Kreis Lörrach Notaufnahme oft am Anschlag

Michael Werndorff
Zukünftig soll eine durchgehende Portalpraxis Patienten den richtigen Weg weisen Foto: Michael Werndorff

Die Zentrale Notaufnahme der Kreiskliniken hat alle Hände voll zu tun. Es werden immer mehr Patienten gezählt, die kein Fall für die Notaufnahme sind. Derweil sorgt die Zentralisierung des 116117-Callcenters zu einer Verschlechterung der Lage.

Nach Schließung des Standorts Rheinfelden und der Ausdünnung der Notfallpraxen im Kreis Lörrach registrieren die Kreiskliniken deutlich mehr Patienten in der Zentralen Notaufnahme in Lörrach, wie Klinikensprecher Thilo Jakob auf Anfrage unserer Zeitung erklärt.

„Der deutliche Anstieg von Hilfesuchenden, die im ambulanten Bereich keine ausreichende Anbindung mehr vorfinden, ist für alle Notaufnahmen in Deutschland eine große Herausforderung“, macht Jakob deutlich. Eine Kompensation des hausärztlichen Sektors sowie der ambulanten sonstigen Facharztversorgung durch die Notaufnahme eines Krankenhauses sei nicht möglich. Dies führt Jakob zufolge leider auch zu Situationen enttäuschter Erwartungshaltungen bei Patienten in der Notaufnahme sowie deutlich verlängerten Wartezeiten für alle Notfallpatienten. Die Kreiskliniken wollen gegensteuern und befinden sich mit Blick auf das Zentralklinikum in Verhandlungen mit der Kassenärztlichen Vereinigung mit dem Ziel, eine durchgehende Portalpraxis im Krankenhaus Lörrach zu etablieren.

KVBW schließt Praxen

Rückblick: Ende Oktober 2023 hatte die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) die Anlaufstelle in Schopfheim von einem auf den anderen Tag geschlossen – ebenso wie weitere 13 Standorte in Baden-Württemberg, darunter auch Bad Säckingen.

Die Schließung begründete die KVBW mit einem Rechtsstreit über die Sozialversicherungspflicht der in den Notfallpraxen tätigen Ärzte. In einem Schreiben verwies die KVBW auf den Ärztemangel: Alleine im Landkreis Lörrach seien 27 Hausarztsitze nicht besetzt, schrieb die KVBW vergangenen März. Das habe auch Auswirkungen auf den Bereitschaftsdienst, da weniger Ärzte für die Dienste zur Verfügung stünden. Verstärkt werde die Entwicklung durch den steigenden Trend zur Anstellung von Ärzten in einer Praxis.

Drastische Folgen

Das Vorgehen der KVBW hat drastische Folgen für Hilfesuchende und Kreiskliniken. Zwar gebe es keine konkreten Zahlen, jedoch sei für alle Mitarbeiter ein deutlicher Anstieg bei jenen Patienten spürbar, die kein Fall für die Zentrale Notaufnahme sind, weiß Jakob. Derweil soll der Patientenservice unter der Telefonnummer 116117 für eine bessere Steuerung des Patientenstroms sorgen, indes lässt der erhoffte Effekt auf sich warten: „Wir erleben täglich Patienten, welche sich richtigerweise an die 116117 gewandt haben, da sie sich selbst nicht als medizinischen Notfall eingeschätzt haben. Diese Einschätzung ist meist richtig. Jedoch werden die Patienten in großen Zahlen durch die 116117 entweder direkt an die Notaufnahme verwiesen oder an den Rettungsdienst, welcher diese dann in die Notaufnahme bringt“, führt der Klinikensprecher aus. Dies führe zu einer zunehmenden Belastung für Notaufnahme und Rettungsdienst. Insbesondere die Zentralisierung des 116117-Callcenters weg von der lokalen Leitstelle habe zu einer wahrnehmbaren Verschlechterung der Prozessqualität geführt.

Für das neue Zentralklinikum, welches nächstes Jahr seinen Dienst aufnehmen soll, wird eine „Ein-Tresen-Lösung“ angestrebt. „Dann wird direkt am Anfang des Prozesses der Patient entweder in die Notaufnahme oder in eine hausärztliche Parteipraxis weitergeleitet“, erklärt Jakob. Vorab seien noch grundsätzliche Fragen zu klären: Wer stellt das Personal und Ressourcen zur Verfügung, wer die Räume, und wie soll die Lotsung für die Patienten sicher und zuverlässig umgesetzt werden.

Ein-Tresen-Lösung

Das Modell ist bereits an verschiedenen Kliniken etabliert, unter anderem an der Universitätsklinik in Freiburg. Dort seien seit Einführung im Herbst 2023 sehr gute Erfahrungen gemacht worden, weiß Samuel Hemmerling, Chefarzt der Klinik für Akut- und Notfallmedizin der Kreiskliniken.

Die Möglichkeit einer schnellen Einführung in Lörrach sei eigentlich gegeben. Hierfür müssten zum einen die Absprachen mit der KVBW vorangetrieben, zum anderen müsste eigenes Personal gefunden werden, um eine derartige Portalpraxis besetzen zu können, wie er bereits vergangenen März im Gespräch mit unserer Zeitung darlegte.

Mit Blick auf die Eröffnung des Zentralklinikums werden laut Hemmerling zwar viele strukturelle und organisatorische Probleme gelöst, an den großen Stellschrauben müsse aber die Politik drehen. Insbesondere sollte die Arbeit als niedergelassener Arzt wieder attraktiver gestaltet werden, rät der Chef der Klinik für Akut- und Notfallmedizin. Hausärzte könnten sicher mehr Patienten behandeln; der enge finanziellen Rahmen, in dem sich Hausarztpraxen bewegten, und das Risiko, hohe Summen an die Kassen zurückzahlen zu müssen, wirkten sich indes kontraproduktiv aus. „Das ist keine Motivation, mehr Patienten zu behandeln.“ Der ambulante Bereich muss ihm zufolge finanziell attraktiver gestaltet werde. Das entlaste dann auch alle Notfallstrukturen.

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