Kreis Lörrach Notaufnahme im Notzustand

Michael Werndorff
Kostendruck infolge der Corona-Pandemie bekommen auch Patienten der Kreiskliniken zu spüren. Foto: Michael Werndorff

Kreiskliniken: Abläufe in Lörracher Notaufnahme sollen unter die Lupe genommen werden

Kreis Lörrach - Stundenlanges Warten, unangenehme Enge, am Limit arbeitendes Personal und blank liegende Nerven: Die Situation in der zentralen Notaufnahme (ZNA) der Kreiskliniken sorgt immer wieder für Kritik bei Patienten. Auf Initiative des Kreistags sollen die Abläufe im Rahmen eines externen Gutachtens unter die Lupe genommen werden.

"Patienten in den Gänge, Chaos"

Silvia Nübling wurde von ihrem Hausarzt am 10. Juni in die Notaufnahme der Kreiskliniken eingewiesen. „Es war alles total überfüllt, die Patienten lagen in den Gängen, es herrschte Chaos“, berichtet sie in einem Leserbrief an unsere Zeitung.

Und weiter: „Mir wurde eine Infusion gelegt, die laut einer Pflegerin nach rund 20 Minuten durch sei und dann entfernt werden sollte. Nach etwa zwei Stunden erlaubte ich mir zu klingeln und wurde von ihr in schroffem Ton angefahren: Klingeln sie nicht unnötig! Die ganze Nacht verbrachte ich in der Notaufnahme, musste zum Schlafen die FFP2-Maske anbehalten, was streng kontrolliert wurde.“

An Schlafen sei nicht zu denken gewesen. Am Morgen des 11. wurde sie dann ins Elisabethen-Krankenhaus überwiesen, wo sich die Patientin besser aufgehoben fühlte. „Die Ärzte können ja nichts dafür, die sind total überlastet“, sagt sie im Gespräch mit unserer Zeitung.

Warten auf freie Betten

Und zuletzt machten Berichte die Runde, dass Patienten mehrere Tage in der ZNA liegen mussten, weil es auf den Stationen an freien Betten fehlte.

Auf Anfrage unserer Zeitung erklärt Bernhard Hoch, medizinischer Geschäftsführer der Kliniken des Landkreises Lörrach: „In den Jahren 2020 und 2021 sind durch die Pandemie – wie in allen Krankenhäusern – die Patientenzahlen im Vergleich zu 2019 stark gesunken. In dieser Situation konnten die Bettenkapazitäten der Stationen nicht wie gewohnt vorgehalten werden.“  Die Zahl an Patienten, die mit Covid-Verdacht auch über die Lörracher Notaufnahme in die Klinik kamen, habe einen erhöhten Aufwand bezüglich Isolierung (auch in der ZNA) mit sich gebracht.

"Notaufnahme mit Abstand größte Eintrittspforte einer Klinik"

Und weiter: „Die Notaufnahme ist die mit Abstand größte Eintrittspforte einer Klinik. Im Hintergrund, für die Patienten nicht sichtbar, werden alle akuten sowie nicht zeitkritischen Notfälle der Dringlichkeit nach eingestuft und behandelt.“

Je nach Aufkommen veränderten sich daher die Wartezeiten für die nicht zeitkritischen Fälle. Eine weiterführende Diagnostik erlaube dann eine gezielte Verlegung der Patienten auf die geeignete Station. Fakt sei auch, dass die Notaufnahme seit vielen Jahren steigende Patientenzahlen verzeichne und die ZNA für viele noch vor dem Hausarzt die erste Anlaufstelle sei.

Die verstärkten Rückmeldungen zu längeren Wartezeiten im April und Mai erklärt Kathrin Knelange, Geschäftsführerin Pflege der Kreiskliniken: „Für die Betreuung der stationären Patienten setzen wir heute den deutlich besseren Personalschlüssel von einer Pflegekraft auf zehn Patienten um. Das ist seit 2020/21 eine gesetzliche Vorgabe, gleichwohl unabdingbar für eine gute Patientenversorgung sowie für gute Arbeitsbedingungen unserer Pflegekräfte. Um dies zu erreichen, benötigen wir Unterstützung durch deutlich teurere und vom Gesetzgeber nicht ausreichend finanzierte Leiharbeitskräfte.“

"An Zeiten vor Corona anknüpfen"

Die geringeren Patientenzahlen und damit verbundenen niedrigeren Einnahmen unter Beibehaltung des Betreuungsschlüssels lasse das Dilemma sichtbar werden, macht Knelange deutlich. So reduzierten die Kreiskliniken die stationären Betten, um Kosten von Leiharbeitskräften einzusparen. Dies führte in der Notaufnahme zu längeren Wartezeiten und Unzufriedenheit. „Dies haben wir erkannt und die Bettenzahl angepasst. Im Laufe des Jahres werden wir die Anzahl der Betten sukzessive weiter erhöhen. Zwar unter dem kostenintensiven Einsatz von Leihkräften, jedoch mit dem klaren Ziel, an die Zeiten vor der Corona-Pandemie anzuknüpfen.“

Externes Gutachten

Die prekäre Situation hat auch die Kreistagsfraktionen in der jüngsten Kreistagssitzung auf den Plan gerufen. Ein externes Gutachten soll die Abläufe in der Notaufnahme unter die Lupe nehmen. Das Thema brenne der Fraktion auf den Nägeln, brachte Paul Renz für die CDU zum Ausdruck. Und dies nicht nur aktuell. Er verwies auf wiederholte Klagen aus der Bürgerschaft. „Die Öffentlichkeit erwartet, dass sich der Kreistag damit befasst“, sagte Renz.

Ein Zuwarten, bis das neue Zentralklinikum im Jahr 2025 seinen Dienst aufnehme, sei keine Option. „Das Image der Kreiskliniken leidet unter den Zuständen in der Notaufnahme.“

Vertrauen der Bevölkerung hat gelitten

Dass es einer sorgfältigen Aufarbeitung bedürfe, war von FW-Chef Ulrich May zu hören. Dass das Vertrauen der Bevölkerung in der Pandemie gelitten habe, erklärte Margarethe Kurfeß (Grüne). „Die Verunsicherung ist riesengroß.“ Nun liege es an den Kliniken und der Kreispolitik, das Vertrauen wieder herzustellen. „Wir müssen einen Weg finden, wie wir es in Zukunft besser machen können.“

Dass man auch bei Hausärzten, die Empfehlungen aussprechen, um Vertrauen werben müsse, ergänzte Klaus Eberhardt (SPD). Und weiter: Im neuen Zentralklinikum müssen wir die Notfallversorgung auf eine andere Ebene stellen.“

Klinikengeschäftsführer Armin Müller freute sich über die Anregung: „Ein Blick von Dritten hilft, Prozesse zu verbessern.“ Man sei schließlich auf das Vertrauen der Bevölkerung angewiesen. Mit Blick auf das geplante Zentralklinikum werde es zu großen Veränderungen in der Notaufnahme kommen, kündigte Müller an.

Innere Abläufe im Blick

Landrätin Marion Dammann richtete ebenfalls den Blick auf das neue Zentralklinikum, das im Jahr 2025 seinen Dienst aufnehmen soll: Zuletzt standen die Fragen des Baus und der verkehrlichen Erschließung im Raum. Zunehmend müsse in der Kommunikation nach außen der Fokus auf die betrieblichen Abläufe des geplanten Krankenhauses gerichtet werden. Denn: „Ich brauche kein Haus, wenn ich keine Patienten habe“, sagte Dammann.

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