Von Guido Neidinger
Lörrach. Jovial, manchmal tiefgründig, immer wieder mit einem Schuss Klamauk: So kommt der Lörracher Zunftabend daher. Das Menü mit neun Gängen servieren die Zunftmeister in der Alten Halle in Haagen dem Publikum nach der Premiere am Mittwoch noch acht Mal.

Steilvorlagen . . . hatte die Lörracher Kommunalpolitik den Zunftmeistern in den vergangenen Monaten genügend geliefert: Radarfallen, Tempo-30-Zonen, Campingplatz ohne Camper und Stühlerücken im Rathaus. Jetzt mussten diese Vorlagen nur noch in närrisch-humorvolle Tore verwandelt werden. Das gelang meistens. Aber gelegentlich gingen die Angriffe der Zunftmeister auf die Lachmuskeln des Publikums allerdings daneben.

In Paraderollen . . . zeigten alle Zunftmeister ihr Potenzial. Oberzunftmeister Stephan Vogt interpretiert die verflossene Chefin im Rathaus so perfekt, dass er ohne Weiteres als Heute-Bluhm-Double durchgehen könnte. Andreas Glattacker ist ein Multitalent. Ob als Türke im Tram, als tratschende Gabi Schupp oder als Holländer auf dem Campingplatz – es ist eine Wonne, ihn auf der Bühne zu erleben.
Besonders köstlich: Glattacker als Oberbürgermeister Jörg Lutz. Ralf Buser ist die optimale Besetzung der Nebenrollen. Als Polizist im Banküberfall, als Kämmerer Peter Kleinmagd oder als trotteliger Bürger, der seinen Autoschlüssel im Müll verliert – Buser trifft sie alle auf den Punkt. Philipp Buser glänzt diesmal vor allem als Schweizerin mit polnischen Wurzeln in der Tramlinie 8 nach Weil am Rhein. Besser geht’s nicht.
Karl-Heinz Sterzel spielt den Lörracher „Straßenpapst“ Jürgen Nef perfekt und ebenso überzeugend Bernhard Escher – obenrum Stadtrat im feinen Zwirn und untenrum Sportsmann in kurzer Hose. Christoph Schuldt weiß als Mitglied einer Rentner-Räuberbande und als Oberbürgermeister-Sekretärin Britta Klettke zu gefallen. Wenn die Chefs der Basler Verkehrsbetriebe Klaus Ciprian-Beha als Trämli-Chauffeur am Zunftabend erleben würden, sie würden ihn sofort einstellen.
Tja, und was wäre ein Zunftabend ohne Hansi Gempp. Sein schauspielerisches Können ist unerschöpflich. Altstadträtin Vreni Hirt parodiert er phänomenal. Als kriegsversehrter Rentner im 8er-Tram ist er ebenso wie als Jasmin vom Campingplatz oder als Stadtbrandmeister Jürgen Schernhammer eine Wucht. Allein für Gempp lohnt sich der Eintritt.

Fleißig, fleißig. . . sind die schauspielernden Zunftmeister alle. Acht Nummern bürdet sich das kleine Team auf. Immer wieder steht fast die gesamten Riege auf der Bühne. Das ist bewundernswert, kostet aber viel Kraft. Hin und wieder leiden dadurch Textsicherheit und Ausdrucksstärke. Wie sagt Vreni Hirt alias Hansi Gempp in der Auftaktnummer: „Manchmal wär’ weniger mehr.“

Der Themenmix . . . verlangt vom Besucher jede Menge Kenntnisse des Geschehens vor Ort. Denn der Zunftabend hat viel Lokalkolorit. Lediglich bei den Rollatoren-Gangstern und der gesellschaftskritischen Nummer „Dumm g’schwätzt isch gli“ geht’s auch ohne.
Erstaunlich glimpflich kommt diesmal Weil am Rhein – das natürliche Feindbild der Lörracher – weg. Selbst bei der Tramlinie 8, die von Basel in unsere Nachbarstadt führt, nahezu Fehlanzeige. Vielleicht haben die Lörracher derzeit ja genug mit sich selbst zu tun. Und so rücken Polleranlage, Radarfallen oder die Abkehr von der Amazonenherrschaft im Rathaus ins Rampenlicht. Ein guter Mix, der Laune macht.

Wortspiele . . . ziehen sich wie ein roter Faden durch den Zunftabend. Da wird die Polleranlage zur Pulleranlage, oder der neue Oberbürgermeister in Kasperlemanier mit „Lutzig, Lutzig, trallallallalla“ begrüßt. Der Amazonentempel Rathaus mutiert zur Männerauffangstation, wo die Fachbereichsleiterin Britta Staub-Abt mal eben zu „Britta staubt ab“ wird. Und der neue türkische Campingplatzbesitzer Ali wirbt für Lörrach mit dem Slogan „Unsere Stadt soll Döner werden“.

Zu guter Letzt . . . kommen wir zu dem, was noch nicht gesagt ist, aber gesagt werden sollte. Die „Night Shadows“ mit Chef Rolf Hauser sind keineswegs Schatten, sondern sorgen musikalisch gekonnt für fasnächtliche Stimmung. Ohne viele helfende Hände im Hintergrund würde es nicht gehen. Heike Geitlinger (gute Masken), Hans-Werner Schuldt und Andreas Kühn (gelungenes Bühnenbild), Lukas Grussenmeyer (Tontechnik, die an der Premiere noch zu oft versagte. Aber das wird schon), Ellen Quercher (den Akteuren aus der einigen Textpatschen helfende Souffleuse), Hanspeter Goldian (schöne und ausdrucksstarke Kulissen mit bekannten Motiven aus der Stadt), sind Stützen des Zunftabends. Küche und Service standen stets parat, sodass niemand Hunger leiden oder dürsten musste.
Mehr als Füller sind die Zundelgirls, die personell und choreografisch aufgerüstet haben. Der Spielmannszug eröffnet traditionell den zweiten Teil des Abends, während die Abordnungen der Cliquen der Narrengilde zum Auftakt für bunte Farbtupfer sorgen. Premiere an der Premiere hatte Monika Rexrodt als Protektorin. Das Ornat steht ihr.

Fazit . . .  Für Zunftabend-Novizen ist es ein toller närrischer Abend. Stammgäste legen die Latte höher und wissen: Diese Zunftmeister können mehr. Vor allem das Finale ist diesmal nicht das gewohnte „finale furioso“. Besuchens- und erlebenswert ist der Zunftabend 2015 aber ohne Frage. Alle, die Karten haben, dürfen sich darauf freuen.

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