Kreis Lörrach Wenn Aufklären Leben retten kann

Adrian Steineck
Manfred Lütz signierte im Burghof fleißig Bücher. Foto: Adrian Steineck

Bestsellerautor Manfred Lütz räumt im Burghof Lörrach mit Vorurteilen zur Psychiatrie auf.

Kreis Lörrach - „Wir behandeln die Falschen. Unser Problem sind die Normalen“: Zu dieser Schlussfolgerung kommt der Psychiater und Kabarettist Manfred Lütz im Untertitel seines Buches „Irre!“. Gut 500 Besucher ließen sich am Montagabend von ihm mitnehmen auf eine so heitere wie tiefschürfende Reise in die Welt seelischer Erkrankungen.

Manfred Lütz ist Rheinländer – und zwar von der linken Seite des Rheins. „Auf der rechten Seite beginnt die lange Straße nach Moskau“, versicherte er seinen Zuhörern zu Beginn. Das Leben als Rheinländer hat durchaus Vorteile, bekannte er weiter, denn der Zustand der Alzheimerschen Krankheit etwa sei einem dann bereits von der Zeit nach Fasnacht vertraut: „Wenn der Rheinländer dement wird, ist einfach jeden Tag Aschermittwoch.“

Aber darf man psychisch kranken Menschen überhaupt mit Humor begegnen? Ja, findet Lütz, denn das bedeute zugleich ein liebevolles Einschließen Kranker in die Gemeinschaft. Ohnehin gebe es viele Irrtümer in Bezug auf psychische Krankheitsbilder. So legte Lütz dar, dass ein Drittel aller Schizophrenen vollständig geheilt werden könne und zwei Drittel voll berufsfähig sind.

Mit Vorurteilen über Psychiatrie aufräumen

Auch über die Psychiatrie selbst gibt es Vorurteile. „Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt drei Wochen“, machte der Psychiater deutlich. Danach könne die Behandlung im Bedarfsfall ambulant fortgesetzt werden. „Wenn jemand Selbstmordgedanken hat, geht er eher in die Psychiatrie, wenn er das weiß und nicht befürchtet, dort nie wieder herauszukommen“, sagte Lütz und meinte: „Aufklären rettet Leben.“

Der Autor räumte auch mit der Auffassung auf, dass Diktatoren wie Adolf Hitler oder Josef Stalin verrückt gewesen seien. Gerade Ersteres würde allen Opfern des Zweiten Weltkriegs Hohn sprechen, denn dann wäre Hitler für schuldunfähig zu erklären.

Diktatoren sind voll schuldfähig

„Mit ein bisschen Medikation und Arbeitstherapie für einen erfolglosen Münchner Kunstmaler wäre dann der Zweite Weltkrieg zu verhindern gewesen“, zeigte der Autor den Irrtum dieser Ansicht auf. Adolf Hitler war eben nicht verrückt und damit behandel- oder gar heilbar, sondern er wusste sehr genau, was er tat.

Ähnliches gilt für sein russisches Pendant Stalin, dessen maßloses Misstrauen vielen als Beleg für seinen Wahnsinn gilt. „Diktatoren, die nicht misstrauisch sind, überleben nicht lange“, meinte Lütz hierzu. „Unter den Millionen Toten, die Stalins ganz normaler Wahnsinn forderte, waren sicher auch einige, die seiner Herrschaft tatsächlich hätten gefährlich werden können.“

Lütz verstand es während des knapp zweistündigen Abends, auch bittere Wahrheiten mit Leichtigkeit und Humor zu servieren. So meinte er, dass vieles, was als psychische Krankheit behandelt werde, ganz normal sei. „Wenn eine Frau nach Jahrzehnten von ihrem Mann verlassen wird und daraufhin in ein seelisches Loch fällt, ist das eine gesunde emotionale Reaktion.“ Er trat auch für ein Umdenken in der Psychiatrie ein: „Das Ziel der Behandlung bestimmt der Patient, und wir Psychiater dienen ihm dabei.“ Der Abend mit Manfred Lütz fand zur Feier des 30-jährigen Bestehens des Sozialpsychiatrischen Dienstes statt. Näheres dazu gibt es im Internet unter www.diakonie-loerrach.de/seelische-gesundheit.

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