Kreis Lörrach Visionen für das Europa von morgen entwickelt

Alexandra Günzschel
Das Podium beim amerikanischen Brunch des Grünen-Kreisverbands Lörrach: Ralph Weber, Sabine Hake, Jasmin Ateia und Sarah Hagmann (von links). Foto:  

Über die Rolle Europas haben sich Professoren und Politiker auf Einladung des Grünen-Kreisverbands Lörrach ausgetauscht.

Unmittelbar vor der Amtseinführung von Donald Trump lag diese Frage in der Luft: „Wo steht Europa zwischen den Giganten USA und China?“ Der Grünen-Kreisverband Lörrach hat dies zum Thema eines gut besuchten Sonntagsbrunchs im Lörracher „Startblock“ gemacht und zur Beantwortung zwei Experten eingeladen, die mit ihren mitunter provokanten Ansichten wegführten von einer rein deutschen respektive europäischen Perspektive.

Scharfer Blick

Mit einem scharfen Blick von außen vermittelten sie überraschende Einsichten und entwickelten gemeinsam mit dem Publikum mögliche Visionen für das Europa von morgen. Sabine Hake, Professorin für deutsche Literatur und Kultur an der University of Texas in Austin, hatte eine gleichermaßen verstörende wie beruhigende Botschaft. Die Wiederwahl von Trump sei nicht der Anfang des Faschismus in den USA. Denn der Kapitalismus würde das Land davor bewahren. Hake sprach von einer resilienten Gesellschaft mit extremer Armut, aber funktionierenden Aufstiegsfantasien sowie vielen Reichen und Superreichen. Dort werde nun die Männlichkeit wieder zelebriert und Trump von den Nationalisten und Rassisten der MAGA-Bewegung (Make America great again) unterstützt. Hake empfahl, sich von inszenierten Skandalen nicht provozieren zu lassen und stattdessen lieber darüber nachzudenken, wie das europäische Projekt definiert werden soll.

Baerbock: Europa muss zusammenstehen

Ralph Weber, Professor und China-Experte am Europainstitut der Universität Basel, sieht in der neuen Trump-Regierung jene Leute in der Überzahl, die für eine strenge China-Politik stehen. China wiederum habe seine Kampagnen zur Destabilisierung der US-Demokratie nach der Wahl abrupt beendet. Was die chinesische Bevölkerung denke, sei schwer zu sagen. Weber vermutet, dass viele sich vom Geschäftsmann Trump eine Lösung für den Taiwan-Konflikt erhoffen, dergestalt, dass der Inselstaat wieder chinesisch werden würde. Moderatorin und Grünen-Landtagsabgeordnete Sarah Hagmann fragte nach der Bedeutung der globalen Entwicklungen für die Exportnation Deutschland. Jasmin Ateia. Grünen-Bundestagskandidatin für den Wahlkreis Lörrach-Müllheim, zitierte dazu Außenministerin Annalena Baerbock, die sagte, dass „Europe united“ die Antwort auf „America first“ sein müsse.

Hake: Antiamerikanismus als verbindendes Element

Dem Land Baden-Württemberg, das 23 Prozent seiner Exporte mit China abwickelt, riet sie zusätzlich zur Erschließung weiterer Märkte, etwa in Afrika. Hake hielt den Antiamerikanismus für das einzige verbindende Element in Europa. Dabei sollte sich die Europäische Union (EU) lieber mit sich selbst beschäftigen und die militärische Abhängigkeit von den USA hinter sich lassen. Deutschland, so fand sie, sei zu sehr darauf fixiert, etwas herzustellen, obwohl wirtschaftlicher Reichtum heutzutage mit Diensten wie Google generiert werde.

Mentalitätsunterschiede zwischen Amerika und Deutschland

Die Deutschen würden erwarten, dass der Staat für sie sorgt, in Amerika werde eher die persönliche Freiheit großgeschrieben, wies Hake auf einen Mentalitätsunterschied beider Nationen hin. Ateia verwies auf viele Hürden für Firmengründer und eine oftmals von Bedenken geprägte Fehlerkultur hierzulande. Weber geht mit der Trump-Wiederwahl von einer Fortführung des MAGA-Programms aus, was übersetzt bedeute: „Die USA verfolgt ihre Interessen.“ Das könne für die Nato-Partner unangenehm werden. Letztlich gehe es aber vermutlich um Geld, nicht um eine Zerstörung des Bündnisses, will heißen: „Auch andere sollen zahlen.“ Weber kritisierte auch, dass Menschenrechte mittlerweile nicht mehr so groß geschrieben würden, wenn es um geschäftliche Beziehungen zu China gehe.

Alternatives Profil

Es sei doch gar nicht schlimm, wenn Europa nun in der zweiten Liga spiele, fand Hake. In Zeiten der Klimakrise könnte sich die EU ein alternatives Profil geben – für Gleichheit und gegen die Ökonomisierung des Lebens, so ihr Vorschlag. Auch Weber sprach sich für ein eigenes europäisches Narrativ aus. Die BRICS-Staaten, eine informelle Vereinigung von Brasilien, Russland, Indien und China, zu denen auch autoritäre Systeme gehörten, hätten einen entscheidenden Nachteil: Ohne gemeinsame Wertebasis seien sie anfälliger dafür, wieder auseinanderzubrechen.

  • Bewertung
    1

Beilagen

Umfrage

Pressekonferenz Eurovision Song Contest

Basel ist im Mai 2025 Gastgeber des Eurovision Song Contests. Die Begeisterung in der benachbarten Schweiz scheint riesig. Fiebern auch Sie dem ESC in Basel entgegen?

Ergebnis anzeigen
loading