Doch im Gegensatz zu den anderen typischen College-Geschichten mit halb-dramatischen Beziehungsstreitigkeiten webt Ellis eine düstere und verstörende Erzählung in die sonst eher heile Welt der Eliteschüler hinein. Sie müssen sich mit dem schillernden, aber zugleich irgendwie bedrohlichen Los Angeles mit seinen eitlen Figuren, die alle ihre Schattenseiten haben, auseinandersetzen. Einer der Väter der Jugendlichen ist ein gut vernetzter und selbstgerechter Hollywood-Produzent, der aber insgeheim sexuelle Begierden zu viel zu jungen Schülern verspürt. Und dann gibt es noch den "Trawler", ein grausamer Serienmörder, der in der Stadt sein Unwesen treibt.
Verstörende Schilderungen
Ellis ist ein begnadeter Erzähler. Er platziert immer wieder geschickt Cliffhanger, um die Spannung hochzuhalten. Für ihn ist das aber auch einfach, weil der Erzähler der älter gewordene Bret ist, der als allwissender Beobachter den Ausgang der Story kennt. Ellis stattet auch belanglose Situationen mit packenden Dialogen und unerwarteten Wendungen aus. Der Detailreichtum des Werks ist enorm.
Hier liegen aber die Schwächen, denn einige Äußerungen sind nur schwer erträglich. Grausame Schilderungen von Tatorten, vulgäre Fantasien des Protagonisten: Das Buch ist stellenweise nichts für zartbesaitete Leser. Andererseits schreibt der Autor nicht für eine empfindsame Zielgruppe. Ellis wurde bereits in "American Psycho" für barbarische Details kritisiert. "Mag sein, dass ich Leser verstöre, aber ich tue es nicht vorsätzlich", sagte er in einem Interview der "Süddeutschen Zeitung". Die Rezeption der Leser scheint Ellis nicht wichtig zu sein. "Ich denke überhaupt nicht über den Leser nach", sagte er im Interview von "Zeit Online" und schob hinterher: "Der Leser hat nichts mit der Erschaffung eines Buchs zu tun, sorry!"
Bret Easton Ellis, The Shards, Kiepenheuer&Witsch, Köln, 736 Seiten, 28 Euro, ISBN 978-3-462-31151-8