Lörrach Andenken und Nachschlagewerk

Kristoff Meller

Ein Ehepaar hat ein Gedenkbuch für die 541 Lörracher Opfer des Ersten Weltkrieges auf dem Dachboden gefunden. 

Vor 100 Jahren endete der Erste Weltkrieg. Unter den rund 20 Millionen Opfern waren auch 541 Lörracher. Um diesen ein Andenken zu bewahren, sammelte die Stadt Informationen zu den Gefallenen und veröffentlichte diese in Buchform – ein wichtiges Dokument für Hinterbliebene und die lokale Forschung. Indes war es ein langer und teurer Weg bis zur Realisierung.

 

Lörrach. Ein silberner Stahlhelm mit Lorbeerkranz auf olivgrünem Grund ziert das Deckblatt. Mehr nicht. Eingewickelt war das „den gefallenen Mitbürgern“ gewidmete Gedenkbuch der Stadt zudem noch in einem vergilbten Papier, als es Rosemarie und Walter Büche gefunden haben. Das Ehepaar hat es unwissend mit ihrem Haus in Brombach erworben: „Auf der Bühne hat der Vorbesitzer einige Dinge zurückgelassen“, erzählt Rosemarie Büche im Gespräch mit unserer Zeitung. „Wir wollten das kostbare Buch nicht vergammeln lassen, sondern der Öffentlichkeit zugänglich machen.“

 

Fund mit vermeintlichem Seltenheitswert

 

Doch der Fund mit vermeintlichem Seltenheitswert entpuppt sich nach kurzer Recherche schnell als Massenware: „Wir haben 40 oder sogar 50 Stück im Bestand“, erklärt Stadtarchivar Andreas Lauble. Auch in der Sammlung des Dreiländermuseums lagern laut Sammlungskuratorin Ulrike Konrad schon „etliche Exemplare“. Kein Wunder, schließlich hat die Verwaltung unter dem damaligen Bürgermeister Erwin Gugelmeier das Buch mit einer Auflage von 1200 Stück selbst herausgegeben.

 

Vierseitiger Fragebogen für die Angehörigen

 

„Die Stadt hat einen Aufruf gestartet, um möglichst viele Informationen zu den Gefallenen zu erhalten“, erklärt Lauble. Der vierseitige Bogen mit Fragen zur Familiengeschichte, Einsatzgebieten, Auszeichnungen und Sterbeort wurde von den Angehörigen gewissenhaft ausgefüllt und meist zusammen mit einem Foto zurückgeschickt. Aus diesem Grund sei die Quellenlage und das Fotomaterial zum Thema außergewöhnlich gut.
 

Das Gedenkbuch ist für den Archivar und seine Mitarbeiter „ein wichtiges Nachschlagewerk und fast tägliches Arbeitsmittel“, wenn es beispielsweise um Nachforschungen zu Familiengeschichten geht. Sie profitieren dabei bis heute von der Hartnäckigkeit der damaligen Stadtverwaltung und des Gemeinderats. Denn Aufrufe für solche Gedenkbücher gab es laut Lauble nach dem Krieg in fast allen Städten, meist blieb es jedoch dabei. „Diese Informationen in Form eines Buches zu haben, ist schon etwas besonderes“, sagt Lauble.

 

Während über manche Gefallenen nur wenige Sätze überliefert sind, füllen andere ganze Seiten mit Details über Einsatzorte, Gefechte oder Verwundungen, die aus Akten, Tagebucheinträgen oder Briefen stammen. Der Seminaroberlehrer Artur Tritschler, Leutnant und Kompanieführer, zum Beispiel wird auf nahezu fünf Seiten porträtiert, während an den Großteil seiner gefallenen Kameraden mit wenigen Zeilen erinnert wird.

 

Das liegt auch daran, dass ausführliche Briefe an seine Eltern als Quellen vorhanden waren: „Auf dem belgischen Kriegsschauplatz geht es ganz übel zu... Täglich finden Häuser- und Straßenkämpfe statt. Jede Brücke und jeder Bauernhof ist besetzt und fordert Verluste...“ schrieb er am 14. Oktober 1914 seinen Eltern. Er fiel letztlich am 17. September 1916 in Galizien.

 

Akte mit umfassendem Schriftverkehr im Stadtarchiv

 

Bereits ein knappes Jahr zuvor, im Oktober 1915, erhielt das Bürgermeisteramt eine erste Anfrage eines Redakteurs aus Stuttgart, der für die Lerchenstadt ein „Gedenkblatt gefallener Söhne“ herausgeben wollte. Daraus wurde nichts, stattdessen nahm sich die Stadtverwaltung nach Ende des Krieges selbst dem Thema an.

 

Der Weg zum fertigen Werk war jedoch lang, wie die Recherche in einer Akte im Stadtarchiv mit umfassendem Schriftverkehr zwischen Stadtverwaltung und mehreren Verlagen zeigt. Zwar wurden zunächst mehrere hiesige Lehrer mit dem Sammeln und Bearbeiten der Daten beauftragt, dann geriet das Projekt jedoch ins Stocken: „Bei den gegenwärtigen Preisen für Papier und Ausrüstungen haben wir die Herausgabe des Buches einstweilen verschoben“, teilte das Bürgermeisteramt im August 1919 mit.

 

Hohe Papierkosten bremsen Druck

 

Erst 1921 wurde das Projekt wieder aufgegriffen, weil die Stadt Pforzheim ein vergleichbares Buch herausgegeben hatte. Den Hinweis darauf hatte der Lörracher Handelsschulvorstand Schlegel gegeben, der gemeinsam mit seinen Kollegen Bötsch und Knecht entscheidend am Projekt mitwirkte. In einem Schreiben der Stadt an Schlegel vom Juni 1921 heißt es: „Die Herausgabe des Buches hat sich deshalb verzögert, weil im vergangenen Jahr gutes Papier kaum noch zu haben war.“ Inzwischen sei das Papier wieder besser, „aber die Kosten dafür außerordentlich gestiegen“. Deshalb müssten zunächst Mittel beim Bürgerausschuss angefordert werden.

 

Im Februar 1922 wurden schließlich Angebote für den Druck bei drei Verlagen eingeholt. Die Graphische Kunstanstalt F. Bruckmann in München erhielt letztlich den Zuschlag zur Anfertigung von 1200 Exemplaren. Aus der Akte geht hervor, dass 600 Bücher für die Angehörigen bestimmt waren. Ihnen sollte es „als Ehregabe auf Weihnachten möglichst kostenlos oder zu einem ermäßigten Preis überreicht werden“, schrieb das Bürgermeisteramt.

 

Um die Kosten für die Stadt zu mildern, wurden aber auch einige hundert Exemplare in den Verkauf gebracht. Einige Bücher sollten laut eines Beschlusses des Gemeinderats zudem an Basler Bürger gehen, „die während den schweren Zeiten der letzten Jahre unserer Stadt in hilfreicher Weise zur Seite gestanden sind.“

Ein Exemplar für 15 000 Mark

 

Aufgrund von nicht näher genannten Verzögerungen erfolgte die Bücherlieferung jedoch nicht rechtzeitig zu Weihnachten und die Kosten stiegen weiter. Letztlich kostete ein Exemplar 15 000 Mark. Der Nettopreis eines Buches betrug zwar eigentlich nur 15 Mark und der Ladenpreis 25 Mark, wie es die Druckerei in einem Schreiben aufführt, aufgrund des 600-fachen Aufschlags durch die Hyperinflation im Jahr 1922 entstanden diese hohen Summen.

 

Anfang Januar 1923 trafen die Kisten dann endlich in Lörrach ein, wie aus einem archivierten Antwortschreiben des Bürgermeisteramts hervorgeht: „Das Buch ist zu unserer vollen Zufriedenheit ausgefallen.“

 

 

Fünf von 541 im Ersten Weltkrieg gefallenen Lörrachern – von A wie Agster bis Z wie Zöbelin

Hermann Agster

„Gebürtig aus Niederdossenbach und seit 1911 in Lörrach wohnhaft, wurde er zum Infanterie-Regiment Nr. 142 eingezogen. Am 1. März 1915 kam er ins Feld, aber schon am 4. März erhielt er schwere Verwundungen, denen er am 7. März im Kriegslazarett zu Lens erlag. Dort ist er auch beerdigt.“

 

Friedrich Beuschel

„Nach Kriegsausbruch kämpfte er bei Mülhausen, Saarburg und später bei La Bassée. In dem Gefecht bei Loos wurde er am 9. Januar 1915 durch Sprengstücke einer Granate sehr schwer verletzt und erlag bald darauf seinen Verletzungen im Lazarett. Auf dem Friedhof zu Pont á Bendin wurde er beerdigt.“

 

August Hupfer

„Mitte November 1915 kam er ins Feld und war an den Kämpfen an der Aisne, bei Reims und an der Somme beteiligt. Hierauf wurde er auf dem östlichen Kriegsschauplatz eingesetzt, am 18. September 1916 fiel er bei einem Sturmangriff durch Gewehrschuß in den Kopf. Die Grabstätte befindet sich bei Lipica-Dolna.“

 

Karl Ludwig Schöpflin

„Drucker, wurde am 12. Februar 1915 zur Ausbildung zum Infanterie-Regiment Nr. 113 einberufen und kam im Mai 1916 in die Karpathen. Sein letzter Brief ist vom 5. Juni 1915. Seit jener Zeit, nach der Einnahme von Strychnin, ist er vermißt. Bis jetzt war es nicht möglich, Näheres über sein Schicksal zu erfahren.“

 

Karl Zöbelin

„Der Sohn des Hafnermeisters Jakob Friedrich Zöbelin aus Stetten, trat bei Mobilmachung als Kriegsfreiwilliger dem Heer bei. Fünf Monate überstand er glücklich die Kämpfe in Nordfrankreich, da bekam er am 13. März 1915 bei La Bassée einen Bauchschuss, der seinem jungen Leben ein Ende setzte.“

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