Kultur Reden und zuhören: Das ist Demokratie

Gabriele Hauger
Alfons mit Puschelmikro Foto: Guido Werner

Interview: Alfons alias Emmanuel Peterfalvi ist Deutschlands liebster Franzose. Er kommt nach Lörrach.

Mit seinen Kult-Interviews mit Puschelmikro geht der 57-Jährige in die Tiefe, spürt charmant, augenzwinkernd, aber auch entlarvend dem Wesen der Menschen nach. Bei seinem Lörracher Auftritt erzählt er die Geschichte, wie er „deutscherer“ wurde: von den zauberhaften, sonnigen Kindheitstagen in Frankreich bis hin zum betörend samtigen Grau deutscher Amtsstuben. „Franzose UND Deutscher zugleich, das ist ein Widerspruch in sich!“, sagt Alfons. Und er weiß auch, warum: „Deutsche sind diszipliniert, pünktlich und effizient – Franzosen sind normal!“ Und dennoch: Der rasende Reporter mit Trainingsjacke und Puschelmikro ist das Wagnis eingegangen – und hat nun ein Programm daraus gemacht. Dabei bietet er auch viel nachdenklich Machendes. Denn der Zustand der Demokratie treibt ihn um. Auch darum bietet Peterfalvi neben seinen klassischen Auftritten Besuche in Schulklassen an, um mit der Jugend ins Gespräch zu kommen. Zu seinem Auftritt mit seinem Programm „Alfons – jetzt noch deutscherer“ am 6. Dezember im Burghof wird er auch Schüler des Hans-Thoma-Gymnasiums besuchen. Wir sprachen mit ihm.

Emmanuel Peterfalvi Foto: Guido Werner

Sie haben die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen. Warum denn das?

Oh, eine lange Geschichte! Das zu erzählen, dauert zweieinhalb Stunden, also das ganze Stück. Ich habe das Stück schon oft gespielt, und es gibt so viel positive Resonanz darauf. Inzwischen ist es gewachsen, es hängt ein Schul- und Demokratieprojekt mit dran. Ich freue mich, damit nach Lörrach zu kommen. Es wird ein Abend, an dem man viel lachen wird, aber nicht nur. Man wird auch viel nachdenken, und es gibt leise Momente. Genau wie das Leben eben ist.

Sie sprachen von den leisen Momenten. Sie erzählen von ihrer jüdischen Großmutter, die Auschwitz überlebt hat.  Ihr Urgroßvater wurde dort ermordet. Haben Sie mit sich gerungen, ob Sie das auf der Bühne thematisieren möchten?

Nein überhaupt nicht. Ich habe gespürt, dass das auf die Bühne muss. Ich habe einen sehr engen Draht zu meinem Publikum. Wenn ich da oben stehe, spule ich nicht meine Gags ab, gehe dann nach Hause und freue mich über mein volles Bankkonto. Natürlich ist es toll, dass ich als Künstler gut leben kann.  Am wichtigsten ist mir aber, eine Verbindung zu meinem Publikum zu schaffen, die zutiefst menschlich ist. Gerade in den verrückten Zeiten, die wir im Moment erleben, fehlt das sehr. Und wenn dieses Gefühl dann da ist, tut es allen sehr gut.

Sie sprechen von verrückten Zeiten.  Braucht es gerade da klare Stellungnahmen?

Ich habe mich natürlich gefragt, ob ich angesichts dieser aktuellen politischen Entwicklungen so ein Programm machen kann. Die Antwort ist: Ich kann es machen –   ich muss es sogar machen. Am Anfang war ich gespannt, ob mein Publikum das genauso sieht.  Und erstaunlicherweise ist es mein erfolgreichstes Programm geworden.  

Der Erfolg der rechten Parteien in Frankreich, in Deutschland: Wie sehr treibt Sie das um?

Sehr. Nicht nur die AfD, sondern die AfD-Isierung der Gehirne ist erschreckend. Als ich neu in Deutschland war, war ich damals sehr beeindruckt von dieser offenen Gesellschaft, die so hilfsbereit war.  Ich dachte: wow! Es ist so viel passiert nach dieser Dritte Reich-Tragödie. Was sich aber jetzt drei Generationen später auftut, ist verstörend. Ich habe ja in Frankreich mit Le Pen gesehen, wie die Rechte immer stärker wurde. Aber ich war mir sicher: Okay, dass passiert in Frankreich, in Europa, überall – aber niemals wieder in Deutschland. Dabei ist es mir aber zu einfach zu sagen: Die AfD ist schuld, oder die sind alle Nazis. Was mich vor allem schockiert, sind die Politiker, die gar nicht in der AfD sind, sich von deren Agieren aber anstecken lassen.

Beispiele?

Ein Merz, der sagt, die Deutschen kriegen keine Zahnarzttermine, weil die Migranten sie ihnen wegschnappen; oder ein Scholz, der sagt, wir werden jetzt in großem Stil abschieben. Wenn wir so pauschalisieren und so populistisch werden, passiert genau das, was die Rechten und auch die Islamisten wollen: dass unsere Grundsätze und Werte, auf die wir so stolz sein sollten, in die Mülltonne geworfen werden – und zwar auch von Demokraten.   Das darf nicht sein. 

Gerade in Deutschland gibt es erschreckende Umfragen zur Demokratie-Einstellung vor allem bei Jugendlichen.  War auch das ein Auslöser für Ihr Projekt, in die Schulen zu gehen?

Genau. Es gab zwei Auslöser: Eine Lehrerin kam nach einer Aufführung zu mir und sagte: ’Meine Schüler müssen das Stück unbedingt sehen.’ Da ich in dieser Stadt nicht mehr auftrat, mietete sie für ihre Klasse einen Bus, um das zu ermöglichen. Das hat mich beeindruckt.  Da überlegte ich mir: Okay, wenn ihr zu mir kommt, komme ich auch zu euch, in die Schule.  Der andere zündende Moment war ein Artikel, in dem stand, dass 40 Prozent der deutschen Jugendlichen sagen: Demokratie ist nicht so wichtig, lass’ das doch mal einen starken Mann probieren.’ Wichtig ist mir bei den Schulbesuchen aber: Ich will die Schüler nicht überzeugen, dass sie damit unrecht haben, sondern ich will sie verstehen.   

Eine Klasse des Lörracher HTG hat sich für das Projekt angemeldet. Wie funktioniert das?

Wer sich im Vorfeld anmeldet, bekommt ein pädagogisches Paket. Themen des Stücks werden vor dem Theaterbesuch im Unterricht durchgenommen. Die Jugendlichen sehen das Stück also sehr gut vorbereitet an.  Dann komme ich zu ihnen in die Schule. Wir reden. Weniger über die Vergangenheit oder das Stück, sondern über heute und morgen, über Demokratie, über Europa.  Es gibt da schon mal ein, zwei, die das alles scheiße finden, die die AfD gut finden und behaupten, dass die überhaupt nicht rechtsextremistisch sind. Dabei eröffnet sich dann stets eine sehr lebendige Diskussion. Ich sorge dafür, dass sich die Schüler gegenseitig zuhören, dass sie die Meinung des anderen verstehen oder, wenn nicht, nachhaken. Am Schluss sage ich ihnen dann: ’So, wir haben viel gesprochen, einige haben ihre Meinung geändert, einige sind dabeigeblieben. Wir haben uns alle zugehört und versucht zu verstehen. Und das alles hat einen Namen: Demokratie!‘

Besser kann man es wohl nicht erklären.

Ja. Das ist übrigens auch genial für mich. Ich mache das ehrenamtlich, aber es bringt auch mir viel: Es erfüllt mich. Hinterher sage ich mir jedes Mal: Das hat sich so was von gelohnt. Wir wollen das Projekt im Übrigen weiterentwickeln und 5000 Schülern pro Jahr ein Demokratie-Stipendium vermitteln. Dafür gründe ich eine Stiftung.  Diese nenne ich nach meiner Großmutter: Grandmère-Stiftung.

Hat ihre Großmutter mit Ihnen über ihr Leben gesprochen?

Ja. Und sie ging im Übrigen auch in die Schulen, um über ihre schrecklichen Erfahrungen in Auschwitz zu erzählen. Vielleicht habe ich das von ihr.

Sie gehen direkt zu den Menschen. Reden mit ihnen und nicht über sie.  Ist Ihnen das in die Wiege gelegt?  Manchmal müssen Sie sich ja auch erschütternde Statements anhören.

Ich suche den Kontakt. Und ja, wir alle haben hässliche Seiten. Viele wollen das nicht wahrhaben und es verstecken. Ich finde es gesünder, dazu zu stehen. Warum ich so direkt bin? Eine richtige Erklärung habe ich nicht. Das ist intuitiv. Aber Sie haben recht: Ich gehe ohne Scheu mit dem Puschelmikrofon zu den Menschen auf der Straße und jetzt eben auch zu den Schülern.

Sie wären sicher auch ein guter Lehrer geworden?

Ich denke, ich bin ein guter Ab- und-zu-Lehrer. Immer früh aufstehen müssen, ist blöd. 

„Alfons – jetzt noch deutscherer“, Freitag, 6. Dezember, 20 Uhr, Burghof Lörrach

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