Lörrach August Bebel machte im Wirtshaus Politik

rr
Der Brunnen stand bereits vor dem Gasthaus „Hirschen“ und wird noch heute als Hirschen-Brunnen bezeichnet. Gerhard Sturm ordnete ihn in seinem Wirtshausrundgang ein.    Foto: Rolf Reißmann

Geschichte: Teilnehmer erfahren bei Stadtführung viel über die Geschichte der Lörracher Gaststätten

Lörrach - Eigentlich ist es fast undenkbar, eine Wirtshauswanderung durch die Stadt zu unternehmen, ohne einzukehren. Doch die alten Gaststätten, von denen hier die Rede ist, gibt es gar nicht mehr. Außerdem waren die aktuellen Wirtshäuser bei den hohen Temperaturen am Samstagnachmittag nahezu vollständig belegt.

Elf Interessierte kamen zur Stadtführung, die Gerhard Sturm gestaltete. Der heutige Stadtführer arbeitete früher bei der Verwaltung und kennt Lörrach nahezu in all seinen Facetten.

Als Startpunkt war die Tourist-Information ausgewählt, womit wir bereits mitten im Thema sind. Denn das Haus „Sonne“ an der Ecke Untere Wallbrunnstraße und Alter Markt war früher selbst ein Wirtshaus. Zu jener Zeit war es noch niedriger. Inzwischen wurde das Gebäude aufgestockt.

Sturm stellte dieses Wirtshaus in den gleichen Rang wie einst das „Waldhorn“ in Brombach und das „Mättle“ in Tumringen. Von der ehemaligen „Sonne“ sind es nur einige Schritte bis zum ältesten Wirtshaus der Stadt, dem „Storchen“.

Heute allerdings ist davon an der Ecke Alter Markt/Basler Straße nichts mehr zu erkennen. Dabei war das 1552 eröffnete Wirtshaus mit seinem großen Saal ein besonderer Anziehungspunkt. Noch bis weit in die zweite Hälfe des vorigen Jahrhunderts befand sich in der Nachbarschaft in einem Hof hinterm „Storchen“ die City-Bar, ein ganz spezieller Gastronomie-Magnet.

Hier ließ der Stadtführer auch Erinnerungen aus seiner Kindheit einfließen, denn neugierig auf „verbotene“ Bilder waren die Kinder auch damals schon.

Politisch aufgeschlossene Stadt und etliche namhafte Schauspieler

An dieser Stelle litt die Führung unter einer Vielzahl von Alltagsgeräuschen, die bei solch einem Rundgang durchs turbulente Leben in der Stadt auftreten können. Auch eine Demonstration mit Beschallung sorgte mitunter für eine so große Lautstärke, dass die interessanten Erklärungen des Stadtführers leider vielfach übertönt wurden.

Überlegenswert wäre es, wie in anderen Städten bereits üblich, den Stadtführern mobile Lautsprecheranlagen zur Verfügung zu stellen, meinte ein Teilnehmer.

Nächste Station war am ehemaligen „Hirschen“. 1964 wurde das Traditionsgasthaus abgerissen, dann entstand dort das Kaufhaus Hertie (heute Karstadt). An diesem einstigen Wirtshaus lässt sich auch die Verbindung zu einem der bekanntesten Bürger der Stadt herstellen, Markus Pflüger betrieb es einst mit. 1896 sprach in diesem Wirtshaus der SPD-Vorsitzende August Bebel.

Von hier spannt sich der Bogen zum einstigen „Markgräfler Hof“ am heutigen Senser Platz. Dort sprach 1910 Rosa Luxemburg. Lörrach war also, so belegt es die Wirtshausgeschichte, seit der Revolution von 1848 mit dem Auftreten von Gustav Struwe immer noch eine politisch aufgeschlossene Stadt geblieben.

Bedeutend für das kulturelle Leben in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg war der Theatersaal im einstigen „Markgräfler Hof“. Seinerzeit waren etliche namhafte Schauspieler aus Berlin nach Südbaden gekommen, weil sie sich von hier aus schnelle Kontakte in die Schweiz erhofften, um dort bald wieder Engagements zu erhalten. Denn in der zerstörten Hauptstadt lag der Theaterbetrieb am Boden.

Sturm verwies am Senser Platz auch noch auf die einstige Restauration Mutter in der Tumringer Straße, von der heute nichts mehr erkennbar ist. André Mutter war der Großvater der weltbekannte Geigerin Ann-Sophie Mutter: „Vielleicht förderten die zahlreichen musikalischen Umtriebe des Gastwirts den Weg der Enkelin,“ meinte der Stadtführer schmunzelnd.

Die Informationen dieses Rundgangs beschränkten sich bei weitem, nicht auf die Wirtshäuser. Die Teilnehmer erfuhren viele Einzelheiten aus dem städtischen Leben in früheren Jahrhunderten. Die Führung führte zum Abschluss noch durch die Grabenstraße und schließlich bis zur Villa Aichele.

Umfrage

Bettina Stark-Watzinger

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat sich für Zivilschutzübungen an Schulen ausgesprochen. Damit sollen Schüler besser auf den Kriegsfall, Pandemien und Naturkatastrophen vorbereitet werden. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading