RALLE: Wir haben in der 12. Klasse den Realschulabschluss und in der 13. Klasse das Abitur – nach den ganz normalen Regularien wie an den staatlichen Schulen auch. Wer möchte, kann nach Klasse neun oder zehn auch den Hauptschulabschluss machen.
Die Waldorfpädagogik feiert gerade ihren 100. Geburtstag. In wie weit haben sich die Waldorfschulen über die Zeit hinweg gewandelt?
RALLE: In manchen Bereichen haben wir uns sicher angepasst an die heutige Gesellschaft: Wir bieten in Lörrach Ganztagsbetreuung, wir haben eine professionell aufgestellte Verwaltung, und dass die Kinder heute nicht mehr auf der Schiefertafel schreiben, ist auch klar. WEHNERT: In Sachen Pädagogik aber sind wir sehr nahe an unseren Wurzeln geblieben – und erfahren da eine zunehmende Offenheit in der Gesellschaft. An vielen Stellen zeigt sich einfach, dass manches von Anfang an gar nicht so dumm war. Ob Jahresarbeiten, Klassenspiel oder Schulfeiern: Unsere Kinder müssen zum Beispiel bei zahllosen Gelegenheiten selbstbewusst vor andere hinstehen und zeigen: Ich kann da was. Eine Fähigkeit, die heutzutage im Beruf wie im privaten Umfeld wichtiger ist als vieles andere. Ein anderes Beispiel sind die Schulnoten: An der Waldorfschule gab es statt Zensuren schon immer Entwicklungsberichte. Heute gibt es solche Berichte auch an den staatlichen Schulen zumindest in den ersten beiden Klassen.
Gerade das Fehlen von Noten wird allerdings oft zum Vorwurf: Die Leistungen werden nicht recht beurteilt, und ohne diesen Leistungsanreiz lernen die Kinder nicht richtig...
RALLE: Es ist ja nicht so, dass die Kinder dadurch, dass wir keine Noten geben, nicht bewertet oder nicht beachtet werden. Sie werden viel umfassender bewertet. „Deutsch Note 1“ – was sagt das aus? Bei uns bekommen sie über den Entwicklungsbericht ein sehr differenziertes Bild von den einzelnen Facetten der Arbeit und der Entwicklung, die ein Kind zeigt. In der Oberstufe, wenn es in Richtung staatliche Abschlüsse geht, führen wir die Schüler dann an die Noten heran.
Wo sehen sie aktuell Herausforderungen für die Lörracher Waldorfschule ?
RALLE: Wir verzeichnen steigende Schülerzahlen. Das ist erfreulich – führt aber dazu, dass unsere Räume aus allen Nähten platzen. Wir sind daher auf der Suche nach einem Grundstück in der Nähe unseres Standortes, auf dem wir uns erweitern können.