Kreis Lörrach Wie Demenz das Leben verändert

Siegfried Feuchter
Carola Behringer, Demenzberaterin des Caritasverbandes im Landkreis Lörrach. Foto:  

„Leser helfen“Wird bei einem Menschen die Diagnose Demenz diagnostiziert, stellt dies das Leben einer Familie auf den Kopf. Und das tiefgreifend, wie zwei Betroffene im Gespräch mit unserer Zeitung schildern. Wichtige Hilfe leistet der Caritasverband im Landkreis Lörrach.

Carola Behringer, die seit 2016 beim Caritasverband für den Landkreis Lörrach als Demenzberaterin tätig ist, weiß bestens um die Herausforderungen für Angehörige von Menschen mit Demenz. „Diese erleben oft eine Mischung aus emotionaler Belastung, sozialer Isolation sowie aus praktischen und finanziellen Herausforderungen, die das Leben nachhaltig prägen“, sagt die 51-jährige Sozialpädagogin und bedauert, dass Angebote zur Beratung und Unterstützung häufig zu spät wahrgenommen werden. Eine wichtige Anlaufstelle ist der Caritasverband mit seinen Hilfsangeboten.

Angehörige von Menschen mit Demenz leisten zeitintensive und wertvolle Arbeit zur Bewältigung des täglichen Lebens. Das reicht beispielsweise von der Haushaltsführung über die Unterstützung bei der Körperpflege bis hin zum Organisieren von Arztbesuchen. „Und je weiter die Krankheit fortschreitet, desto mehr Betreuungsaufgaben sowie Kosten für Pflegeeinrichtungen oder ambulante Dienste, die nicht von der Pflegeversicherung abgedeckt werden, kommen auf die Angehörigen zu“, erklärt Carola Behringer.

Zwei Schicksale

Demenz beeinträchtigt Wahrnehmungen und Erleben. Auch Stimmung und Verhalten verändern sich. Vor welchen Anforderungen Angehörige von Demenzkranken stehen und wie komplex eine Betreuung ist, das schildern gegenüber unserer Zeitung zwei Betroffene aus dem Landkreis Lörrach. Es sind dies Hermann M., der seine über 80-jährige Frau betreut, und Monika K., die ihren Bruder, einen alleinerziehenden Vater, tatkräftig unterstützt. Der Mann ist erst Mitte 40 und bereits an Demenz erkrankt.

Mit etwa 75 Jahren hat die Veränderung bei Hermann M.’s Frau schleichend begonnen. Ihre Merkfähigkeit ließ nach, ebenso die Orientierung. Und die Vergesslichkeit ist zunehmend größer geworden. Die Demenzerkrankung war ein schwerer Schlag. „Meine Frau ist anhänglich und mehr als lieb sowie charmant und dankbar für jede Hilfe“, sagt der Ehemann und fügt hinzu: „Auch ich liebe sie über alles.“

Für Außenstehende war anfänglich nicht erkennbar, dass seine Frau an Demenz erkrankt ist. Die Familie ging jedoch offen damit um und informierte ihren Freundes- und Bekanntenkreis. „Das ist nicht selbstverständlich, denn das Thema Demenz wird tabuisiert“, weiß Beraterin Carola Behringer und sagt: „Demenz bringt oft schleichend einen Verlust der Persönlichkeit und Fähigkeiten der erkrankten Person.“ Man könne die Krankheit nicht verhindern, aber lindern, sagt Hermann M.. Wichtig sei es, dass man Demenzkranken viel Verständnis und Wertschätzung entgegenbringt. Eine Bezugsperson sei sehr wichtig, ohne sie sei es „schrecklich“.

Nächtelang hat sich der Mann im Internet über die Krankheit informiert und gesucht, wo er Hilfe bekommen kann. Und froh ist er heute darüber, dass er den Kontakt zur Caritas und deren Demenzberaterin Carola Behringer gefunden hat. „Das ist eine starke Erleichterung. Ich weiß nicht, wo ich sonst wäre. Allein ist man überfordert.“ Inzwischen hat der Mann dank der Unterstützung durch eine Bekannte und dank der Caritas für einen Tag in der Woche Freiraum für sich selbst. Das braucht ein pflegender Angehöriger, um Luft holen zu können. Hermann M. wünscht sich auch, dass in Arztpraxen verstärkt Infobroschüren zum Thema Demenz ausgelegt und Hinweise zu entsprechenden Netzwerken gegeben werden.

„Das war ein Riesenschock“

Monika K., die eine sehr enge Beziehung zu ihrem Bruder hat, spricht von einem „Riesenschock“, als bei ihm, einem Mittvierziger, vor einem Jahr Demenz diagnostiziert wurde. „Ich hatte zwei Monate Angstzustände, wie die Familie die Folgen bewältigen soll“, sagt seine Schwester. Mit zunehmend fehlender Orientierung hatten die Probleme bei ihrem Bruder angefangen. Hinzu kam, dass bei ihm plötzlich alles viel langsamer vonstatten ging. Es sei ein Kontrollverlust, bei dem man merke, dass einem alles langsam entgleitet, schildert die Schwester die Probleme. Der mit seinen beiden Kindern im Teenageralter allein lebende Mann gestaltet den Tag zwar, mit Unterstützung durch Geschwister und Eltern, noch weitgehend selbst.

Doch das wird zunehmend schwieriger. Er ist krankgeschrieben, arbeiten wird er nicht mehr können. Um wenigstens eine Erwerbsminderungsrente zu bekommen, müsse man einen bürokratischen Hindernislauf mit vielen Regularien überwinden, schildert Monika K. die Situation. Und ohne Pflegestufe habe man kaum Chancen. „Viele Demenzkranke rutschen bei der Pflegeeinstufung durch“, weiß Carola Behringer aus Erfahrung. Folglich kommen auch finanzielle Sorgen hinzu, wenn man beispielsweise nur an die Kosten für Ergotherapie und Logopädie denkt. Und eine Erfahrung, die Monika K. bei Behördengängen für ihren Bruder gemacht hat: „Oft fehlt es an Menschlichkeit.“ Da eine psychische Krankheit nicht greifbar ist, sei es schwieriger, eine notwendige Kur oder Reha zu bekommen. Ein weiterer Kritikpunkt: Vier Monate habe es gedauert, bis ihr Bruder einen Termin bei einem Neurologen bekommen habe. Auch vermisst die Frau Selbsthilfegruppen für jüngere demenzkranke Menschen im Alter von 40 bis 65 Jahren.

Entlastung für Angehörige

Die Herausforderungen für Angehörige von Menschen mit Demenz sind vielfältig und immens. „Betreuungslösungen und gesellschaftliche Offenheit gegenüber dieser Krankheit könnten Angehörige entlasten und ihnen ermöglichen, auch in dieser herausfordernden Situation Lebensqualität zu bewahren“, erklärt Carola Behringer und äußert einen Wunsch: Der Caritasverband sucht dringend weitere ehrenamtliche Helferinnen und Helfer für den Betreuungsdienst, um Angehörige entlasten zu können. Voraussetzung für diese Aufgabe ist eine Demenzschulung, die in Weil am Rhein und Rheinfelden angeboten wird. Diese findet in Zusammenarbeit mit der AOK vom 5. Februar bis 2. April 2025 an elf Abenden im Quartiers-Café an der August Bauer Straße 3 in Weil am Rhein statt. In Rheinfelden ist die Schulung in der VHS vom 10. März bis 26. Mai 2025 jeweils ab 17 Uhr.

Wer Interesse hat, kann sich an Carola Behringer, Häuslicher Betreuungsdienst für Menschen mit Demenz und Demenzberatung carola.behringer@caritas-loerrach.de, Tel. 07621/92 75 25 oder 0151/61617772, wenden.

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