Kreis Lörrach Schulbegleiter sind stark gefragt

Michael Werndorff
Ein erfolgreicher Schulbesuch stellt die Weichen für das spätere Leben. Foto: Pixabay

Kinder mit ADHS und Autismus haben es besonders schwer, die Schulzeit erfolgreich zu absolvieren. Für Abhilfe sorgen Schulbegleiter, die Kindern unter die Arme greifen. Indes: Die Fallzahlen steigen kontinuierlich und damit auch die Kosten.

Ohne Schulbegleitung hätten Kinder mit geistiger oder körperlicher Behinderung, mit Autismus, ADHS oder sozial-emotionalen Beeinträchtigungen oftmals schlechte Karten, die Schule erfolgreich zu absolvieren. Denn betroffene Kinder brauchen Unterstützung im Unterricht, in den Pausen, beim Sport und auch im sozialen Miteinander.

„Die Begleitung ist Voraussetzung dafür, dass Kinder schulische Angebote sinnvoll nutzen und sich im Unterricht orientieren und letztlich handeln können“, wie Philipp Bohner und Heike Landes von der Lebenshilfe dieser Tage im Kreis-Jugendhilfeausschuss berichteten. Indes: Der Bedarf steigt und damit auch die Kosten. Kurzum: Lösungen müssen her, um den Bedürfnissen der Kinder auch in Zukunft gerecht werden zu können, lautete die Botschaft von Lebenshilfe und Kreisverwaltung.

Wie wichtig die Jugendhilfe für die Stabilität der Gesellschaft sei, betonte der Sachgebietsleiter Soziales, Gerhard Rasch. Zudem setze das Jugendhilfegesetz Maßstäbe. „Das kostet etwas, aber der Einsatz der Mittel lohnt sich.“ Laut Rasch hat die Schulbegleitung in den vergangenen elf Jahren seit der Einführung der Kooperationsvereinbarung von Begleitungen bei Autismus in Zusammenarbeit zwischen dem Fachbereich Jugend & Familie des Landratsamtes Lörrach, dem Jugendamt Waldshut und dem staatlichen Schulamt im Jahr 2013 enorm an Bedeutung in der Ausgestaltung der ambulanten Hilfen im Landkreis Lörrach gewonnen.

Anfangs 40 Hilfeleistungen

Rückblick: Im Jahr 2015 startete die Umsetzung der Schulbegleitung in der jetzigen Form mit der Lebenshilfe Lörrach. Damals zählten die Verantwortlichen 40 Hilfeleistungen, bis dato sind die Fallzahlen auf derzeit 199 angewachsen. „Das ist ein enormes Volumen, damit vermeiden wir aber einen späteren Hilfebedarf“, kommentierte Rasch die Entwicklung. Die Hilfe sei wesentlich für die Teilhabe der jungen Menschen. Die stark steigenden Fallzahlen erklärte er mit einer zunehmenden Sensibilisierung von Eltern und Lehrern, mehr Diagnosen und Feststellungen von Hilfebedarfen. Aber: „Jetzt ist die Obergrenze bei Finanzen und Personal erreicht“, sagte Rasch. Und weiter: „Wir müssen überlegen, wie wir die Mittel einsetzen. Es wird immer schwieriger“, verwies er auf Pool-Lösungen, damit jedes Kind bestmöglich Integration erfahren könne. Denn: Schulbegleitung ist in der Regel eine Einzelfallhilfe, welche die Eltern beantragen können.

4,4 Millionen Euro

Die Schulbegleitung ist der Verwaltung zufolge zu einer bedeutenden Säule der Hilfelandschaft in der Jugendhilfe geworden. Das schlägt sich auch im Kreishaushalt nieder: Die Begleitung von Schülern bildet bei den Transferleistungen den größten Posten in den ambulanten Hilfen mit einem Leistungsumfang von rund 4,4 Millionen Euro im Haushalt 2024. Dies entspricht einem Anteil von rund 39 Prozent und somit mehr als einem Drittel der Transferaufwendungen bei den ambulanten Hilfen, wie der Sachgebietsleiter ausführte.

Wer Hilfe erhält

Die Schulbegleitung wird zu 83 Prozent für Schüler ohne sonderpädagogischen Bildungsanspruch geleistet. In 13 Fällen wird jedoch auch eine Begleitung für Schüler mit sonderpädagogischem Bildungsanspruch umgesetzt. Dies zeigt laut Verwaltung, dass auch in sonderpädagogischen Schulen ein Bedarf an Schulbegleitung besteht, obwohl dort von einem besonderen und auf den Bedarf der Schüler abgestimmten Konzept ausgegangen werden könne. 21 Fälle sind Schulbegleitungen in privaten allgemeinen oder sonderpädagogischen Schulen, wie aus der präsentierten Statistik hervorgeht.

Auffallend: Der höchste Anteil befindet sich in der Grundschule, was Kreisrat Bernhard Escher (CDU) Sorge bereitete. Entwarnung gab der ehemalige Einrichtungsleiter der Tüllinger Höhe, Christof Schwald. Ihm zufolge sei es gut, wenn der Bedarf früh festgestellt und dann Hilfe geleistet würde. Andernfalls könnten ungelöste Probleme im späteren Schulleben zu einer Lawine werden. Die Intervention im Grundschulalter zahle sich aber aus. So hätten 15 begleitete Kinder und Jugendliche im vergangenen Jahr einen Schulabschluss geschafft, wie Landes sagte.

Hilfe zur Selbsthilfe

Dass Schulbegleitung immer Hilfe zur Selbsthilfe und ein Hinarbeiten auf Verselbständigung darstelle, ließ Landes nicht unerwähnt. Sie erläuterte die Arbeit der Schulbegleiter, die teils einen pädagogischen Hintergrund hätten. Diese würden unter anderem beim Organisieren des Schulalltags und Strukturieren von Arbeitsabläufen Hilfestellung leisten. Kurzum: „Sie motivieren, ermutigen, beobachten, sind da, loben, intervenieren und geben Feedback“, fasste die Expertin zusammen. So sprach Bohner bei der Schulbegleitung von einem „inklusiven Erfolgsmodell.“

Derzeit beschäftigt die Lebenshilfe Lörrach 114 Schulbegleiter, die 148 Schüler betreuen – 22 Kinder und Jugendliche befinden sich auf der Warteliste. Weil der Bedarf steigt und vorhandene Kapazitäten ausreizt, versucht die Lebenshilfe, mehrere, meist zwei Kinder gemeinsam, zu begleiten, was derzeit bei 60 Kindern der Fall ist. Damit steige der organisatorische Aufwand; zudem müssten die Eltern ihr Einverständnis geben, denn das Gesetz sehe nach wie vor eine Einzelfallbetreuung vor, führte Landes aus. „Es braucht noch andere Antworten als die Einzelschulbegleitung“, richtete sich Bohner an das Land, das angesichts der steigenden Nachfrage mehr Verantwortung übernehmen müsse. Immerhin merke der Gesetzgeber, dass die Einzelfallhilfe nicht die Lösung für alle Probleme sei. Zudem gebe es auch Fälle, bei der sie nicht das optimale Angebot für den betroffenen Schüler darstelle. Aus Sicht der Kreis-Verwaltung macht der Blick in die Zukunft deutlich, dass kontinuierlich an der Effizienz der Begleitung gearbeitet werden müsse. Denn mit der Machbarkeit werde man aufgrund der angespannten finanziellen Lage eindeutig an Grenzen stoßen.

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