Lörrach Corona erlaubt nur ein Revolutiönchen

Kristoff Meller

Lörrach feiert den Tag der Demokratie coronabedingt mit eingeschränktem Programm.

Lörrach - 172 Jahre nachdem durch Gustav Struve in Lörrach zum ersten Mal eine deutsche Republik ausgerufen wurde, feierte die damals kurzzeitige Hauptstadt am Montagabend den sechsten „Tag der Demokratie“. Die Revolutionszeremonie am Alten Rathaus musste coronabedingt zwar etwas kleiner als in den Vorjahren ausfallen, dafür begeisterte aber ein junger Redner das Publikum.

Die traditionelle Revolutionsrede hielt in diesem Jahr kein auswärtiger „Promi“ sondern der Lörracher Poetry-Slammer und Moderator Niklas Ehrentreich alias „Nik Salsflausen“. Frei von politischen Ämtern oder Verpflichtungen befasste er sich unterhaltsam aber gleichzeitig kritisch mit den Einschränkungen der Grundfreiheiten durch die Corona-Pandemie und den Reaktionen der Protestbewegung: Freiheit sei nie einfach und verlange ein „ständiges, anstrengendes Hinterfragen“, Freiheit bedeute aber auch Verantwortung,“, mahnte Ehrentreich. „Wir dürfen das Erbe Struves, die Revolution und die Freiheit, nicht denen überlassen, die mit der Kaiserflagge durch die Straße ziehen.“ Jeder müsse sagen dürfen was er denke, nur eben nicht auf jeder Bühne und nicht ohne dass ihm widersprochen werde.

Er erinnerte auch an die „zwei Männer mit einer großen Vision und einer viel zu kleinen Armee“ nicht unkritisch. Die Revolution von 1848 habe teils antisemitische Züge gehabt und sei elitär gewesen. Er rief darum dazu auf, „es besser zu machen“ und eine „Republik für alle“ zu schaffen. Dafür müssten aber auch junge Menschen, Schwarze Menschen und homosexuelle Menschen mehr gehört werden.

Auswanderungsrecht von Struve gleicht dem heutigen Recht auf Asyl

Zuvor hatte der Festakt wie üblich mit dem Ausrufen der Republik begonnen. Schauspieler des Theaters Tempus fugit stürmten den Balkon des Alten Rathaues und hissten dort die schwarz-rot-goldene Fahne mit der Forderung nach „Wohlstand, Bildung und Freiheit für alle“.

Hubert Bernnat, Historiker und SPD-Stadtrat, verglich in seinem anschließenden Grußwort Struves Forderung für Auswanderungsrecht mit dem heutigen Recht auf Asyl. Wenn sich die Bundesrepublik bereit erkläre, 1500 Flüchtlinge aus Moria aufzunehmen, entspreche das einer Person pro 55 000 Bundesbürger. Die Stadt Lörrach müsse also einen Geflüchteten unterbringen. „Es kann wohl niemand behaupten, dass dadurch unser Wohlstand gefährdet ist“, sagte Bernnat und forderte „ein Zeichen der Humanität“.

Bernnat, der kurzfristig für Bürgermeisterin Monika Neuhöfer-Avdic eingesprungen war, befasste sich mit der Corona-Krise und der Einschränkung von Grundrechten. Er betonte: „Das Freiheitsrecht ist untrennbar an das Recht auf Leben gebunden.“ Der Protest gegen die Eingriffe in das Freiheitsrecht sei jedoch legitim, denn: „Vertrauen in den Staat bedeutet nicht blindes Vertrauen.“

Beim abschließenden Lied „Die Gedanken sind frei“ mussten die gut 100 Besucher trotz Mundschutz und Abstand coronabedingt auf das Mitsingen verzichten, wie Lars Frick, Leiter des Fachbereichs Kultur und Tourismus, zuvor erklärte. Lediglich Mitsummen zur jazzigen Version von Christoph August und Oskar Szutenberg (Städtische Musikschule) war erlaubt. Und auch die ansonsten stets gereichte Revolutionssuppe fiel der Pandemie zum Opfer, was Frick sehr bedauerte.

Rahmenprogramm mit Führungen und mehr

Neben der eigentlichen Revolutionszeremonie fanden am Montag auch noch zwei Stadtführungen zur Revolution 1848/49 und zur Französischen Revolution statt. Am kommenden Samstag, 26. September, 15.30 Uhr, wird außerdem die Führung „Wege der Revolution – Lörrach an der Straße der Demokratie“ mit dem Theater Tempus fugit angeboten. Am Dienstag, 29. September, folgt die Veranstaltung „Grundrechte und Grundgesetz“ im Dreiländermuseum. Dort diskutieren Hubert Bernnat und Lutz Knakrügge über die Ansprüche, die wir an das Grundgesetz stellen können sowie die Ansprüche, die das Grundgesetz an Bürger stellt. Sie orientieren sich dabei an einer Broschüre des Journalisten Heribert Prantl.

Das Rahmenprogramm dauert bis Ende Oktober. Aufgrund der aktuellen Corona-Verordnung gelten für alle Veranstaltungen die bekannten Hygieneregeln und eine Anmeldung beziehungsweise Datenerhebung ist erforderlich. Weitere Informationen und Anmeldung unter www.loerrach.de/Tag-der-Demokratie.

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