Kreis Lörrach Wie die Kandertalbahn Fahrt aufnehmen soll

Michael Werndorff
Die Reaktivierung der Kandertalbahn beschäftigt nicht nur die Kreistag. Nun liegt der Ball im Entscheidungsprozess bei den betroffenen Gemeinden. Foto: Pixabay

Bei der geplanten Reaktivierung der Kandertalbahn ist viel Geduld gefragt: Laut Experten könnte es noch zehn bis 15 Jahre dauern, bis der erste Zug fahren kann.

Der offizielle Personenverkehr zwischen Wollbach und Kandern endete am 31. Dezember 1983. Für den Güterverkehr bis Wollbach war am 1. April 1985 Schluss und die Strecke der Kandertalbahn wurde zum 14. April des selben Jahres formal stillgelegt. Danach übernahm der Zweckverband Kandertalbahn die Infrastruktur, der seit 1986 gemeinsam mit dem Verein der Kandertalbahn – dem Eigentümer der Fahrzeuge – die Museumsbahn betreibt. Ursprünglich am 1. Mai 1895 in Betrieb genommen, fristete die Strecke in den vergangenen Jahrzehnten somit ein Dasein als reine Museumsbahn. Sie ist in ihrer vollen Länge mit allen Stationen erhalten geblieben und lässt die Herzen der Dampflokfans aus nah und fern höherschlagen.

Fahrgastzahlen verdoppeln

Mit dem Ziel der grün-schwarzen Landesregierung, die Fahrgastzahlen im öffentlichen Verkehr bis zum Jahr 2030 zu verdoppeln, rückt die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken als Bestandteil der Strategie des Landes in den Fokus. Das Verkehrsministerium hatte auch ein neues Förderprogramm zur Erstellung von Machbarkeitsstudien für die Reaktivierung von stillgelegten Bahnstrecken in Baden-Württemberg aufgesetzt.

Anträge der Landkreise Waldshut und Lörrach für die Wehratalbahn, Wutachtalbahn und Kandertalbahn sind im Mai 2021 bewilligt worden. Der Kreis erhielt damals eine Förderung von rund 91000 Euro für die Erstellung einer Ergänzungsstudie zur Reaktivierung der rund 13 Kilometer langen Trasse. Verkehrsminister Winfried Hermann wertete das rege Interesse der Kommunen an dem Förderangebot des Landes als wichtigen Schritt in Richtung Verkehrswende: „Die Landkreise Waldshut und Lörrach haben nach der Bekanntgabe der neuen Fördermöglichkeiten für Machbarkeitsstudien zügig die Initiative ergriffen“, hieß es damals. Das treibe die Reaktivierungen der Wehratalbahn zwischen Schopfheim und Bad Säckingen, der Kandertalbahn zwischen Haltingen und Kandern und des Streckenabschnitts zwischen Lauchringen und Stühlingen auf der Wutachtalbahn engagiert voran, so der Minister.

Wehratalbahn auf Abstellgleis

Während die Wehratalbahn wegen eines ungünstigen Nutzen-Kosten-Verhältnisses auf dem Abstellgleis landete, konnte die Kandertalbahn bei einer Nachuntersuchung im zweiten Anlauf punkten. Hieß es laut Machbarkeitsstudie im Mai 2023 noch, dass eine Reaktivierung technisch möglich, die Wirtschaftlichkeit aber nicht gegeben sei, wendete sich das Blatt zuletzt. So hat das Land nach einer landesweiten Potenzialanalyse im Jahr 2020 die Machbarkeitsstudie von 2023 und auch die Nachuntersuchung auf der Basis neuer Rechenregeln im vergangenen Jahr gefördert – mit dem Ergebnis eines Nutzen-Kosten-Verhältnisses über eins. Konkret untersucht wurde eine 30-Minuten-Variante oder eine einstündige Bahn-Anbindung Basels als Ersatz für die bestehende Buslinie 200 aus dem Kandertal.

Noch in der Machbarkeitsstudie von 2022 war ein ernüchterndes Nutzen-Kosten-Verhältnis von 0,28 errechnet worden, das deutlich gegen eine Reaktivierung sprach. Denn erst ab einem Wert von 1,0 wiegt der Nutzen die Kosten auf, und das Projekt ist volkswirtschaftlich sinnvoll. An die Wirtschaftlichkeit ist zudem die Förderung durch Bundes- und Landesmittel geknüpft.

31 Minuten Fahrzeit

„Mit dem Bus sind es heute 53 Minuten, künftig geht es in 31 Minuten zum Badischen Bahnhof“, skizzierte Rafael Haas vom Planungsbüro SMA bei der Nahverkehrskonferenz vor wenigen Wochen. Auch mit dem Umstieg in Rümmingen in den Bus direkt nach Lörrach erkannte der Experte einen kleinen zeitlichen Vorteil.

Die Baukosten: Beim 60-Minuten-Takt (mit abgespeckter Leitungssicherung) bezifferte das Planungsbüro die reinen Baukosten zunächst auf gut 40 Millionen Euro, beim Halbstunden-Takt auf gut 45 Millionen Euro, auf Basis der Berechnung von 2022. Dazu summieren sich Planungskosten und Risikozuschläge plus Baukostensteigerungen zu insgesamt 80 Millionen beziehungsweise knapp 90 Millionen Euro beim 30 Minuten-Takt zum Preisstand 2030. Das Fazit des Experten: „Nach derzeitigem Planungs- und Kenntnisstand und Rechenregeln besteht eine realistische Chance, dass das Projekt wirtschaftlich realisiert werden kann.“ Und: Die Museumsbahn könne weiterhin fahren, wie es weiter hieß.

Sachlich und informativ

Als sachlich und informativ bezeichnet die SPD-Kreistagsfraktion die zurückliegende Konferenz zum Busverkehr. Indes: Es blieben Hausaufgaben zu tun, so die SPD. Die Kandertalgemeinden müssten für sich entscheiden, das Projekt einer Regio S-Bahn-Linie weiterzuverfolgen. Hierbei müsse es gelingen, die erkennbaren Problemstellungen und Widerstände aufzuklären, damit der vor Jahren auf den Weg gebrachte positive Korridorprozess zur Weiterentwicklung des Kandertals fortgeführt werden kann, hieß es weiter. Im Anschluss an die Konferenz erklärte Kanderns Bürgermeisterin Simone Penner, dass die Menschen das Gefühl bekämen, mitgenommen zu werden, auch wenn der Prozess erst am Anfang stehe.

Und wie geht es weiter? Die Entscheidung zur Reaktivierung hängt vom gemeinsamen Willen der Region ab. Sie wird also von den Gremienmitgliedern der direkt betroffenen Städte und Gemeinden sowie des Landkreises Lörrach gefällt. Sollten die Weichen in Richtung Reaktivierung gestellt werden, muss der Landkreis mit einem kommunalen Anteil von zehn bis zwölf Millionen Euro rechnen.

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