Kreis Lörrach Virus schürt Angst vor Ernteverlust

Peter Ade
In diesen Tagen wird im Markgräflerland und am Kaiserstuhl die Spargelernte ohne Helfer aus Osteuropa starten. Die Bauern sind nun auf Freiwillige angewiesen. Foto: zVg

Landwirtschaft: Massive Probleme wegen fehlender Helfer / BLHV auf Kräfte aus Osteuropa angewiesen

Kreis Lörrach - Die Auswirkungen der Corona-Pandemie treffen große Teile der Landwirtschaft mit voller Wucht. Südbadische Bauern befürchten gravierende Ertragseinbrüche, weil es bei den anlaufenden Ernten von Spargel und Erdbeeren an saisonalen Helfern aus Osteuropa fehlen wird. Sie dürfen wegen des Virus nicht nach Deutschland einreisen.

BLHV-Präsident warnt vor "Existenzvernichtung und Versorgungsengpässen"

In einer unserer Zeitung zur Verfügung gestellten Stellungnahme erklärte Werner Räpple, Präsident des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV): „Ein Mangel an Saisonarbeitskräften würde zur Existenzvernichtung von Betrieben und Versorgungsengpässen der Bevölkerung führen, wenn arbeitsintensive Sonderkulturen wie Spargel, Beeren, Gemüse, Wein und Obst nicht mehr gepflegt und geerntet werden könnten.“

Räpple weist außerdem darauf hin, dass die Versorgung der einschlägigen Betriebe in Baden-Württemberg mit Saisonarbeitskräften – rund 30 000 werden im Jahr benötigt – bereits heute am Zusammenbrechen sei. „Teilweise sind schon anwesende Saisonarbeitskräfte überstürzt wieder abgereist, um noch ohne Kontrollen und Quarantäne ihr Heimatland zu erreichen“, ergänzt BLHV-Pressesprecher Padraig Elsner aus Freiburg.

Das Bundesinnenministerium hat nun als weitere Maßnahme im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus am Mittwoch beschlossen, die Einreise von ausländischen Saisonkräften vorerst nicht mehr zuzulassen.

In Baden-Württemberg 30 000 Saisonarbeitskräften benötigt

Viele der von heimischen Betrieben angeforderten Saisonkräfte aus Osteuropa – vornehmlich aus Rumänien und Polen – waren laut BLHV für die nächsten zwei Wochen in den Betrieben erwartet worden. Politik und Diplomatie seien deshalb aufgerufen, „alles zu tun, um die Einreise dieser dringend für den systemrelevanten Sektor der Landwirtschaft benötigten Arbeitskräfte wieder zu ermöglichen.“

Pressesprecher Elsner hält es für „unbedingt erforderlich“, dass Transitländer wie Österreich und Ungarn weiterhin die Durchreise zwecks Arbeitsaufnahme in Deutschland wieder zulassen beziehungsweise Direktflugstrecken oder Zugverbindungen offen sind und eventuell Sonderflüge oder Sonderzüge aus den Herkunftsländern eingesetzt werden.

„Hilfreich könnte es in diesem Zusammenhang sein, eine Bescheinigung des deutschen Arbeitgebers über die Anforderung von Saisonarbeitern europaweit unbürokratisch anzuerkennen“, schreibt BLHV-Präsident Räpple in Briefen an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und den zuständigen Landesminister Peter Hauk.

Einreise ohne große Einschränkungen gefordert

Den Saisonkräften müsse schnellstmöglich signalisiert werden, dass sie wieder ohne große Einschränkungen anreisen und zurückreisen können. Nur so bleibe deren Motivation gesichert. Zur Begründung macht der BLHV darauf aufmerksam, dass Saisonarbeitskräfte oft aus abgelegenen ländlichen Gebieten stammten und daher in ihrer Heimat kaum einem Ansteckungsrisiko unterlägen.

Überdies müssten laut BLHV zur ersatzweisen Gewinnung inländischer Arbeitskräfte Anreize und unbürokratische Vermittlungsstrukturen geschaffen werden, besonders für die zu erwartende hohe Zahl an Kurzarbeitern.

Der Verband fordert „deutliche Freibeträge“ hinsichtlich der Anrechnung des Helferlohnes für Kurzarbeiter und auch für Flüchtlinge.

Im zweiten Schritt Sorge um den Verkaufswege

Eine weitere Unsicherheit zeichnet sich ab: Auch wenn die Spargelernte mit Freiwilligen gut vonstatten geht, könnte unter Umständen ein Verkaufsproblem entstehen, da Gasthäuser und Restaurants geschlossen sind und die gewohnt köstlichen Spargelgerichte – etwa in der Hochburg Bad Bellingen – demnach auch nicht als kulinarische Saison-Highlights angeboten werden können.

Derweil hoffen viele Spargelanbauer, dass ihre Ernte verstärkt auf den Wochenmärkten der Region verkauft wird – zum Beispiel auf dem Wochenmarkt in Lörrach-Stetten, wo Daniel Sütterlin vom gleichnamigen Familienbetrieb aus Schallbach zum Angebot insgesamt erklärt: „Es gibt genug für alle: Das Gemüse wächst ja trotz Corona weiter.“

Allerdings könnten die geschlossenen Grenzen laut Sütterlin mittelfristig zu großen Personalproblemen führen: „Im Moment helfen Freunde und die Familie aus, aber zur Hauptsaison, wenn Erdbeeren, Kirschen, Spargel und Co. reif sind, brauchen wir die Saisonarbeitskräfte unbedingt. Unser Personal sitzt jetzt jedoch beispielsweise in Rumänien fest und darf nicht ausreisen. Wenn das im Juni noch so ist, gibt es eine Katastrophe.“

Und auch Sütterlins Kollege Michael Meier, Mitarbeiter der Gärtnerei Berg aus Binzen, betont: „Wenn das bis zur Haupternte so bleibt, bekommen wir ein Riesenproblem.“

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