Kultur Drei Mal Kunst

Jürgen Scharf
Porzellanobjekte von Arnold Annen und Ziegelsteinskulpturen von Bernd Goering treffen aufeinander. Foto: Jürgen Scharf

Drei Ausstellungen in einer versammelt die Galerie Underground: Porzellan, Fotografien und Steinskulpturen.

Was soll man mehr bewundern: die Feinrelief-Porzellanwunder des Basler Keramikers Arnold Annen, die fragilen Ziegelsteintürme mit ihren Wabenstrukturen von Bernd Goering oder die Aufnahmen von Friedrich Reinert in ungewöhnlichen Perspektiven, die schon historische Zeitdokumente sind?

Gleich drei gute Gründe, die Galerie Underground in Haltingen zu besuchen. Für einmal zeigt Galerist, Fotograf und Hausherr Rolf Frei keine eigenen Fotos, sondern Arbeiten von zwei „Friends“, die bei ihm schon einmal ausgestellt haben, und einen bisher verborgenen alten Fotoschatz aus den 1920er bis 1950er Jahren.

Für Menschen auf dem Land hatte der Lörracher Fotograf Friedrich Reinert einen Blick. Foto: Jürgen Scharf /Picasa

Vor 30 Jahren konnte Rolf Frei das gesamte Negativarchiv von Friedrich Reinert (1908-1989) erwerben. Es ist ein ganzes Universum an Motiven, ja man kann sagen, es sind fotografische Tagebücher, die auch das Genre der Bildreportage streifen und in den Porträtaufnahmen richtige Fotostories erzählen. Der Lörracher Reinert war Musterzeichner, Maler und Fotograf und ein früher Besitzer einer Leica, mit der er seinen Stil und seine Sicht der Dinge entwickelte. Reinerts wertvolles Bildarchiv zeigt, was eine der großen Möglichkeiten der Fotografie ist: den Augenblick festzuhalten.

Bauern, Winzer, Fischer

Es geht dabei um die besondere Situation, den „Sekundenbruchteil von Wirklichkeit“, wie das der große Fotograf Henri Cartier-Bresson einmal genannt hat. Reinert arbeitete auch mit den gestalterischen Möglichkeiten des Lichts und mit dem Reiz der Kontraste. Ein weiteres Spezifikum seiner Bildkompositionen ist das Fotografieren von einem erhöhten Standpunkt aus.

Frei hat 40 Negative aus mehr als 5000 ausgewählt, mit Motiven aus Lörrach und dem Markgräflerland.

Aus dem Alltag

Es sind meist Alltagssituationen der Menschen, schon eine Art von Straßenfotografie, und das Fotografenauge hat die verschiedensten Gesellschaftsschichten vor die Linse geholt: Bauern, Winzer, Fischer in Istein, eine Markgräflerin in Tracht, Badenixen im alten Badekostüm der 30er Jahre, die sich erwartungsvoll in Positur stellen, Feierabend auf dem Land, eine alte Frau beim Kartoffelschälen, eine Schwarzwälder Familie auf der Walz, einen eleganten Turmspringer, Kanufahrer, Menschen am Weiler Bahnhof, deren Schwarzweiß-Kontraste fast schon eine Filmszene, ja eine Krimiatmosphäre suggerieren. Und das alles noch in Originalnegativen ohne Kratzer und Staubkörner, unretuschiert, und nach dem Einscannen von Rolf Frei mit Photoshop korrigiert – wie einstmals in der Dunkelkammer. Diese Fotoauslese mit ihren lebendigen, lebensnahen Bildwelten und ihren historischen Werten kann man also wirklich bewundern.

Porzellan-Revolutionär

Gleiches gilt auch für die beeindruckende Wirkung der Porzellanobjekte von Arnold Annen. Der als „Porzellan-Revolutionär“ und „Porzellan-Extremist“ bezeichnete Künstler hat in einem Raum im Kellergeschoss eine Installation aufgebaut mit einer extra Beleuchtungstechnik, die seine Zylinder-Objekte und Schalen ins beste Licht setzt. Annen ist ein international gefragter und anerkannter Pionier in seinem Metier dieser fragilen, hauchzarten, lichten und transparenten Porzellanformen mit ihren Rillen und Reliefs, in denen er die Grenzen des Machbaren in diesem zerbrechlichen Material auslotet.

Fragile Porzellanobjekte von Arnold Annen. Foto: Jürgen Scharf/Picasa

In den geometrischen Strukturen und der reduzierten Schlichtheit der Form trifft sich Annen mit Bernd Goering, dessen archaisch wirkende Steine im „Underground“ einen adäquaten Ausstellungsort gefunden haben. Immer wieder bewundert man, wie es der Lörracher Bildhauer schafft, die spröden und empfindlichen Ziegelsteine zu bearbeiten, mit Schnitten, Kanten, Linien, um daraus turmartige Skulpturen zu gestalten. Und immer wieder verführen seine Arbeiten aus Granit und Rheinkiesel zum haptischen Empfinden der mal rauen, mal fein geschliffenen Oberflächen. Diese ausgewählten Stücke aus 20 Jahren sind faszinierende Beispiele für Goerings Arbeit mit Stein, den er aufschneidet, Teile verschiebt und wieder einfügt und zu neuen Gebilden zusammensetzt.

Besucher dürfen rätseln

Schön, dass Objekte von Annen und Goering auf einem Regal im Raum zusammenkommen. Hier trifft die warme braune Rostfarbe des Ziegelsteins auf das reine Weiß des Porzellans, begegnen sich Annens „Siphocampe“ und Goerings „Serpentin“. Der Besucher darf hier schon etwas rätseln, was Annens stachelige und halbkugelige Formen zu bedeuten haben, deren Titel auf Radiolarien, einzellige Lebewesen, hinweisen. Und auch Goerings Formen laden zu Assoziationen ein.

Bis 16. November, Sa, So 14-17 Uhr

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