Für wohl die meisten Soldaten war die sie umgebende Welt fremd und in vielem unverständlich, natürlich auch die Sprache. Wie man damit umgegangen ist, belegt ein 40- seitiges Büchlein mit dem Titel „Petit Tableau du cercle de Lörrach“ – kleine Beschreibung des Kreises Lörrach – herausgegeben vom „Gouvernement Militaire de Lörrach“, also der französischen Militärverwaltung, erschienen wahrscheinlich 1946.
„Reiseführer“ informiert
Ein außerordentlicher „Reiseführer“, der zeigt, wie sehr der Militärverwaltung daran gelegen war, dass sich die Besatzer mit der Kultur ihres unbekannten Aufgabengebietes vertraut machten.
Keine Ahnung, woher der oder die Verfasser das umfangreiche Wissen über unsere Gegend hatten. Woher wussten sie von den Humanisten Nikolaus und Thomas Frey aus Schallbach, vom zauberhaften Renaissancealtärchen von Schönenberg, dass Hebels Eltern in Hauingen geheiratet haben und wer der Gründer des Lörracher Museums war, um nur einige wenige erstaunliche Beispiele zu nennen?
Die Bevölkerung wird als kräftig gebaut beschrieben, als klug aber auch hartnäckig, die „reinen Alemannen“ als groß, kräftig und blond. Man beschreibt den Dialekt, „le haut alemanique“ mit seinen typischen Merkmalen – Kind wird zu Chind und Küche zu Chuchi – und zeigt besondere Sympathie für Johann Peter Hebel, dessen Biografie man genau kennt.
Johann Peter Hebel gefällt
Gefallen fand vor allem seine frankophile und liberale Einstellung, „Leben und leben lassen“ stehe der Nazimentalität diametral entgegen, vermerkt man erfreut. Dass Hermann Burte „sein Talent als Poet und Maler leider in den Dienst der Nazis“ gestellt, sein jüngerer Bruder sich dagegen von der Politik fern gehalten hat, ist für den Autor ebenfalls erwähnenswert.
Erstaunlich sachlich und ausführlich beschäftigt man sich mit der deutsch-französischen Geschichte, interpretiert sie natürlich durch die Brille eines Franzosen, vor allem wenn es um den Dualismus zwischen Frankreich und Habsburg geht.
Kein Freund der Preußen
Naturgemäß ist man auch kein Freund der Preußen und bedauert, dass das gute Verhältnis zu Baden durch die „Berliner Politik“ gestört wurde. Aus der Feststellung, dass Frankreich im Laufe der Jahrhunderte sieben Mal Deutschland besetzt hat, spricht ein gewisses Bedauern, dem unmittelbaren Nachbarn Schweiz sei dies dank seiner Neutralität erspart geblieben.
Es gäbe noch viel Erstaunliches aus diesem Heftchen zu berichten, so zum Beispiel wird erwähnt, dass der französische Schriftsteller Arthur de Gobineau kurzzeitig im Inzlinger Wasserschloss gewohnt hat oder Max Laeuger nach dem Angriff auf Freiburg Zuflucht in der Himmelspforte im Wyhlen fand.
Auch Missverständnisse
Aber natürlich gibt es auch Missverständnisse oder Fehler. So hat die Kaiserin Marie-Louise – erst kürzlich getrennt von Napoleon – auf ihrer Reise von Paris nach Wien die Nacht vom 4. auf den 5. Mai 1814 nicht im Grenzacher Schlössle verbracht, sondern im Blauen Haus am Rheinsprung in Basel. Sehr verständlich, aber schade für Grenzach! Und das „Fernsterln“ sei ausgestorben, so lesen wir, war wohl eher eine Sitte in Bayern.
Auszüge aus Gedichten
Wie schon erwähnt, genoss Hebel größte Hochachtung, weshalb man mit Auszügen aus dem Gedicht „Die Wiese“ das Büchlein eröffnete und mit vier Strophen aus dem „Schmelzofen“ schloss, natürlich jeweils in französischer Übersetzung. Anrührend, welche Strophen man ausgesucht hat:
„Und numme keini Säbel meh! ‚s het Wunde gnueg und Schmerze geh. ‚s hinkt mengen ohni Fueß und Hand Und menge schloft im tiefe Sand. Und glitte hemmer, was me cha; Drum schenket i und stoßet a: Uf Völkerfried‘ und Einigkeit Von nun an bis in Ewigkeit.“