfen der Spielraum für das Klimakonzept nicht deutlich kleiner?
Letztlich ist doch klar, dass wir die Klimawende schaffen müssen, auch nach Corona. Sollten wir jetzt falsch investieren, dann werden wir die Investition kurz darauf erneut tätigen müssen, um unsere Klimaschutzziele erreichen zu können. Das sagen uns beispielsweise die Risikoversicherungen: Klimaschutz ist allemal günstiger als nichts zu tun.
Frage: Kritiker sagen, dass der Klimaschutz Gefahr läuft, ins Hintertreffen zu geraten.
Tatsächlich kommt der Klimaschutz derzeit medial zu kurz. Dabei leiden die Landwirte jetzt schon wieder unter der Trockenphase. Die Corona-Pandemie steht gerade im Fokus, aber das Klima wartet nicht. Es werden aber viele Stimmen laut, dass keinesfalls gegen das Klima gearbeitet werden darf.
Frage: Sie haben das Positionspapier vor der Krise erarbeitet. Ist es wegen Corona bereits Makulatur?
Ganz und gar nicht. Wir sind dabei, die Strategie auf die jetzigen Verhältnisse umzuarbeiten. Die meisten Kommunen rauschen gerade in den Finanznotstand, und wir schaffen mit dem Papier Möglichkeiten, aus diesem wieder rauszukommen. Gefördert wird die Planung und Umsetzung von Projekten, die für kleine und mittlere Unternehmen interessant sind, es werden Arbeitsplätze geschaffen und Gewerbesteuern generiert.
Kurzum: Wir stärken die KMU-Wirtschaft und nicht nur die großen Firmen. Damit tragen wir einen wesentlichen Teil zur guten Ausstattung von Ämtern bei und helfen Kommunen, ihren Innovationsstau in Sachen Klima zu überwinden.
Frage: Dafür braucht es aber eine gut aufgestellte Förderlandschaft.
Richtig. Diese ist in Deutschland allerdings sehr heterogen und zu kompliziert. Mit unserem Programm bieten wir jetzt ein homogenes und sektorenübergreifendes Modell an.
Frage: Könnte die Coronakrise vielleicht als Katalysator wirken, um bei der Finanzierungs- und Förderfrage schneller auf einen grünen Zweig zu kommen?
Durchaus! Gerade mit Blick auf Arbeitsplätze, die durch das Programm kurzfristig angeboten werden. Darüber hinaus ist es als Langzeitprogramm zu verstehen. Und: Es braucht mittel- und langfristige Konjunkturprogramme, um aus den Folgen der Pandemie herauszukommen.
Frage: Klimaschutz endet nicht an der Landesgrenze. Europa sollte hierbei mit einer Stimme sprechen, wozu es Absprachen braucht. Wie stehen die Chancen auf ein Ziehen an einem Strang?
Wie gesagt, geht es beim Klimaschutz nicht um ein deutsches sondern um ein weltweites Problem. Wir kooperieren mit den entsprechenden Stellen und haben sogar Hoffnung, dass die EU in eine ähnliche Richtung geht wie wir.
Gerade der Ansatz, bei einem großen, einheitlichen Fördertopf lokal angepasst zu handeln, ist eine Methode, die unser Konzept europafähig macht.
Frage: Abschließende Frage: Könnte die Entwicklung um Corona das bereits Erreichte in Sachen Klimaschutz zunichte machen?
Weite Teile der Wirtschaft bestätigen, dass man keine Rolle rückwärts wünscht. Vielmehr hat man sich vielerorts bereits darauf eingestellt, einen klimaneutralen Weg einzuschlagen. Gleichwohl müssen wir sehr darauf achten, dass der Einfluss der Erdöl-Lobby nicht zu stark werden wird.
Weitere Informationen: Weitere Infos finden Interessierte im Internet unter www.gerhard-zickenheiner.de/aktuelles/kommunale-klima-und-nachhaltigkeitsstrategie-konjunkturmotor-nach-corona