Lörrach Ärzte fordern mehr Kapazitäten für Kinder

Bernhard Konrad

Gesundheit: Niedergelassene Kinderärztinnen in Sorge wegen geplanter Bettenreduzierung in künftiger Kinderklinik.

Lörrach - Ihre massiven Sorgen über die geplante Bettenreduzierung in der Kinderklinik des neuen Zentralklinikums haben niedergelassene Ärzte bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht – bislang ohne Erfolg. Aus Anlass der Corona-Pandemie appellieren die Kinderärztinnen Angelika Henzler-Le Boulanger und Bettina Volkmer nun abermals eindringlich an die Politik, Möglichkeiten der Nachjustierung zu prüfen.

Die Kapazitätsreduzierung

Die vorgesehene Kapazitätsreduzierung ist signifikant.  Das St. Elisabethenkrankenhaus verfügte über drei Stationen mit insgesamt 69 Betten, darunter 23 auf der Intensiv-Station. Im neuen Zentralklinikum sind nur noch 53 Betten vorgesehen, der Umfang der Intensiv-Betten bleibt unverändert (wir berichteten). Dabei will die Klinik dem Vernehmen nach künftig verstärkt auf interdisziplinäre Strukturen setzen – unter anderem, um bei der Sicherstellung der Patientenversorgung auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigen zu können.

Die neuen Strukturen
Indes haben schon im Februar solche Umstrukturierungen am „Eli“ stattgefunden. Dort wurde die ehemalige „Bärenstation“ in eine „interdisziplinäre Struktur“ überführt, wo Kinder gemeinsam mit erwachsenen Patienten auf der ursprünglichen Belegstation der Urologen und HNO-Ärzte untergebracht sind. Die Kreiskliniken berichteten von guten Erfahrungen: Die Sorge vor quantitativen und qualitativen Einschränkungen sei unbegründet: Mittelfristig gehe mit diesem Wandel sogar eine Erweiterung des Versorgungsangebotes für Kinder und Jugendliche mit psychosomatischen Erkrankungen einher. Dagegen sahen sich die niedergelassenen Ärzte in ihren Befürchtungen um den Abbau von Kapazitäten bestätigt.

Die Engpässe
Besonders in der von weitaus mehr Infekten geprägten kalten Jahreszeit könne diese Entwicklung die Situation noch verschärfen, sobald die Anzahl der kleinen Patienten im Kinderkrankenhaus deutlich zunimmt. Schon jetzt bestünden Engpässe in der Infektsaison. Bereits im August vergangenen Jahres hatte der damalige Chefarzt der Pädiatrie am St. Elisabethenkrankenhaus, Hubert Fahnenstich, im Interview mit unserer Zeitung mit Blick auf die Berechnung notwendiger Bettenkapazitäten von einer Datengrundlage gesprochen, die „sehr theoretisch“ sei, denn die Auslastung einer Kinderklinik sei immer mit erheblichen Schwankungen verbunden.

Kinderärzte unter Druck
Mitunter mussten Kinder im Winterhalbjahr vom „Eli“ abgewiesen werden. Indes sei das Verweisen eines Kindes in andere Krankenhäuser – etwa nach Freiburg – sowohl für das Kind als auch für die Familie eine Belastung, sagt Bettina Volkmer. Zudem würde die geplante Reduzierung der Betten im neuen Zentralklinikum den Druck auf die ambulante Versorgung und damit auf die niedergelassenen Ärzte erhöhen. Volkmer: „Wir sind in den Praxen schon jetzt gut ausgelastet. Es würden dann sicher etliche kranke Kinder noch häufiger in die Praxis kommen.“ Angelika Henzler-Le Boulanger bekräftigt: „Das Gesundheitssystem muss so aufgestellt sein, dass es auch unter Belastung funktioniert.“

Die Pflegesituation
Beide kritisieren darüber hinaus, dass Kinder der ehemaligen „Bärenstation“ in der neuen Struktur zwar von Kinderärzten behandelt, mitunter aber von Pflegepersonal ohne spezielle Fachausbildung für diese Aufgabe versorgt würden – auch wenn es sich um ältere Kinder oder weniger schwere Fälle handle. Zwar erläuterten die Kreis-Kliniken im Februar: „Auf der Belegstation wurden immer auch schon Kinder gepflegt, und es stehen hoch qualifizierte Mitarbeiter für die Versorgung zur Verfügung. Der Bereich sei außerdem „direkt neben der neuen Bärenstation verortet“.

Gleichwohl betont Henzler-Le Boulanger: „Wir können nicht billigend in Kauf nehmen, dass das Rad immer weiter in diese Richtung gedreht wird.“ Die Tendenz zur „Vereinheitlichung der Ausbildung“ beobachtet auch Volkmer mit Skepsis: Es stünden immer weniger Kinderkrankenschwestern zur Verfügung, weil mittlerweile ausschließlich Krankheits- und Gesundheitspfleger mit Schwerpunktbildung im dritten Jahr für die Geriatrie oder die Kinderheilkunde ausgebildet würden.

Die Corona-Pandemie
Wie rasch Klinikkapazitäten benötigt werden könnten, zeige auch die gegenwärtige Corona-Pandemie. Kinder seien durch Covid 19 zwar vergleichsweise wenig gefährdet, doch könnten sie bei anderen Pandemien weitaus gravierender vom Infektionsgeschehen betroffen sein. Solche Überlegungen müssten stärker in die Planungen eingebunden werden, fordert Henzler-Le Boulanger.

Die Tagesklinik
Sollte die Zahl der geplanten Betten im neuen Zentralklinikum tatsächlich nicht erhöht werden, könnte die Stärkung ambulanter Strukturen dies immerhin etwas abfedern, so Volkmer und Henzler-Le Boulanger: etwa mit der Installation einer Tagesklinik, die auch Fahnenstich – er befindet sich mittlerweile im Ruhestand – entschieden unterstützte: „Diese deutliche Reduktion der Betten macht neue Lösungen notwendig. [...] Wir können manches in den ambulanten Bereich verlegen, aber wir brauchen dafür gute Bedingungen, etwa eine Tagesklinik. Dann kann es funktionieren“, sagte der Chefarzt im Interview.

„Kinder müssen nicht zwingend immer über Nacht im Krankenhaus bleiben. Solch ein tagesklinischer Rahmen wäre zum einen vergleichsweise günstig, und zum anderen könnte damit die Reduktion der Betten zumindest ein wenig aufgefangen werden“, bestätigt Volkmer. Indes haben beide Kinderärztinnen Bedenken, dass die Krankenkassen dieses Modell unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten mittragen werden.

Henzler-Le Boulanger hob auch mit Blick auf den Fachkräftemangel die Vorzüge einer Tagesklinik hervor. Die Arbeitszeiten in solch ambulanten Einrichtungen würden auch vom Fachpersonal als attraktiv wahrgenommen.

Die Hoffnung
„Eine Kinderklinik kostet immer mehr Geld, als sie einspielt. Deshalb soll sie tendenziell eher klein gehalten werden“, sagt Volkmer. Letztlich, so betonen die Kinderärztinnen unisono, sollte die Klinikentwicklung im Landkreis Lörrach aber so gestaltet werden, dass die Qualität der medizinischen Versorgung für Kinder die Leitlinie künftiger Strukturen bildet und Vorrang vor Wirtschaftlichkeitserwägungen hat.

Beide hoffen nun sowohl mit Blick auf die Klinikleitung als auch auf die Politik darauf, dass für die von ihnen aufgeworfenen Fragestellungen das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Noch könnten, so ihre Hoffnung, Nachbesserungen aufgegleist werden.

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