Ein Kapitel Heimatgeschichte endet Das Stettemer Chörli singt nicht mehr

Bernhard Konrad
Eine Aufnahme aus der Gründungsphase der Formation: Die Sänger bereicherten mit ihren Darbietungen 17 Jahre lang das Geschehen in Stetten. Foto: zVg/Chörli Stetten/Fotostudio Weisheitinger

Das „Stettemer Chörli“ wird aufgelöst: Zu diesem Schritt haben sich die verbliebenen Sänger entschlossen. Aus einer Laune als Projektchor entstanden, entwickelte sich die Formation zu einer Stimme des alten, traditionsreichen Stetten, die nun verstummt.

Wo das Chörli mit seinem Gesang den Raum erfüllte, war Alt-Stetten in doppeltem Sinn präsent: Viele der Chormitglieder dürfen sich „waschechte Stettemer“ nennen, nicht wenige sind im Ort geboren und diesem ein Leben lang verbunden geblieben. Das Liedrepertoire orientierte sich an Kompositionen des 20. Jahrhunderts, etwa ab 1910 – Klänge, die vielen Senioren aus dem Lörracher Stadtteil noch geläufig sind und Erinnerungen aus vergangenen Zeiten hervorrufen, sagt Gründungsmitglied Helmut Bräuning im Gespräch mit unserer Zeitung.

Die Idee

„Der Chor entstand aus dem Nichts“, lässt Bräuning gemeinsam mit einigen Mitstreitern die Geschichte des Ensembles nochmals Revue passieren.

Die Idee zu einem „Jubiläumschor“ hatte Günter Stiefvater. Gegründet wurde das Chörli am 4. Oktober 2007: als Projekt-Männerchor für den Festakt im Jahr darauf anlässlich des 100-jährigen Zusammenschlusses von Stetten und Lörrach.

Die Entwicklung

Am ersten Probenabend kamen 27 Sänger, davon rund ein Drittel ohne Chorerfahrung. Mit 40 Sängern war das „Chörli“ im Jahr 2013 beim Jubiläum „1250 Jahre Stetten“ zu einem veritablen Männerchor gewachsen. Für viele „alte Stettemer“, so Bräuning, knüpfte dieser auch ein Band zum Gesangverein Stetten, der schon 1974 aufgelöst wurde.

Heidi Engler-Ludin leitete von Beginn an den Chor und konnte die Sänger nach dem Festakt zum Weitermachen motivieren. „Das Stettemer Chörli muss weiterbestehen“, dafür setzte sich auch Dieter Stiefvater als „Chörli-Manager“ von 2008 bis zu seinem Tod im Jahr 2020 ein.

Die Anlässe

Über Jahre hinweg bereicherte der Chor das Dorfleben in Stetten: Feste Termine waren etwa das Maibaumstellen und die regelmäßigen Gastauftritte im Pflegeheim St. Fridolin – immer kostenlos. Auch das Chorkonzert in der Kirche St. Fridolin war ein großer Erfolg, erzählt Bräuning.

Was die Formation ausmachte, war nicht in erster Linie ihre gesangliche Exzellenz, sondern ihre Authentizität und Homogenität als Klangkörper und Gemeinschaft. Mit ihren Liedern vermochte sie in diesem kleinen Stettemer Kontext, das Innerste der Senioren zu berühren – Erinnerungen wachzurufen. Immer wieder kullerten bei den Auftritten des Chors Tränen über die betagten Wangen der Zuhörer.

Die letzten Jahre

Frank Engler übernahm im Herbst 2019 den Dirigentenstab. Nach der Corona-Zwangspause führten Helmut Bräuning und Rudolf Siebold den Chor weiter.

Zuletzt bestand das Chörli aus 23 Sängern, darunter zwölf Gründungsmitglieder. Noch im Sommer 2024 gedachte der Männerchor auf dem Stettener Friedhof seinen seit 2007 verstorbenen Sängern. Im Dezember sang das Chörli noch einmal im Pflegeheim St. Fridolin.

Indes: „Bei einem Durchschnittsalter von über 79 Jahren haben sich in letzter Zeit gesundheitliche Entwicklungen und das Alter bemerkbar gemacht. Zudem konnten keine Nachfolger für die Organisation gefunden werden“, erläutert der Chor. Deshalb wurde beschlossen, das Stettemer Chörli „zum Bedauern aller“ aufzulösen.

Der Abschied

Zum Abschied wurden sich die Verbliebenen rasch über ein letztes Lied einig: „So wurde der Bajazzo noch einmal voller Energie, aber auch mit etwas Melancholie gesungen.“

Das Stettemer Chörli – vollkommen ungeplant, aus purer Freude am Singen, am Beisammensein und aus Verbundenheit zu Stetten ins Leben gerufen – hat ein Kapitel Heimatgeschichte geschrieben. Nun, nach mehr als respektablen 17 Jahren, wird dieses Kapitel geschlossen.

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