Kreis Lörrach Konzept konkretisiert Kinderschutz

Peter Ade
Autorinnen des Konzepts zum Kinderschutz – dabei (vorne, v.r.) Gisela Schleidt vom Fachbereich Jugend und Familie im Landratsamt und Birgitt Kiefer vom Familienzentrum Foto: Peter Ade

Familienzentrum: Wichtige Leitlinien erarbeitet / Wichtige Devise: „Wir schauen nicht weg“

Kreis Lörrach - Gemeinsam mit dem Kreisjugendreferat haben die vier Familienzentren im Landkreis Lörrach – Weil am Rhein, Lörrach, Schopfheim und Rheinfelden - ein Kinderschutzkonzept entwickelt. Als erste sich daraus ergebende konkrete Maßnahme findet im Schulzentrum Steinen am Samstag, 9. April, ein gemeinsamer ganztägiger Fachtag zum Thema Kinderschutz mit Vorträgen und Workshops statt.

Kreis Lörrach. „Wir haben ein offenes, wachsames Auge und schauen nicht weg, wenn Kindeswohl bedroht ist“, beschreibt Birgitt Kiefer, Leiterin des Familienzentrums Rheinfelden, die Triebfeder zur Erarbeitung des in einem Pressegespräch vorgestellten Konzepts, das in einer Broschüre übersichtlich präsentiert wird. Leitwort: „Das Wohl des Kindes steht für uns im Vordergrund. Wir wollen die Kinder begleiten auf ihrem Weg zu glücklichen, gesunden, verantwortungsvollen und teilhabenden Erwachsenen.“

Vor diesem Hintergrund enthält das in zweijähriger Arbeit entstandene Papier unter anderem die Festlegung, dass der gesamte Vorstand des Familienzentrums die Verantwortung dafür trägt, dass Mädchen und Jungen „bestmöglich vor jeglicher Art von Gewalt geschützt werden“.

Vertrauensvolle Ansprechpersonen für Kinder, Jugendliche, Eltern und die Mitarbeiter werden als Schutzbeauftragte benannt und müssen einen Ehrenkodex ablegen. Zu deren Profil gehören ein pädagogischer Berufsabschluss, Wissen zum Kinderschutz und Bereitschaft zur Fortbildung, hohe soziale und kommunikative Kompetenzen, Kontakte zu regionalen Netzwerken und die Verpflichtung zur Verschwiegenheit.

Alessio rüttelt wach

Der Fall des neunjährigen Jungen aus Staufen im Breisgau, der jahrelang gegen Geld zum Missbrauch angeboten, viele Male vergewaltigt und schließlich vom eigenen Vater getötet wurde, hat erschüttert und schockiert. Was der Bub erdulden musste, vermag sich niemand vorzustellen. Solchermaßen Erlebtes werde Menschen ewig belasten – auch bei bester Therapie und größter Resilienz, sagt Gisela Schleidt vom Fachbereich Jugend & Familien im Kreisjugendreferat des Landratsamtes Lörrach. Bekanntlich verdichteten sich im Zuge der Ermittlungen die Hinweise, dass Alessio bei der Entscheidung, ihn wieder in die Familie zurückzugeben, die ihm all das angetan hat, gar nicht selbst gehört wurde. Auch soll für ihn kein Verfahrensbeistand bestellt worden sein.

Angesichts dieser Sachlage ist den Verantwortlichen des Familienzentrums klar: Würden die Kinderrechte heute schon im Grundgesetz stehen, wären die Urteile der Justiz vermutlich anders ausgefallen. Dann hätte das Wohl des Kindes Vorrang gehabt.

Mit präzisen Aussagen

Das nunmehr auf den Weg gebrachte Konzept enthält präzise Aussagen für den Fall des Verdachts auf Gefährdung des Kindeswohls. Unter anderem heißt es: „Liegen gewichtige Anhaltspunkte vor, werden diese schriftlich dokumentiert.“

Danach erfolgt eine Einschätzung durch die Bereichsleitung, die Geschäftsleitung und die Mitarbeiter des Familienzentrums. Und weiter wörtlich: „Ebenso werden die Erziehungsberechtigten und – wenn möglich – das Kind selbst mit einbezogen.“

Genau beschrieben wird die Art und Weise des Umgangs mit einem Verdacht. Zum Beispiel heißt es: „Wir glauben dem Kind, wenn es von sexuellen Übergriffen erzählt. Wir versichern dem Kind, dass es keine Schuld an dem Geschehen hat. Wir sind offen für ein Gespräch, drängen das Kind nicht und fragen es auch nicht aus. Wir hören zu und zeigen Anteilnahme.

Wenn ein Kind von einer verletzenden Bemerkung oder einer belastenden Situation erzählt, dann nehmen wir es ernst und hören zu.“ Potentielle Täter – so das Prinzip – sollten nicht „zu früh“ mit dem Verdacht konfrontiert werden. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass Kinder unter Druck gesetzt, zum Schweigen aufgefordert werden oder ihre Aussage zurücknehmen sollen.

Schulung ganz wichtig

Als wichtigen Bestandteil der Prävention erachtet das Familienzentrum die Schulung der Mitarbeiter. Deren Qualifizierung stelle sicher, dass Gefährdungen des Kindeswohls erkannt werden und entsprechend frühzeitiges Handeln möglich ist.

In regelmäßigen Abständen sollen für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter Schulungen, Fortbildungen und Fachtage zu pädagogischen Grundlagen, Kinderrechten und Methoden zur Stärkung von Kindern und deren Familien verpflichtend durchgeführt und dokumentiert werden.

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