Lörrach Betroffene Frauen zeigen Gesicht: Porträts im Rathaus-Foyer

Gabriele Hauger
Präsentieren die Ausstellung der Frauenberatungsstelle (v.l.): Julia Mörsdorf, Lars Frick, Monika Mareis und Mieke Nizet. Foto: Gabriele Hauger

#unbreakable – ungebrochen, so präsentieren sich Frauen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben in einer Foto-Ausstellung, organisiert von der Frauenberatungsstelle. Es sind erschütternde Dokumente, die dennoch Mut machen.

Es sind die Porträts mutiger Frauen, die ihr Gesicht zeigen, obwohl sie Schlimmes erfahren haben. Die damit dem „victim blaming“, also der Schuldzuweisung an die Opfer, etwas entgegensetzen wollen. Sie halten Schilder vor sich. Darauf stehen Zitate, Reaktionen von Menschen aus ihrer Umgebung, die von der Tat wissen oder gar von den Tätern selbst. Besonders erschütternd, wenn Angehörige, eine Polizistin oder gar der eigene Ehemann den Opfern noch nachträglich Schuld zuweisen oder sie dazu auffordern, sich doch „nicht so anzustellen.“ Wir alle kennen Sprüche wie: Warum hat sie so einen kurzen Rock getragen? Warum hat sie Alkohol getrunken? Als ob dies eine Rechtfertigung für Missbrauch und Gewalt sei.

22 Porträts

22 Porträts sind auf Stellwänden im Foyer zu sehen. Sie sollen auf das Thema aufmerksam machen, auch zufällige Besucher ansprechen. Die ausliegenden Flyer geben einen Überblick über in Lörrach existierende Hilfsangebote. „Tatsächlich kennen nicht alle die Frauenberatungsstelle und ihre Angebote“, sagt Julia Mörsdorf. Umso wichtiger sei es, darauf hinzuweisen, zumal ins Rathaus alle Bevölkerungsschichten kommen.

Ein Porträt Foto: Gabriele Hauger

Die Foto-Wanderausstellung aus Freiburg basiert auf einem Projekt der Amerikanerin Grace Brown. Diese erfuhr vom Missbrauch einer guten Freundin, erzählt Mörsdorf. Sie wollte helfen, aufmerksam machen. Und so fotografierte sie ab 2011 zunächst Frauen aus ihrem Bekanntenkreis, denen Ähnliches passiert war. Später weitete sie ihre Recherche bis nach Kanada, Frankreich und England aus. Über 2000 Porträts mit entsprechenden Zitaten entstanden. Diese setzte sie in einen Blog, der vom Times Magazine zu einem der wichtigsten gekürt wurde.

Es sind ganz normale Frauen, die uns da von den Plakaten anschauen. Manche lächeln, manche sind ganz ernst, andere wirken traurig, wieder andere trotzig. Sie alle haben unterschiedlich Schlimmes erlebt – und mussten die anschließende Schuldumkehr ertragen.

Die Zahlen steigen

Da ist der Vergewaltiger, der behauptet: „Du bist nichts, du solltest mir dankbar sein.“ Da ist der Täter, der triumphierend sagt: „Mach ruhig weiter. Keiner hilft dir.“ Da ist die verletzende Bemerkung einer Freundin: „Aber du hast ihn nach Hause eingeladen.“ Und der Mann, der zwei Tage später sagt: „Lass uns keine große Sache draus machen.“ Ja, sogar eine Polizistin, die dem Opfer sagt: „Wärst du meine Tochter, ich würde dich umbringen.“

Zwei Betroffene Foto: Gabriele Hauger

Die Zahlen über Opfer von sexualisierter Gewalt – dazu zählen auch Obszönitäten, ungewünschte Berührungen und zunehmend Missbrauch im digitalen Raum – sind erschreckend –, und sie steigen, erzählt Monika Mareis vom Vorstand der Frauenberatungsstelle. Deren Angebote werden zunehmend nachgefragt. In Deutschland haben 60 Prozent aller Frauen sexuelle Belästigung erlebt.

Raus aus der Opferrolle

Fehlanzeigen über Vergewaltigungen seien hingegen mit drei Prozent äußerst selten, ergänzt Julia Mörsdorf. Aber: Gerade diese Fälle bekämen leider enorme mediale Aufmerksamkeit. Nur elf Prozent aller Fälle enden mit einer Haftstrafe.

Zahlen, die viele Frauen von einer Anzeige abschrecken dürften. Auch darum ist der Mut der Porträtierten, Gesicht zu zeigen, so wichtig. Die Ausstellung will Opfern als Beispiel dienen, will zum Nachdenken anregen. Und sie soll die Kraft der Frauen unterstreichen, aus der reinen Opferrolle herauszutreten.

„Du bist nichts“ sagte der Täter. Foto: Gabriele Hauger

Kulturamtsleiter Lars Frick begrüßt die Ausstellung im Rathaus sehr. Sie stehe ganz im Rahmen des Demokratie-Engagements der Stadt.

Die Frauenberatungsstelle erhält Zuschüsse von Stadt und Landkreis, ist aber auf zusätzliche Mittel angewiesen. Am Samstag, 8. März, 20 Uhr, findet ein Konzert mit Steffi Lais in der Alten Halle Haagen statt (Eintritt frei, Spenden an die Frauenberatungsstelle). Es kommt zudem die Poetry Slamerin Linnea Gehler. Die Ausstellung im Rathausfoyer geht bis 7. März.

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