Kultur Sternstunde der Orgelmusik

Jürgen Scharf
Prominenter Gastorganist: Daniel Roth Foto: Jürgen Scharf

So viele Zuhörer wie nie bei einem Orgelkonzert: Das Rezital des berühmten elsässischen Orgelvirtuosen Daniel Roth war überwältigend.

Wie hat es der Lörracher Kantor Andreas Mölder überhaupt geschafft, diese Berühmtheit unter den lebenden Organisten zu einem Orgelkonzert zu holen? Ganz einfach, er hat ihm eine E-Mail geschrieben, das war alles.

Seit kurzem ist Daniel Roth „Titulaire Emérite“ (emeritierter Titularorganist) an der Kirche St. Sulpice in Paris, wo er nur noch einmal im Monat an einem Sonn- oder Festtag spielt. Vielleicht hat der berühmte Orgelvirtuose deshalb Zeit gehabt. Mit ihm saß ein Sachwalter der französischen Tradition an der Jann-Orgel, die auch französisch disponiert ist. Für den außergewöhnlichen Gastorganisten war es „eine große Freude, an dieser schönen Orgel“ sein Programm vorzubereiten.

Ein überragender Interpret

Roth ist ein überragender Interpret der bewegenden französischen Orgelromantik und er führte vor, wie man diese Musik spielen muss. Als Meister der Registrierkunst machte er aus dem Lörracher Instrument eine kleine Cavaillé-Coll-Orgel, wie er sie an seiner Wirkungsstätte in Paris vorfindet. Es war faszinierend zu hören, dass die Orgel in St. Bonifatius den Ansprüchen dieser französischen Musik nichts schuldig blieb, ja, orchestrales Profil entwickelte.

Sein klug zusammengestelltes Recital begann Roth mit drei Stücken von Camille Saint-Saens, die er selber aus den „Sechs Duos für Klavier und Harmonium“ für das Kircheninstrument transkribiert hat. Schon hier fiel auf, wie unerhört subtil Roth mit der Dynamik umgeht, wie er die Farben des Instruments glänzend nutzt, perfekt untereinander abstimmt, so dass die Orgel allein schon für diese Musik prädestiniert scheint. Saint-Saens Fantasie Nr. 2 registriert der Organist so geheimnisvoll, dass es wie ein mystisches Raunen anmutet. Im lebhaften fis-Moll-Scherzo geht er mit enormer Vehemenz ans Werk.

Maßstäbe gesetzt

Überhaupt spannt der prominente Gast einen kontrastreichen Bogen und eine gekonnte Steigerungsdramaturgie von der Verspieltheit in Mittelsätzen bis hin zu finaler Größe. So baut Roth eine Spannungspolarität zwischen den innigen und langsamen Sätzen und den stürmischen Stücken auf.

Auf seine eigene Transkription des langsamen Satzes aus der d-Moll-Sinfonie von César Franck in stimmiger Tempogestaltung folgt ein mächtiger Allegro vicace-Kopfsatz aus der fünften Orgelsinfonie von Charles-Marie Widor, der in das elegante Adagio aus der dritten Sinfonie von Louis Vierne übergeht – genial konzipiert.

Allein schon dieser Aufbau der Traditionslinie Franck-Widor-Vierne war schlüssig, das Spiel wie aus einem sinfonischen Guss. Mit welch einer Ruhe kostet Roth die langen Fermaten an den Werkschlüssen (etwa bei Vierne) aus, und mit welcher Grandiosität gestaltet er den Widor, dessen Nachfolger er in St. Sulpice war. Diese Interpretationen setzten Maßstäbe.

Das alles, bis hin zum ebenmäßigen Einsatz des Schwellwerks und der präzisen Pedalarbeit, hatte enorme Ausstrahlung und zeigte, dass der aus Mulhouse stammende Grandseigneur der Orgel noch im Alter über eine unglaubliche souveräne spieltechnische Übersicht und Kondition verfügt. Kein Wunder, dass unter den weit über 200 Zuhörern auch Organisten und Kirchenmusiker aus der Region sich dieses Konzertereignis nicht entgehen ließen.

Mit dem Schlusschoral in der Ouvertüre aus Mendelssohns „Paulus“ setzte Roth einen Glanzpunkt und der Lörracher Orgel ein Denkmal. Um dann in der Zugabe, einer bombastischen Improvisation als finale Krönung, noch eins drauf zu setzen. Hier hätte man seine Beinarbeit per Videoleinwand in den Kirchenraum übertragen sollen, denn diese Beweglichkeit der Füße musste man gesehen haben! So bleibt Roths Gastspiel als eine Lehr- und Sternstunde der französischen Orgelmusik in Erinnerung.

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