Kultur Gallig, blitzgescheit, böse und lustig

Die Oberbadische
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Comedy: Ingolf Lück mit neuem Solo-Programm „Sehr erfreut“ in der Müllheimer Martinskirche

Von Dorothee Philipp

Müllheim. Auch wenn er davon träumt, dass ihm mal jemand in der Straßenbahn einen Platz anbietet und dauernd davon anfängt, dass er jetzt 60 geworden ist: Ingolf Lück ist der Duracell-Hase unter den Comedians, unkaputtbar, stets geladen und immer gut drauf.

Bei seinem Auftritt in der Müllheimer Martinskirche am Samstagabend riss er das Publikum von der ersten Sekunde an mit. Lück ist außerdem Showmaster, Schauspieler, Regisseur, Synchronsprecher. Und das seit seinen ersten Auftritten in den frühen 1980er Jahren ohne Unterbrechung. Das kommt seinem neuen Solo-Programm „Sehr erfreut“ zu Gute, eine rasante Revue, in der er der Gesellschaft mit ihrem Gesundheits-, Fitness- und Konsumwahn den Puls fühlt und so ganz nebenbei tiefsinnig Philosophisches einfließen lässt.

Etwa wenn er bei den Erinnerungen an seine vergeigte Fahrradprüfung damals die klassische Sisyphus-Problematik ausmacht. Und natürlich jede Menge Spaß, der sich an kleinsten komischen Situationen entzündet.

Aus kleinem Unfall wird eine spritzige Volte zum Thema Kirche gedreht

Die 60 sieht man ihm nicht an, fit wie ein Turnschuh springt er auf der Bühne herum.

Dabei hat es für Ingolf Lück in Müllheim alles andere als erfreulich angefangen, denn die Sakristeitür der Martinskirche ist für kleine Pfarrer gemacht. Bei seinem Temperament hat er das nicht gesehen und beim Hereinkommen den Kopf angeschlagen. Lück dreht daraus eine spritzige Volte zum Thema Kirchen, die ganz schön hart sein können.

Ab und zu blitzt sein kabarettistischer Zorn auf, wenn es um rechtslastiges Gedankengut geht. Seine gallige Fußnote zu Alice Weidel, der „Obersturmbannführerin der AfD“ und die Parodie auf den lustigen Landwirt Ludger aus Brandenburg, der mit seiner 400-jährigen Mutter in der Nähe einer Thor-Steinar-Manufaktur seinen Hof betreibt, sind erste Sahne.

Das Alter ist für Lück eine Steilvorlage für ein kleines Theaterstück zur „Selbst-Suboptimierung“: Wenn man sich nur recht blöd anstellt, wird man beim nächsten Umzug von Freunden nicht mehr gefragt, ob man ein paar Kistchen tragen kann. Helle Freude hat das Publikum als die Kiste mit der Aufschrift „Küche“, die die Besitzerin eigentlich selber schleppen wollte, auf den Boden fällt und „Masken und Stöpsel“ herauspurzeln.

Zum Kugeln komisch sind Lücks „Verrückte“

Zum Kugeln komisch sind Lücks Überlegungen zum Thema „Verrückte“, die man vor allem in Berlin, aber auch in Köln finden kann. So hat er neulich gesehen, wie ein Mann seinen Rucksack auf offener Straße verprügelte. Und es wäre nicht Ingolf Lück, der in saukomische Szenen nicht auch tiefgründige Lebensfragen verpacken kann.

Vom Amsterdam-Trip bis zum Arztbesuch samt Höllenqualen

Der Trip als alter 50-jähriger Esel mit Gattin nach Amsterdam, um endlich mal einen zu kiffen und der sich dann zum gestandenen Albtraum auswächst, beschert dem Publikum weitere Lachsalven. Die Oma hat man derweil im Glauben gelassen, das Van-Gogh-Museum anschauen zu wollen. Lück der Hypochonder, nein, der Cyber-Chonder, der Höllenqualen aussteht, wenn er zuschauen muss, wie beim Döner-Brater ein dicker Schweißtropfen von der Stirn in Richtung Nase rollt und schließlich in den Döner fällt.

Das Warten beim Arztbesuch inmitten von „Todkranken, Schwachen und Ausgemergelten“ – die Hölle. Und dann Lück als Vater einer 18-jährigen Tochter, die gerade anfängt, Männerbekanntschaften mit nach Hause zu bringen – wie etwa Veith, den „notgeilen Teenager“. Wieder Höllenqualen, die sich am liebsten einen Weg in handfeste Gewalt bahnen wollen.

Und schließlich „Ingolf der Große“, der Gesetze erlassen kann. Eine Falltür durch die alle verschwinden, die mehr als fünf Sekunden vor der Rolltreppe stehen. Das würde schon mal die Zahl der AfD-Wähler reduzieren.

Gallig, blitzgescheit, böse und lustig – Ingolf Lück ist einer, der erfrischend selbstverständlich an den Grenzen der Political Correctness entlang streunt und diese aus gegebenem Anlass auch immer wieder mal überschreitet. Man würde ihm mit seiner Sprachgewalt und seiner Bühnenpräsenz auch die großen Shakespeare-Rollen zutrauen.

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