Lörrach Abschied unter Tränen

Kristoff Meller

Lörrach - Viel zu lachen, aber auch ein paar Tränen gab es bei der Rotssuppe der Narrenzunft am Montag im „Lasser“. Der Drochehüüler-Orden ging an den Bundestagsabgeordneten Armin Schuster, der für seine Rede stehende Ovationen erhielt. Die bekam auch Zunftmeister Hansi Gempp, der sich nach 40 Jahren verabschiedete. „Hüt isch de Dag, wo de Hansi goht“, mit diesem Satz versetzte Oberzunftmeister Andreas Glattacker das ansonsten gut gelaunte und prächtig unterhaltene Publikum im Lasser-Saal in Schockstarre. Gempp wolle „kein großes Brimborium“, darum mache er es „kurz aber nicht schmerzlos“, erklärte Glattacker, der sich anschließend einige Tränen verdrücken musste – ebenso wie Gempp bei den stehenden Ovationen. Er sei für die Narrenzunft „ä unermessliche Schatz“, sagte Glattacker, der zumindest hinter der Bühne Teil der Zunft bleiben soll: Es werde gewiss auch in Zukunft „einiges an Hansi“ im Programm stecken.

Doch bevor dieser das Rampenlicht verließ, gab er noch einmal eine Liebeserklärung an sein „Duemringe“ zum Besten: So sei die Tempobegrenzung in der Ortsdurchfahrt auf 30 km/h völlig unnötig: „Die Lüt wänn jo die Fahrt genieße“, deshalb fahre ohnehin niemand schneller. Schon Napoleon habe zudem im Dorf „Grumbiere g’chauft“ und auch Wilhelm Tell haben seinen weltberühmten Apfel im Dorf am Fuße der Lucke erstanden. Nur die Mehrwertsteuer wurde ihm bis heute nicht erstattet.

„Pfälzisch-persischer Beschützer“ doch nicht zum Verfassungsschutz

Zuvor wurde dem CDU-Bundestagsabgeordneten Armin Schuster der Drochehüüler-Orden, die goldene Himbeere von Lörrach, verliehen. Der „pfälzisch-persische Beschützer“ sei prädestiniert für das Amt des Verfassungsschutz-Präsidenten gewesen, „aber nicht jede Beförderung führt nach oben“, stellte Peter Quercher, stellvertretender Vorsitzender der Narrenzunft, in seiner Laudatio fest. Gleichwohl sei es löblich, dass sich Schuster für ein europäisches FBI („Fasnachts-Brauchtums-Interessenpflegeverein“) eingesetzt habe.

Der Preisträger bedankte sich für die „faszinierende Insigne“, wenngleich sie aufgrund ihrer Regenbogenfarben „viel besser zu Jens Spahn“ passe. Zudem wünschte er sich die Zundelgirls als Begleitschutz und kritisierte die schwachen Lateinkenntnisse der Zunftmeister, die sich auf „in vino veritas“ beschränke.

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Tatsächlich könne die Lörracher Fasnacht und insbesondere die Zunft froh sein, dass Gudrun Heute-Bluhm ihm den Weg zum Verfassungsschutz mit einer Äußerung gegenüber Angela Merkel versperrt habe, sonst hätte „die heutige Veranstaltung nie stattgefunden“, warnte Schuster, der „terroristische Züge“ innerhalb der Zunft („die essen Schnecken“) – entdeckt haben will. Außerdem wäre sonst so manches Lörracher Geheimnis gelüftet worden. Beispielsweise der Verdacht, dass beim Losentscheid der jüngste Bürgermeisterwahl auf beiden Zetteln der gleiche Name gestanden habe, und auch das „interfraktionelle Schorlezimmer“ im Rathaus hätte er auffliegen lassen.

Für gute Unterhaltungen sorgten auch die übrigen Zunftmeister mit ihren Reden. Über seine schwere Kindheit mit zu kurz geratenen Telefonleitungen sowie Spielplätzen ohne TÜV-Prüfung referierte Thomas Wagner: „Mir hänn uns nitemol ä Laktoseintoleranz leischte chönne.“ Ohne roten Faden kam Karl-Heinz Sterzel aus und brachte in seiner Rede, fast alle, vom Papst, über Ottmar Hitzfeld bis zu „Wolf – gang“ Schäuble und badischen Schafszüchtern, unter.

Klaus Ciprian-Beha befasste sich mit dem Klimaschutz und Bio-Supermärkten, Andreas Kuck mit dem russischen Sturmgewehr „AKK“ und dem 100-jährigen Jubiläum des Frauenwahlrechts.

Letzteres kann Felix Drechsler, der als Gastredner aus Basel sprach, noch lange nicht feiern. Denn in der Schweiz dürfen Frauen erst seit 1971 wählen, wie er feststellte. Dafür brachte er die Nachricht über den Jobwechsel von Michael Wilke (siehe Meldung) aus Basel mit und berichtete über passende Anekdoten aus den Kursen für Schweizer Staatskunde.

In den Kreis der Zunftmeister aufgenommen wurden unterdessen Fabian Weis, Thomas Wagner und Andreas Kuck. Von ihrem Amt als Protektorin verabschieden – zumindest bei der Zunft – musste sich hingegen Bürgermeisterin Monika Neuhöfer-Avdic. Die „Rheinische Frohnatur“ (Glattacker) schwärmte von „unvergesslichen Momenten und Begegnungen“ in „einer tollen Stadt“. Acht Heiratsanträge im Laufe der Fasnachtskampagne für eine Protektorin dürften auch wirklich einen neuen Rekord darstellen.

Selbsthilfegruppe „Der lange Egon darf nicht sterben“

Zum Abschied begeisterte sie mit ihrer Version von „mer losse es Rathaus in Lörrach“ in Anlehnung an ihren dringend sanierungsbedürftigen Arbeitsplatz. Diese Steilvorlage nutzte anschließend Oberbürgermeister Jörg Lutz in seiner Rede und gründete prompt die Selbsthilfegruppe „Der lange Egon darf nicht sterben“. Denn – frei nach Pfarrer Thorsten Becker – sei „auch ein Rathaus nur ein Mensch“, beklagte Lutz das Mobbing gegen das „anerkannten Mitglied der Stadtgesellschaft“.

Das „Stadtrats-Chörli“ befasste sich in seiner Zugabe nach Nummern zum Parken, dem Umzug des Postamt und dem Haarlängenwettstreit zwischen Klaus Dullisch und Gerd Haasis ebenfalls mit der Rathaussanierung. Doch auch der Kanon, bei dem alle Anwesenden entweder die Strophe für den Abriss oder für den Erhalt singen konnten, erbrachte keine eindeutige Mehrheit.

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