Beratung: Schuldnerberatung erfährt hohe Nachfrage / Zinslose Darlehen helfen Überschuldeten
Schuldenfallen gibt es viele: Online-Bestellungen mit bequemen Ratenzahlung auf Kreditbasis können zu unüberlegten Kaufabschlüssen führen. Aber auch Trennung vom Partner, Krankheit oder Drogenkonsum sowie der Verlust des Arbeitsplatzes führen bisweilen zur Überschuldung, aus der nicht wenige Menschen nur mit professioneller Hilfe herauskommen.
Von Michael Werndorff
Kreis Lörrach. Bundesweit sind rund sieben Millionen Menschen über 18 Jahre überschuldet, im heimischen Kreis sind es zwischen acht und neun Prozent, wie aus dem Schuldner-Atlas 2017 der Wirtschaftsauskunftei Creditreform hervorgeht. Von Überschuldung redet man, wenn die Ausgaben die Einnahmen über einen längeren Zeitraum übersteigen und weder Vermögen noch Einkommen ausreichen, die Schulden zu begleichen.
Die Schuldnerberatungen von Caritas und Diakonie im Kreis registrieren eine steigende Nachfragetendenz, wie Frank Meißner von der Drogen- und Jugendberatungsstelle des Landkreises Lörrach im Gespräch mit unserer Zeitung berichtet. Dort wird eine integrierte Schuldnerberatung angeboten, 17 Fälle waren es im vergangenen Jahr, acht wurden abgeschlossen. Gerne würde Meißner das Angebot ausweiten, allerdings müssten hierzu die Stellenanteile aufgestockt werden – schließlich sei der Bedarf deutlich zu erkennen, verweist er auf Wartelisten bei den Wohlfahrtsverbänden.
Zu seinen Klienten zählen weniger Bürger aus der Mittelschicht, die laut Atlas bundesweit sogar 60 Prozent der Betroffenen ausmachen, es sind junge Menschen mit Suchtproblematik aus einkommensschwachen Elternhäusern, die das Hilfsangebot in Anspruch nehmen. „Da geht es nicht nur um den Handyvertrag, der dem Betroffenen finanziell über den Kopf gewachsen ist“, weiß Meißner. In der täglichen Beratung erlebe er Kettenreaktionen, bei denen neben Sucht, Abbruch der Ausbildung, psychischen Problemen und einer daraus resultierenden verstärkten Flucht in den Drogenkonsum viele Faktoren zusammenkommen, die Über- und Verschuldung begünstigen.
„Der Betroffene versucht dann schnell ein finanzielles Loch zu stopfen, während sich gleichzeitig weitere auftun, oder er ignoriert einfach Mahnbriefe und Rechnungen“, so Meißner. Im Landkreis Lörrach kämen erschwerend hohe Mieten hinzu. Generell seien die Grundhaltungskosten in den vergangenen Jahren gestiegen.
Geholfen wird den Menschen, die aus eigenen Stücken den Weg zur Beratungsstelle aufsuchen und so bereits eine hohe Selbstüberwindung bewiesen haben, zunächst durch ein gezieltes Behandlungskonzept, bevor die integrierte Schuldnerberatung für Betroffene neue Perspektiven eröffnet. Das Aufstellen eines Haushaltsplans und der Schriftverkehr mit den Gläubigern werden dann in Angriff genommen.
„Wichtig ist, eine Neuverschuldung zu verhindern und einen Schuldnerschutz zu erreichen“, erklärt Meißner, der die Gläubiger im Einvernehmen mit dem Schuldner über die aktuelle Lebenssituation informiert, damit keine weiteren Forderungen mehr gestellt werden.
Für Meißner hat die Schuldnerberatung einen gesamtgesellschaftlichen hohen Nutzen, denn sie kann Betroffenen eine positive Perspektive bieten. Dazu trägt auch der seit nunmehr 21 Jahren bestehende Verein „Hilfe für Überschuldete“ im Kreis Lörrach bei, dessen Vorsitzender Meißner ist. Mit zinslosen Darlehen, die der Verein als Entschuldungshilfe gibt, bietet sich Betroffenen die Möglichkeit, ihre Schulden zu begleichen, verweist der Vorsitzende auf eine hohe Rückzahlungsquote. In den vergangenen Jahren seien insgesamt Darlehen mit einem Volumen von 180 000 Euro vergeben worden, 2017 wurde grünes Licht für sechs neue Darlehen gegeben. Die hohe Rückzahlungsquote belege die Motivation der Menschen, die Schulden entsprechend ihren Möglichkeiten zurückzuzahlen, weiß Meißner. Für die Schuldner eröffnet sich ein Blick nach vorne: „Von den Empfängern der Darlehen höhren wir immer wieder, wie gut es sei, eine neue Perspektive zu haben. Denen fällt eine große Last von den Schultern.“ Damit es aber gar nicht erst zu einer Überschuldung kommt, sieht Meißner Handlungsbedarf und kritisiert das Fehlen von präventiven Angeboten im Kreis Lörrach. Hier sei das Landratsamt gefragt.
