Von Kristoff Meller
Lörrach. Im Sommer 2014 hat sich der Freundeskreis Asyl  Lörrach  nach der  Debatte zur geplanten Gemeinschaftsunterkunft in Brombach gegründet, um eine Willkommenskultur für Flüchtlinge zu schaffen. Nach einem Jahr hat sich sowohl die Flüchtlingssituation als auch die Struktur des Freundeskreises verändert.

Als der Freundeskreis im Oktober 2014 die ersten Flüchtlinge in der Lerchenstadt begrüßte, handelte es sich um gerade einmal 18 Personen. „Ich hatte anfangs zu jedem Gesicht einen Namen“, erinnert sich Elke Doerries an ihren ersten Sprachkurs. „Das ist jetzt unmöglich.“ Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, steigt und damit auch die Herausforderungen für  die Ehrenamtlichen.

Doch auch der Freundeskreis hat sich weiterentwickelt: „Unsere Arbeit hat sich  stärker strukturiert“, sagt Dagmar Fük-Baumann.  Dies sei vor allem durch die Organisation und die Erfahrung von Bärbel Korneck und Klaus Nack gelungen, die maßgeblich an der Gründung beteiligt waren,  sich aber aus Zeitgründen vor kurzem zurückgezogen haben (wir berichteten). Ihre Aufgaben wurden nun auf vier Personen aufgeteilt:  Dagmar Fük-Baumann  ist für die Gremienarbeit und Vernetzung zuständig, Jürgen Exner, Pastor der Baptistengemeinde, moderiert die Treffen, Elke Doerries kümmert sich um Informationsverteilung und interne Kommunikation, und  Schriftführerin Martina Paukert um die Protokolle.

Ehrenamtlich aktiv sind derzeit 50 bis 60 Personen in mehreren Praxisteams (siehe Kurzinfo). Insgesamt umfasst der Freundeskreis rund 150 Menschen. „Dieser große Rückhalt zeigt, dass die Ideen für die der Freundeskreis steht, auf große Solidarität stoßen“, sagt Exner. Ihm ist es ein Bedürfnis, der Bevölkerung nach einem Jahr für die „überwiegend wohlwollende Begleitung“ Dank auszusprechen. Auch die Spendenbereitschaft sei „ungebrochen groß“.

Das gilt auch für das Engagement im Freundeskreis Asyl, der  über keinerlei Vereinsstrukturen oder Hierarchien verfügt – wer helfen möchte, hilft. Anfangs gab es beispielsweise nur einen Sprachkurs in den Räumen der Baptistengemeinde, inzwischen bietet der Freundeskreis zwei Alphabetisierungskurse und zwei Deutschkurse als Grundlage für die Sprachkurse der Volkshochschule an. Zudem wird  laut Doerries ab  Mitte September ein Unterrichtsraum mit Tafel direkt in der Gemeinschaftsunterkunft eingerichtet. Für Asylbewerber, die bereits eine Arbeitsstelle gefunden haben, gibt es  eine Einzelförderung nach Feierabend. Ab September wird der Freundeskreis außerdem einmal in der Woche eine Sprechstunde für Flüchtlinge anbieten und auch die Kleiderkammer, die mittlerweile ebenfalls in die Gemeinschaftsunterkunft  verlagert wurde, wird ab September regelmäßig  (freitags von 16 bis 18 Uhr) geöffnet sein.

Die Einrichtung der  Gemeinschaftsunterkunft in der  Wohnbau-Anlage an der Gretherstraße  war laut Fük-Baumann „ein großer Glücksfall“ für alle Beteiligten. Durch die Unterbringung in normalen Wohnungen und der  Lage mitten in der Stadt sei es wesentlich einfacher, die Flüchtlinge zu integrieren.

Wenn die Neuankömmlinge in Lörrach eintreffen, besucht sie nach einigen Tagen ein Vertreter des Freundeskreises und überreicht zunächst einen Infoflyer mit wichtigen Kontaktadressen  und ein kleines Willkommensgeschenk. Im Vordergrund stehen laut Exner dabei „Erstkontakt“ und „warme Worte“. Durch die Begleitung zu Behörden,  beim Sprachunterricht oder den Freizeitaktivitäten wie „Sport im Hof“ ergebe sich dann oft eine persönliche, vertrauensvolle Beziehung: „Wenn ich jemanden zum Arzt begleite, erzählt derjenige meistens recht offen, woher seine Verletzung oder Krankheit stammt“, sagt  Doerries.  „Die Menschen wachsen einem mit der Zeit richtig ans Herz.“

Um so schlimmer, wenn sie plötzlich abgeschoben werden. Erst kürzlich  wurden laut Doerries zwei Männer aus Gambia nach Italien zurückgeschickt, weil sie dort nach ihrer Flucht über das Mittelmeer zuerst registriert wurden. „Wir wissen nicht, wie es ihnen geht“, erklärt Doerries traurig, die nichts vom Rückführungssystem hält: „Ich wünsche mir, dass die Menschlichkeit mehr im Vordergrund steht und die Flüchtlinge nicht mehr wie Nummern behandelt werden.“

Auch in der Gemeinschaftsunterkunft gibt es laut Fük-Baumann  „viele, komplizierte Einzelschicksale“. Sie  macht sich dafür stark, besonders bei Flüchtlingen aus den Balkanstaaten „,mehr auf Einzelfälle“ zu achten und die Frage zu klären, „welches Land ist für wen wirklich sicher“. Die ehrenamtlichen Helfer unterscheiden aber generell nicht nach Nationalitäten:  „Ich bin froh, dass ich nicht über die Asylanträge entscheiden muss“, gibt Jürgen Exner zu. „Wir bemühen uns einfach um alle, die hier ankommen.“

Derzeit sucht der Freundeskreis dringend Wohnraum für zwei syrische Frauen (eine ist schwanger). Kontakt: unter www.freundeskreis-loerrach.de

Kurzinfo:
Der Freundeskreis Asyl hat es sich zum Ziel gemacht, die Flüchtlinge willkommen zu heißen und die Verständigung zwischen Bürgern und Asylsuchenden zu fördern. Neben  dem vierköpfigen Führungsteam gibt es diverse Praxisteams: 
Das Team Willkommenskultur begrüßt neu ankommende Flüchtlinge und schafft eine erste Begegnung mit dem Freundeskreis.
Das Team Begleitung unterstützt Flüchtlinge bei der Alltagsbewältigung und Freizeitgestaltung.
Das Team Sprachen organisiert Deutschkurse und führt eine Dolmetscherliste.
Das Team Sachspenden sammelt insbesondere Kleidung, um die vom Landratsamt zur Verfügung gestellte Flüchtlingsausstattung zu ergänzen.
Das Team Finanzen sorgt für eine sorgfältige und transparente Verwaltung und Verwendung der Geldmittel.
Das Team Öffentlichkeitsarbeit pflegt die Homepage und lädt die lokale Presse zu Anlässen ein.
Das Team Koordination hat die Aufgabe, die Tätigkeiten der Praxisteams aufeinander abzustimmen und anzuleiten.