Lörrach Bücken und pflücken

Regine Ounas-Kräusel
 Foto: Christina Tatarici

Reportage: Unsere Lörracher Mitarbeiterin Regine Ounas-Kräusel ist derzeit als Erntehelferin im Einsatz.

Lörrach/Fischingen - Seit Ende April arbeite ich auf dem Weingartenhof in Fischingen als Helferin in der Erdbeerernte. Die Arbeit ist ungewohnt, anfangs schmerzt das Kreuz – denn im Normalberuf bin ich als Lokalreporterin für „Die Oberbadische“ hauptsächlich in Lörrach unterwegs.

Die Arbeit in einem bunten Trupp von Menschen macht Spaß. Manche helfen ebenfalls wegen der Corona-Krise auf dem Weingartenhof aus. Doch auch Ernteroutiniers aus Rumänien und Polen sind da.

Als Mitte März der Corona-Lockdown kam, sank mein Einkommen schlagartig fast auf Null. Konzerte und Veranstaltungen, über die ich normalerweise berichte, waren plötzlich verboten. Also beschloss ich, als Erntehelferin etwas dazuzuverdienen. Ich bot meine Hilfe auf der Plattform „Das Land hilft“ an und fragte bei fünf Betrieben im Kreis Lörrach nach. Doch gerade kleinere Höfe schienen mit der Krise besser zurechtkommen als gedacht.

Susanne Denzer vom Weingartenhof in Fischingen wollte es mit mir als Erntehelferin versuchen. Daher stehe ich seit dem 23. April jeden Donnerstag und Samstag von 7 bis 13 Uhr in den Folientunneln auf ihren Erdbeerfeldern bei Efringen-Kirchen. Christina Tatarici und ihre Kollegen aus Rumänien und Polen kommen meistens schon um sechs. Ein freundliches „Guten Morgen“, ein kurzes „Wie geht’s?“, dann frage ich sie, wo ich heute pflücken soll. Christina ist die Vorarbeiterin.

Die Stimmung ist freundlich, auch wenn ich am Anfang Skepsis spürte, ob ich die Arbeit schaffen kann. „Wie alt bist du?“, fragte Christina mich, eine Frau von Ende 50.

Auch Susanne Denzer hat die Arbeit mit den Helfern, die zum ersten Mal auf ihren Spargel- oder Erdbeerfeldern standen, als Herausforderung erlebt, weil sie alles neu erklären musste. Doch inzwischen weiß sie: „Wenn jemand den Biss entwickelt, es machen zu wollen, dann klappt das auch.“

Mir schmerzte an den ersten Tagen schnell das Kreuz vom Bücken. Doch ich bastelte mir Knieschützer aus Schaumstoff und arbeite seitdem abwechselnd im Stehen und Knien. Zu Hause jogge ich wieder regelmäßiger und mache Gymnastik. Die Vorgabe, vier Stiegen – 40 Pfund Erdbeeren – pro Stunde zu pflücken, erfülle ich nicht ganz. Diese Leistung, muss ich anerkennen, schaffen wohl nur die Routiniers aus Osteuropa.

Susanne Denzer, studierte Oenologin, führt den Weingartenhof zusammen mit ihrem Bruder, dem Gärtnermeister Georg Denzer. Sie bauen Spargel und Erdbeeren an, Obst von der Kirsche bis zum Apfel, außerdem Wein und im Winter Feldsalat. Alles wird über den Hofladen sowie in der Region, auch auf dem Lörracher Markt, verkauft.

18 bis 20 Saisonkräfte aus Osteuropa beschäftigt der Weingartenhof in normalen Jahren. Froh ist Susanne Denzer, dass sie in diesem Jahr zumindest acht bewährte Saisonkräfte aus Rumänien per Flugzeug herholen konnte. Anfang April hatte die Bundesregierung die Einreise für 80 000 Erntehelfer aus Osteuropa erlaubt.

In diesem Jahr hilft eine bunte Truppe in der Spargel- und Erdbeerernte mit. Madlen Meier, Sachbearbeiterin im Personalwesen, kann wegen Corona ihren Nebenjob im Restaurant nicht ausüben. Landwirtschaftliche Arbeit sei sie vom Elternhaus gewohnt, erzählt sie. Interessant finde sie es, mit wie viel Aufwand die Erdbeeren kultiviert werden: „Jetzt kann ich die Preise besser verstehen.“ Auch Mitarbeiter der Firma Vitra, die in Kurzarbeit sind, und eine junge Frau mit abgeschlossenem Touristikstudium pflücken Erdbeeren. Ein Koch, dessen Restaurant wegen Corona geschlossen hat, und andere stechen Spargel.

Die meisten rumänischen Frauen und Männer sprechen kaum Deutsch. Wenn ein Erdbeertunnel leer geerntet ist, diskutieren alle auf Rumänisch, wo es weitergeht. Christina weist mir auf Deutsch eine Erdbeerreihe zu. Ansonsten geht vieles über ein freundliches Lächeln, flachsen und lachen kann man auch mit wenigen Worten. Eine Frau schenkt mir in der Pause einen Apfel, und ich habe gelernt, dass „Danke“ auf Rumänisch „Multumesc“ heißt.

Doch trotz Sprachbarrieren gibt es Momente, in denen die Frauen und Männern aus Rumänien und Polen von sich erzählen: Christina Tatarici zum Beispiel lebt in der Stadt Brasov in den Karpaten und kommt seit 14 Jahren hierher. Eine Kollegin muss ihr Kind während ihrer Arbeit in Deutschland bei den Großeltern lassen. In Rumänien habe man viel Arbeit, aber wenig Geld, erklärt ein Mann, warum sie diese Arbeit weit weg von zu Hause machen.

Die meisten Frauen und Männer aus Rumänien und Polen werden bis zum Sommer auf dem Weingartenhof arbeiten. Die meisten deutschen Helfer sind seit Ende Mai wieder weg, weil wegen der Corona-Lockerungen die Wirtschaft langsam wieder hochfährt.

Umfrage

Bettina Stark-Watzinger

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat sich für Zivilschutzübungen an Schulen ausgesprochen. Damit sollen Schüler besser auf den Kriegsfall, Pandemien und Naturkatastrophen vorbereitet werden. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading