Zwischenbilanz: Polizeipräsident Franz Semling gibt aktuellen Lagebericht / Landkreis auf Spitzenplatz
Die Kriminalität ist im Aufwind, wie Polizeipräsident Franz Semling im Rahmen der Kreistagssitzung am Mittwoch darlegte. Im ersten Halbjahr weist der Landkreis Lörrach im Bereich des Polizeipräsidiums Freiburg die höchste Fallbelastung auf – mit steigender Tendenz.
Von Michael Werndorff
Kreis Lörrach. Traurige Spitzenposition: Der Landkreis Lörrach bleibt auch in der ersten Jahreshälfte 2022 der von Kriminalität am stärksten belastete Landkreis im Bereich des Polizeipräsidiums Freiburg: Die Häufigkeitszahl bezifferte Semling mit 3338. Schlimmer sieht es im Stadtkreis Freiburg mit 4285 aus. Entspannter zeigt sich die Kriminalitätslage im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald mit einer Häufigkeitszahl von 1873, berichtete der Polizeipräsident. „Die Zahlen steigen wieder an, wir registrieren in allen Landkreisen einen negativen Trend“, lautete seine Botschaft im Ratsrund. Im zweiten Halbjahr dürften sich die Zahlen ähnlich entwickeln.
Rückblick: Im Landesvergleich blieb der Landkreis im vergangenen Jahr der mit der höchsten Kriminalitätsbelastung in Baden-Württemberg. Mit 14 366 erfassten Straftaten im Jahr 2021 hatte sich der Zehn-Jahres-Tiefststand von 2020 aber stabilisiert. Es gab im vergangenen Jahr die geringste Straßen- und Gewaltkriminalität sowie Wohnungseinbrüche seit dem Jahr 2012.
Ausgewählte Deliktbereiche: Teilweise stark steigende Zahlen verbucht die Polizei bei einfachen und schweren Diebstahlsdelikten (plus 40 und plus 55 Prozent). Ein Plus von 118 Prozent schlägt bei Wohnungseinbruchdiebstahl zu Buche, und zwar nach historisch niedrigen Werten im Jahr 2021. Problematisch seien auch die Fahrraddiebstähle in der Grenzlage. Daher wurde eigens eine kleine Taskforce mit zwei Beamten eingerichtet, berichtete Semling.
Positiv: Die häusliche Gewalt sinkt um 20 Prozent, ein Rückgang um rund 17 Prozent gibt es bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, und minus 47 Prozent werden bei Anrufstraftaten registriert. Laut Semling zeigt die Aufklärungsaktion „Rote Karte“ Wirkung. So habe man Banken, Pflegedienste, Altenheime und Bürger sensibilisiert. Einziger Kriminalitätsbrennpunkt im Landkreis ist der Weiler Stadtteil Friedlingen, betonte Semling. Er berichtete, dass die im Jahr 2015 gegründete Ermittlungsgruppe „SiFried“ aus Personalgründen aufgelöst werden musste. Gleichzeitig seien die Reviere sowie die Kriminalpolizei in Lörrach gestärkt worden. „Trotz Auflösung der Gruppe habe sich die Kriminalitätsbelastung in Friedlingen gebessert“, führte der Polizeipräsident aus.
Verkehr: Die Unfallstatistik zeigt im aktuellen Trend rund 31 Prozent mehr Verkehrsunfälle, eine Zunahme gibt es zudem bei Personenschäden (plus 36 Prozent). Zuwachs auch bei den Pedelecs (plus 67 Prozent) und Fahrrädern (50 Prozent), wie aus der aktuellen Statistik hervorgeht.
Für erhitzte Gemüter sorgen laute Motorräder vor allem im Oberen Wiesental, daher schaue die Polizei genau hin und ist im Rahmen von regelmäßigen Kontrollen aktiv. 350 Verstöße haben die Beamten festgehalten.
Reichsbürger:
Haben im Jahr 2021 insgesamt 173 Montagsspaziergänge die Polizei auf Trab gehalten, so waren es vergangenen Mai nur noch zwei, wie weiter zu erfahren war. Die entspannte Lage dürfte weiter anhalten, meinte Semling.
Dafür rücke der Phänomenbereich Reichsbürger mehr ins Zentrum. Diese treffe Verwaltung wie Polizei gleichermaßen. Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums lebten etwa 400 Menschen, die dem Phänomenbereich Reichsbürger zuzuordnen seien, davon 90 im Landkreis Lörrach. Mit der Konzeption Reichsbürger will die Polizei Informationen sammeln und ein Scoringverfahren zur besseren Bewertung dieser Menschen etablieren. „Scheuen Sie sich nicht, die Kriminalpolizei zu kontaktieren. Wir sind auf Informationen aus der Bevölkerung angewiesen“, machte Semling deutlich. „Jede Bewertung hilft uns weiter.“
Ausblick: Die Kriminalität werde ansteigen, richtete Semling den Blick aufs zweite Halbjahr. Denn: Dort, wo viel Polizei präsent ist, werde sich auch mehr Kriminalität abzeichnen, erklärte der Polizeipräsident. Immerhin rechnete er mit weniger Straßenkriminalität. Eine Zunahme dürfte es auch bei den Verkehrsunfällen geben.
Die Coronapandemie samt Maßnahmen sind derzeit kein Top-Thema. An oberster Stelle könnte in naher Zukunft der Rohstoffmangel stehen. Dieser birgt das Potenzial, dass wieder mehr Menschen demonstrieren werden.
