Kultur Von Fremdheit, Enttäuschung und Hoffnung

Die Oberbadische
Markus Ramseier hat seinen neuen Roman in Riehen vorgestellt. Foto: Jürgen Scharf Foto: Die Oberbadische

Literatur: Markus Ramseiers neuer Roman „In einer unmöblierten Nacht“

Von Jürgen Scharf

Riehen. In seinem neuen Roman „In einer unmöblierten Nacht“ erzählt der in Pratteln lebende Autor Markus Ramseier von einem ungleichen Paar: Die junge ukrainische Übersetzerin Yana lernt im Moskauer Puschkin-Museum den fanatischen Schweizer Kunstsammler und Unternehmer Victor kennen.

Mit Nachnamen heißt er Muff, ist 40, Geschäftsmann, reich, hyperaktiv und weltgewandt. Yana, ist arm, hübsch, gefühlsbetont, gehemmt und fremdelt in der Schweiz, wo sie der Liebe wegen hinzieht. Yana liebt Schokolade, vielleicht ein süßer Trost, und sie sehnt sich nach Liebe. Es ist die Geschichte einer mutigen jungen Frau, und Ramseier erzählt sie aus ihrer Perspektive. Eine Geschichte von Fremdheit, Enttäuschung und Hoffnung.

Dabei ist Yana doch integrationswillig; aber je weiter der Roman fortschreitet, desto weniger klappt es mit dem Familienglück. Da denkt man an das russische Sprichwort, das Ramseier als Motto über seinen Roman stellt: „Es gäbe kein Glück, hätte das Unglück nicht geholfen“.

Bei der Buchpräsentation in der Riehener Literaturinitiative Arena – der Roman ist gerade erst vor zehn Tagen auf dem Buchmarkt erschienen – scheint es, als würde sich Ramseier mit seiner Heldin solidarisieren. Diese wird nicht glücklich in der Villa, die Victor von seiner Mutter geerbt hat, einem „vermöbelten Haus“, das für Yana zum Albtraum wird.

Ramseier zeigt sprachlich sehr fein und stringent in der Handlung, dass Yana innere Kräfte entwickelt, vor allem, als sie den Förster Gian kennenlernt. Da wird sie zum Objekt der Begierde von beiden Seiten. Die Männer: Victor, ein Muss-Mensch, Gian ein Darf-Mensch. Diese schöne, kurze Formel legt Ramseier Yana in den Mund.

Zwei Menschen, die ungleicher nicht sein könnten, stehen sich gegenüber: hier der reiche Macher und Mäzen, dort die kleine Dolmetscherin mit den blauen Augen, die seinem Charme erliegt. Tut sich da ein Idyll auf, eine simple Liebesgeschichte? Ramseier lässt sich viel Zeit für dieses Idyll. Die beiden heiraten, Yana macht das Spiel lange mit, doch dann kommt die Szene „Ladies Dinner“, der Rotarier-Apéro, und man spürt den Widerstand dieser Frau, die wegen ihres Lächelns als geheimnisvoll und unfassbar gilt. Erste Risse tun sich auf.

Für Ramseier, so sagt er im Gespräch mehrfach, ist dieser Victor ein Hochstapler, also eine komplexe Figur. Es geht aber bei dieser Liebesgeschichte im Osten auch um Auswanderung und Rückwanderung. Und gegen Ende merkt man, dass der Held immer dunkler, ja rabenschwarz gezeichnet wird und Yana als Lichtfigur erscheint. Ein Streit der beiden wird zum absoluten Tiefpunkt ihrer Beziehung.

Und jetzt kommt der Roman an die Stelle, wo sich der ungewöhnliche Titel erklärt, denn dieser Satz von der „unmöblierten Nacht“ wird zum Wendepunkt in der Geschichte, die wieder einmal zeigt, wie großartig dieser Schweizer Schriftsteller schreibt, welche interessanten Ideen und gesellschaftlich relevanten Themen er in seinen Romanen verarbeitet. Versüßt wird der Lesegenuss durch die Auflage einer Tafel „Waldschokolade“, die auch auf dem Büchertisch lag, im Aroma charaktervoll, leicht erdig: Die Schokolade zum Roman.

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