Kreis Lörrach Viele junge Geflüchtete tauchen ab

Michael Werndorff
Derzeit befinden sich rund 70 minderjährige Flüchtlinge in der vorläufigen Inobhutnahme. Foto:  

Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Ausländer hat sich von Juli auf August verdoppelt. Insgesamt sind die Zahlen bislang unter dem Vorjahresniveau. Das Verschwinden der jungen Menschen wird offenbar organisiert.

Die Unterbringung minderjähriger geflüchteter Ausländer (UMA) stellt die Kreisverwaltung vor große Herausforderungen. Seit Jahresbeginn sind mit Stichtag 31. August insgesamt 747 unbegleitete minderjährige Geflüchtete im Landkreis angekommen, wie das Landratsamt auf Anfrage unserer Zeitung mitteilt.

Im August sind die Zahlen markant angestiegen, berichtete Gerhard Rasch, Fachbereichsleiter Jugend & Familie im Landratsamt, jüngst im Sozialausschuss des Kreistags. Von Juli bis August hätten sich die Zugangszahlen sogar mehr als verdoppelt, und zwar von 89 auf 184. Der Fachbereichsleiter ist gespannt, wie sich die UMA-Zugänge von September bis Jahresende entwickeln werden. Denn: „In den vergangenen Jahren waren das die Spitzenmonate bei den Zugängen. Wir sind aber gut gerüstet.“ Denn die jungen Menschen muss der Kreis vorläufig betreuen, bis sie weitergeleitet werden. Immerhin: Die Zugangszahlen lagen laut Rasch bislang unter den Vorjahreswerten.

Vor allem anfangs sei der Andrang kaum bewältigbar gewesen, sagte Rasch im Januar beim Jahrespressegespräch des Landratsamts. Denn wegen der Grenzlage des Lörracher Landkreises kommen dort mehr UMA an als in anderen Regionen Deutschlands, wie die Kreisverwaltung mitteilte. So seien im Jahr 2023 rund 1800 minderjährige Geflüchtete aufgenommen und versorgt worden, ehe sie nach wenigen Wochen auf weitere Landkreise in Baden-Württemberg verteilt werden konnten. Derzeit hat der Kreis etwa 70 UMA in Obhut, die in in Unterkünften in Maulburg, Eimeldingen sowie Lörrach-Hauingem untergebracht sind. Weitere Unterkünfte seien nicht geplant, die Kapazitäten reichten aus, heißt es seitens der Kreis-Verwaltung.

Indes: Auffällig viele Geflüchtete tauchten oft schnell unter, führte Rasch aus. „Es gibt hier schon immer eine hohe Fluktuation. Viele unbegleitete minderjährige Geflüchtete ziehen nach kurzer Zeit weiter. In der Regel betrifft das rund die Hälfte der bei uns ankommenden jungen Menschen. Die Zahlen schwanken aber immer. Aktuell liegen die Zahlen aber deutlich höher“, schreibt die Pressestelle des Landratsamts. Laut Rasch tauchen viele UMA noch vor Abschluss des Aufnahmeverfahrens, bei dem auch geprüft wird, ob die Geflüchteten minderjährig sind, ab. Wohin die Reise weiterführt, wisse man nicht. Er sprach von einem „Durchlaufposten“. Die UMA würden vom Jugendamt betreut, festnageln könne man die jungen Menschen aber nicht. Außerdem habe man den Eindruck, dass das Verschwinden aus der Inobhutnahme organisiert geschehe.

Und: Es gibt auch Veränderungen bei den Herkunftsländern der UMA. Während bislandg afrikanische Länder dominierten, käme ein Großteil der UMA nun aus Syrien und Afghanistan. Positiv: Für die Mitarbeiter der Jugendhilfe im Landratsamt gibt es seit Anfang August Entlastung. Die Time out-Stiftung, ein Träger der Jugendhilfe, hat die Betreuung der UMA in den Unterkünften der vorläufigen Inobhutnahme übernommen

Meist werden die jungen Geflüchteten im Landkreis von Polizei oder Bundespolizei aufgegriffen und an die Jugendhilfe des Landkreises übergeben. Danach geht es für sie zur medizinischen Erstuntersuchung und -versorgung in die eingerichtete Ambulanz in der Kinderklinik Lörrach. Anschließend werden sie in einer Einrichtung vorläufig untergebracht. Nach dem Erstgespräch mit Mitarbeitern des Fachbereichs Jugend & Familie sowie Dolmetschern werden die Familiensituation, Verwandtschaftskontakte und Schulbildung festgestellt. Dabei haben die Mitarbeiter auch mögliche Traumata der allein geflüchteten Jugendlichen im Blick. In der Aufnahmestelle werden ihnen dann erste Sprach- und Kulturkenntnisse vermittelt, zudem gibt es dort für die jungen Menschen Programme zur Freizeitgestaltung. In den Jahren 2022 und 2023 kamen 62 Prozent der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge aus Afghanistan, elf Prozent aus Guinea und sieben Prozent aus Syrien.

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