Dieter Baumann ist einer der erfolgreichsten deutschen Langstreckenläufer. Unvergessen ist sein Spurt zum Sieg über 5000 Meter bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona. Am morgigen Freitag tritt er um 19 Uhr mit seinem aktuellen, vierten Kabarettprogramm „Dieter Baumann läuft halt (weil, singen kann er nicht)“ bei „City Sport“, Marktplatz 9, auf. Kristoff Meller hat mit ihm zuvor über das Laufen, sein Kabarett-Programm, Olympia, Doping und die Medien gesprochen.

Herr Baumann, Ihr Olympiasieg über die 5000 Meter liegt mehr als 26 Jahre zurück und Ihre Leistungssport-Karriere ist lange vorbei, dennoch laufen Sie meines Wissens noch immer jeden Tag. Was gibt Ihnen das Laufen?
Es hat heute für mich einen ganz anderen Stellenwert als damals. Und: Vielen Dank, dass Sie mich daran erinnern, wie lange das schon her ist. Das bedeutet, ich bin schon ganz schön alt. Laufen ist für mich einfach eine Sportart, die mir die notwendige Balance für die Dinge gibt, die ich am Tag zu bewältigen habe. Das hat mit Leistung nichts zu tun. Ich komme für eine Stunde raus, bin an der frischen Luft und nicht erreichbar. Laufen bedeutet, etwas Gutes für mich und mein Wohlgefühl zu tun.   

Nehmen Sie auch noch an Wettkämpfen teil?
Nein, ich laufe nicht mehr schnell. Diese Tempoläufe und was man so alles gemacht hat als junger Mensch, das macht mir gar nicht mehr die Freude wie früher. Da passt der Spruch „Alles hat seine Zeit“ sehr gut. Die Zeit des schnellen Laufens ist für mich vorbei. Bewegung gehört für mich zum Leben. Ich bin im Sommer auch viel mit dem Rennrad unterwegs. Den Körper spüren – Das ist für mich auch ein Stück Lebensgefühl.  

Ohne Bewegung halten Sie es wirklich nicht aus. Selbst bei Ihrem aktuellen Kabarett-Programm rennen Sie die ganze Zeit auf dem Laufband. Wie kamen Sie denn auf die Idee?
Alle meine Kabarett-Programme haben mit Laufen zu tun. Da habe ich mir irgendwann gedacht, ich müsste mal ein Stück machen, bei dem ich nicht nur vom Laufen erzähle, sondern es selber mache und dem Publikum zeige, was möglich ist. Natürlich spielte der Gedanke, so etwas gibt es noch nicht, auch eine Rolle. Es existieren zwei Stücke mit Laufband, aber die Akteure rennen nicht die ganze Zeit, und sie spielen auch in einem anderen Kontext. Deswegen habe ich mir gedacht, das probiere ich einfach mal. Nun bin ich sehr froh und auch ein bisschen stolz, dass es ein sehr schönes Programm geworden ist.  

Wie lange laufen Sie denn auf der Bühne?
Das Programm dauert 1:30 Stunden und davon laufe ich etwa 1:20 Stunden.  

Also ungefähr ein Halbmarathon (21,0975 Kilometer).
Dankeschön (lacht). Nein, das variiert, weil mein Tempo auf der Bühne auch variiert. Ich denke, es sind immer rund neun bis zehn Kilometer.  

Was für Geschichten erzählen Sie den Gästen unterwegs?
Es ist eine Art Theaterrevue, bei der getanzt, erzählt und gezaubert wird. Ich schlüpfe in unterschiedliche Rollen, laufe 100 Kilometer als roter Faden und nehme die Leute mit auf diese Reise. Es gibt die ganze Bandbreite der Kleinkunst.  

Kommt auch die berühmte Zahnpastatube und die positive Dopingprobe vor?
Selbstverständlich. Ich weiß ja, dass Sie als Medienvertreter danach fragen, darum habe ich das Thema in vorauseilendem Gehorsam ins Programm eingebaut. Das ist aber übrigens eine reine Mediengeschichte, die Leute interessiert das Null. Das sage ich aber ganz ohne Wertung.   

Beim Berlin-Marathon vor wenigen Wochen hat der Kenianer Kipchoge den Marathon-Weltrekord um mehr als eine Minute auf 2:01:39 Stunden verbessert. Das sind fast 21 km/h im Durchschnitt. So ein Tempo ist selbst für ambitionierte Hobbyläufer nicht vorstellbar. Natürlich kam die Frage auf, ob so eine Leistung ohne Doping möglich ist. Wie schafft man es als Athlet, neue Rekorde aufzustellen und trotzdem die Glaubwürdigkeit zu wahren?
Das ist eine sehr gute Frage. Wenn ich die Antwort wüsste, wäre ich vermutlich in einem ganz hohen Gremium als Sach- und PR-Experte tätig. Nein, Spaß beiseite. Das ist schon eine Dimension, die ich mit Erstaunen zur Kenntnis nehme. Aber Kipchoge ist kein unbekanntes Blatt. Er ist seit vielen Jahren auf diesem Niveau unterwegs, was wieder für ihn spricht. Er hat natürlich auch die Möglichkeit gehabt, diese Rekordzeit mehrfach anzukratzen. Kipchoge ist schon mehrfach schneller angelaufen. Einmal, als er unter Laborbedingungen in Monza auf der Rennstrecke die zwei Stunden-Marke knacken wollte. Das war kein richtiger Wettbewerb und bringt dem Athleten natürlich etwas, weil er über eine ganz lange Strecke und ohne Konkurrenzdruck und Taktieren auf diesem Niveau laufen kann. Dieser Trainingsreiz und die Erfahrung sind für Körper und Kopf wahnsinnig wertvoll. In London beim Marathon ist er dann wieder unglaublich schnell angelaufen, ist aber nicht durchgekommen. Das war sicher auch Teil des Plans. In Berlin übrigens hat er den Veranstalter gebeten, alle Konkurrenten auszuladen. Er wollte niemanden um sich herum haben, denn mit Gegnern läuft man anders. Dazu waren die Bedingungen in Berlin ideal.  

So eine Fabelzeit ist also möglich?
Ich will nichts verherrlichen, sondern einfach die Sachargumente darlegen. Unter guten Bedingungen und mit entsprechender Vorgeschichte als Athlet ist es möglich, so eine Zeit zu laufen. Grundsätzlich habe ich jedoch keine Antwort, wie man die Zweifel ausräumen kann. Das eigentliche Problem liegt im Sport selber, in den Antidoping-Bemühungen, in der NADA (Nationale Anti Doping Agentur Deutschland), der WADA (Welt-Anti-Doping-Agentur), den Gremien des Sports, die dafür zuständig sind, das Dopingproblem in den Griff zu bekommen. Denen glaubt man aber zurecht nicht mehr. Es gibt zuhauf Korruption, gekaufte Proben, Manipulationen, dazu die jüngste Entscheidung der WADA, Russland wieder zuzulassen. Das sind alles Dinge, wo der Zuschauer irgendwann sagt: Nein, dem Sport glaube ich nicht mehr. Das fällt dann zurück auf die Athleten, die eigentlich tolle Leistungen erbringen. Aus meiner Sicht kann das nur gelöst werden, indem man den Antidoping-Kampf nicht im Sport belässt. Das wäre so, als wenn wir zu den Autoherstellern sagen würden, bitte überprüft und kontrolliert die Abgaswerte selbst. Das wurde über lange Jahre gemacht, was dadurch passiert ist, haben wir jetzt gesehen. Genauso ist es im Sport.  

Sie haben die jüngsten Entwicklungen um Russland, Olympia, Doping und Co. angesprochen. Die Spiele und die olympische Bewegung haben sich seit Barcelona verändert. Würden Sie heute – wenn die Form stimmt – trotzdem noch immer an den Start gehen?
Natürlich. Olympia ist der Höhepunkt für die Athleten, das Karriereziel. Da will jeder starten. Ich finde es zu einfach zu sagen, die Athleten sollten nicht hinfahren. Bei der angesprochenen Problematik sind meiner Meinung nach auch die Medien stärker gefragt. Ein Beispiel: Es war eine Fußball-Weltmeisterschaft in Russland und dann lädt man den ARD-Dopingexperten Hajo Seppelt aus. Das Auswärtige Amt rät ihm von der Reise ab, weil man nicht für seine Sicherheit garantieren kann. Doch das war fast kein Thema in den Medien. Es gab nur einen kleinen Artikel. Jeder von Ihnen hätte sagen können, jetzt fahren wir auch nicht hin. Es gab keine Geschlossenheit. Ich könnte die Frage umdrehen: Was zeigen Sie als Medien im Bemühen, um diese korruptionsanfällige Sportlandschaft? Die Medien ziehen keine Konsequenzen. Jeder fährt hin und feiert den Fußball. Dabei gab es – auch sportlich – nichts zu feiern. Wobei, Frankreich hat toll gespielt.   

Aber wie nehmen die Athleten solche veränderten Begleiterscheinungen bei Großveranstaltungen wahr?
Die Sportler haben darauf am Ende ganz wenig Einfluss. Und man muss zudem die Historie sehen. Ich erinnere an den Skandal um Ben Johnson. Wir hatten diese Verhältnisse auch schon 1988 und 1992. Ich war damals am Start und würde auch heute wieder starten. 

„Dieter Baumann läuft halt … weil singen kann er nicht!“, Freitag, 19. Oktober, 19 Uhr, City Sport Lörrach, Marktplatz 9. Eintritt: 15 Euro pro Person (wird bei künftigem Einkauf eines Paar Wander- oder Laufschuhe rückvergütet). Es gibt auch eine Abendkasse. Nähere Infos und Reservierung bei Silke Drescher, E-Mail   runhappy@citysport-loerrach.de