Lörrach Das Wunder der Schrift

Gabriele Hauger

Ausstellung: Verein Bildende Kunst Lörrach (VBK) zeigt „schriftlich“ im Dreiländermuseum.

Lörrach - Staunend steht die smartphone-affine Gesellschaft vor Schriftkünstlern vergangener Jahrhunderte, die akribisch verzierte Initialen und handgeschriebene Bücher schufen. Heute überflutet uns via Internet ein Buchstabengemenge mit oftmals nicht verifizierbaren Inhalten und beliebigen Schriftzeichen. Dabei ist das Phänomen des Schreibens und des Lesens etwas Wunderbares. Und so hat sich auch die Kunst des 20. Jahrhunderts – von den Kubisten bis zur Pop Art – intensiv mit der Schrift beschäftigt, sie in ihre Arbeiten integriert.

Facettenreich widmen sich nun vier zeitgenössische Künstler der Sprache, der Schrift, ihrer Les- oder Unlesbarkeit und stellen in der Ausstellung „schriftlich“ des Vereins Bildende Kunst (VBK) Lörrach im Dreiländermuseum aus. Kuratiert wird die Schau von Sigrid Schaub, Hanna Benndorf und Gabriele Menzer.

Codierungsmöglichkeiten der Schrift

Arno Dietsche aus Grenzach ergründet das Thema als Grafiker via Computer und legt den Schwerpunkt auf die Codierungsmöglichkeiten der Schrift. Wie versteckt man Inhalte, ergründet er. Er programmiert einzelnen Buchstaben so um, dass er eine eigene, nicht lesbare Schrift daraus entwickelt. Die Texte druckt er aus, fotografiert und bearbeitet sie. Die Inhalte lassen sich via Computerprogramm problemlos zurückverwandeln – vorausgesetzt man kennt die Codierung. Auf seinen Arbeiten sehen wir also keineswegs Nonsense-Zeichen, sondern reale Schriften, beispielsweise aus unterschiedlich dicken und geformten Kreuzchen, aus Fußboden-Flecken, kleinen Ästen oder aneinandergereihten Hexagonen. Die Inhalte sind sehr verschieden: Darunter sind die Aufzeichnung eines Künstlergesprächs, Romanauszüge oder die Eingangssätze der Genesis. Dietsche verwandelt so Texte in Bilder, in gemusterte Zeichengewebe, die vom Betrachter ohne Hintergrundwissen als reine Struktur wahrgenommen werden. Kein Lesezwang also, und dazu der gleichsam mahnende Hinweis, dass nicht alles les- und entschlüsselbar ist, dass Texte kritisch hinterfragt werden sollten, gerade heute, wo das Korrektiv solider journalistischer Arbeit vielfach nicht mehr genutzt wird.

Perfektionismus-Drang?

Ganz anders – oft klar lesbar – geht Sigrid Artmann aus Ludwigsburg das Thema an. Neben der kalligrafischen Schönheit zählt für sie vor allem auch der Inhalt, der Spielraum für Interpretationen und Reflexionen bietet. Auf ein verwittertes Holzbrett in Rosa schreibt sie „perfekt“. Wird hier weiblicher Perfektionismus-Drang karikiert? Wird mit weiblichen Klischees gearbeitet? Sehen wir Unperfektes, das perfekt sein will? Die Künstlerin spielt mit Worten, Sätzen oder Satzfragmenten und zeigt sich dabei experimentierfreudig. Das reicht von der Installation mit dem Totenkopf „Was bleibt?“ bis zur asiatisch inspirierten abstrahierten Linie, die so gar nicht lesbar scheint und die Gefühlsebene anspricht.

Formen zwischen Harmonie und Chaos

Seit 35 Jahren beschäftigt sich Denise Lach aus Hüningen mit Schrift und Kalligrafie, stellt das grafische Element dabei in den Vordergrund, testet aus, was sich mit Formen zwischen Harmonie und Chaos bewegen und bewirken lässt. Frei experimentiert sie mit ungewöhnlichen Materialien, auf denen sie ihre Schriftbilder verewigt: sei es auf Keramik, Stoff, Metall oder Leder. Spielerisch bedient sie sich verschiedener Schriften: Wir sehen filigrane schwarze Zeichen auf einer Raku-Schale, eine beschriftete Stele oder ihre Installation aus 105 Holzboxen mit – teils lesbaren – Original-Kalligrafien des immer gleichen Textes „Desiderata“. Hier bedient sie sich verschiedener Schriften, bleibt dem Text aber stets treu. Ihre Arbeiten zeugen von ihrer Begeisterung und Leidenschaft und einem ureigenen Weg zur Schrift.

Stylewritings

Von der Street Art, die natürlicherweise von der Schrift lebt, kommt N.O. Madski. Für die Graffiti-Künstler war und ist ihr individueller Namenszug (Stylewritings) von zentraler Bedeutung. Madski gestaltete diesen im Laufe seines Schaffens vielfach neu. In Großstädten auf Brachen und Industriegeländen hinterlässt er seine Schrift-Spuren, fotografiert und bearbeitet diese anschließend. Ursprünglich Religionslehrer, will er mit seinen vielschichtigen Arbeiten ein Tor zu einer anderen Welt öffnen. Wir sehen beispielsweise ein ausgedientes Schwimmbad, mit schwarzen Schriftzügen und Zeichen, kombiniert mit einer eigenen, ganz neuen Farbigkeit und Ästhetik. Er verwandelt so einen tristen, verlassenen Ort in einen geheimnisvollen, neu belebten voller magischer Zeichen.

  •  bis 17. März, Di-So, 11-18 Uhr, Dreiländermuseum Lörrach

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