Kreis Lörrach Mundart gehört nicht ins Reservat

Die Oberbadische
Zum 30. Mal trafen sich Mundartautoren bei der Internationalen Literaturwerkstatt (von links): Elfi Neubauer, Markus Manfred Jung, Moderator Volker Habermaier, Albert Strickler, Beate Thurnherr-Spirig, Hans Dieter Mairinger und Liedermacher Rolf Pressburger. Jürgen Scharf Foto: Die Oberbadische

Mundart-Literaturwerkstatt: Diesjähriges Thema: „Über alli Grenze“ / Bestehen seit 30 Jahren

Von Jürgen Scharf

Regio. In Feierlaune waren sie nicht, die Macher der 30. Internationalen Mundart-Literaturwerkstatt. Es war wohl noch zu nah am 25., das prominent gefeiert wurde. Das Jubiläum soll erst in drei Jahren, also bei der 33. Auflage, nachgeholt werden. Die Auftaktveranstaltung, traditionsgemäß am Freitagabend in Weil am Rhein, mit überwiegend Lyrikern verlief eher heiter-besinnlich.

Denn das von den Organisatoren Markus Manfred Jung und Volker Habermaier vorgegebene Thema „Über alli Grenze – Grenzen überschreiten“ stand erst bei der samstäglichen Werkstatt in Schopfheim an. Im Stapflehus verteilten sich die Besucher hinter der paraventähnlichen Malerei-Installation in der laufenden Ausstellung des Kunstvereins. In Weil ist man in den letzten Jahren, was die Besucherzahlen betrifft, nicht verwöhnt, während es bei den Auftritten in Basel immer besser und das letzte Mal sogar richtig voll gewesen sei.

Wie üblich gab es zwei Durchgänge, und wie immer führte Habermaier in seinem „Stuttgarter Honoratioren-Schwäbisch“, was nicht weit vom Hochdeutschen entfernt ist, kundig, unterhaltsam und humorvoll durch die Lesung der sechs Autoren, die man vom Dialekt her großteils gut verstand.

Das galt für den schwäbischen Liedermacher und Alltagspoeten Rolf Pressburger sowieso, der in einem Liebeslied von seiner ersten großen Liebe berichtete, in anderen Liedern Themen wie „Früher“ verarbeitet, aber auch Kritisches wie den Klimawandel.

Etwas mehr Mühe machte der Dialekt der St. Galler Mundartwortspielerin und Geschichtenerzählerin Beate Thurnherr-Spirig, die bunt gemischte Lyrik las, originelle Muster aus ihren umfangreichen, witzigen Alltagsgeschichten – ungereimte Gedichte, „denn unsere Mundart lässt sich fast nicht reimen“.

Aus dem Kraichgau kommt Elfi Neubauer, ein Wort, das sie gar nicht mag; Kraichgau habe keinen Klang, sondern ein „Geschmäckle“. Wie viel schöner klinge doch „aus dem Wiesental, dem Schwarzwald, dem Odenwald“. Ihre Sicht auf die Heimat trug sie in Gedichtform und Kurzgeschichten vor, in denen sie die Gegend vorstellte. Neubauer, bei der es frei nach Heinz Erhardt hieß: „Noch ’n Gedicht“, hat einen ganz speziellen Blick auf die Bewohner der Rhein-Neckar-Region. Sie seien „neugierig“, würden hinter den Vorhängen hervorschauen.

Einen speziellen Blick auf den Rhein und seine Heimat hat auch der Elsässer Albert Strickler, der hauptsächlich Bücher auf französisch veröffentlichte. In seinen elsässischen Mundarttexten wurde deutlich, dass er seiner Muttersprache zu Ehren dichtet und seinen Wurzeln am Rhein, seinem Elternhaus und seiner Kindheit nachgeht. „De Babbe“ (der Vater) gab Raum für melancholische Gedichte.

Bei Markus Manfred Jung seien, so Habermaier, Grenzen nur dazu da, um überschritten zu werden. Jung, der Alemanne schlechthin, hatte Lust, Gedichte aus „Hexenoodle“ zu lesen, die er – und hier streifte er doch ein bisschen das kleine Jubiläum – vor ungefähr 30 Jahren geschrieben hat. Dabei zeigte er sich verwundert, dass er als junger Mensch Altersgedichte verfasst hat und nun als Älterer denkt: „Sie stimmen“. Diese Gedichte sind aber schon lange her, dafür waren Jungs Geschichten ganz neu. Noch nie gelesen hat er jene über Namen, die nicht Schall und Rauch sind, wie die von Trump (übertrumpfen, andere ausstechen).

Mundart-Senior Hans Dieter Mairinger aus Linz schloss sich Jung an und produzierte auch Gedichte über die ältere Generation, denn einen Pensionär, der im Ruhestand ist, so etwas gebe es nicht. Einige der Altersgedichte des Österreichers waren bissig-sarkastisch, ihr Schöpfer nicht immer ganz Kavalier.

So hörte man an diesem Abend, was Moderator Habermaier zuvor zusammenfassend auf den Punkt brachte: dass die Mundart nicht zwangsläufig das Begrenzte sei und in ein Reservat gehöre, sondern man in der Mundart wirklich über Grenzen gehen könne, siehe Hebel.

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