Das same-day-delivery-Konzept (Lieferung am gleichen Tag) wurde von den meisten Lieferdiensten eingestellt, weil es die Kundschaft nicht bezahlen möchte. Insofern besteht auch für den Lörracher Einzelhandel dieser Druck nicht mehr, aber vielleicht ist es auch die Chance für den Lörracher Einzelhandel, seine Ware – zumindest seiner Kundschaft aus Deutschland – zeitnah, vielleicht sogar am selben Tag, zu liefern – einen funktionierenden Online-Auftritt vorausgesetzt.
Die Immobilienwirtschaft allgemein ist nach Meldungen des Handelsblattes in weiten Teilen nicht bereit, dem Handel entgegen zu kommen. Ob das auch für Lörrach zutrifft, weiß ich nicht, aber denen sei gesagt, dass die Marktwirtschaft nicht nur gilt, wenn auf Grund der Nachfrage Mieten erhöht werden können.
Auch die Stadt Lörrach ist in der Pflicht. Niemand vernachlässigt sein Haus auf Dauer, aber die Stadt Lörrach, Politik und Verwaltung, haben an der gestalterischen Qualität der Innenstadt seit Jahrzehnten nichts bzw. nur sehr wenig gemacht – Basler Straße ausgenommen und absehbar Turm-/ Palmstraße. Wenn die Stadt leer ist, fällt es umso mehr auf – exemplarisch sei hier auf den Umgang mit kaputten/fehlenden Pflastersteinen verwiesen, die oft einfach durch Teer ersetzt werden.
Der öffentliche Raum wird, das ist sicher, zukünftig noch wichtiger und daher eine hohe Qualität noch erforderlicher; dies gilt auch für die „Seitenwände“ des öffentlichen Raumes – die Fassaden der Gebäude. Der innerstädtische Freiraum wird nicht nur gesellschaftlich immer wichtiger, sondern auch stadtklimatisch.
Der Lockdown mit seinen erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Folgen wird aber auch in der langen Zeitachse der Entwicklung spürbar sein. Die Stadt Lörrach und die Akteure in der Stadt müssen sich den Zukunftsfragen stellen. Ein weiter so, wie bisher, ist der falsche Weg. Das online-Einkaufen wird nicht wieder auf das Vor-Corona-Niveau zurückfallen, wie aber kann sich der Handel neu erfinden? Was passiert, wenn das Homeoffice in vielen Bereichen bleibt? Müssen die Menschen dann für einen Job in Basel zwingend ins Dreiländereck ziehen? Brauchen wir dann immer noch so viel Wohnungen? Sinkt dann auch die Nachfrage für Handel und Gastronomie in Lörrach? Wird die Innenstadt so wie bisher funktionieren? Wird der öffentliche Raum sich anders präsentieren müssen?
Wir sind in einem Zeitenwandel und müssen dies auch als Chance begreifen. Wir müssen jetzt die Fragen stellen, die bisher vermieden worden sind, weil es uns in Lörrach ziemlich gut ging und wir müssen die Fragen stellen, die es vorher gar nicht gab.
Auf Grund der Vielschichtigkeit und Komplexität dieser Fragen sowie deren möglichen Antworten, wäre meines Erachtens die Stadtgesellschaft mit dem Fragen stellen und deren Beantwortung überfordert. Hier müssen fachliche Angebote gemacht werden, über die dann – hoffentlich jenseits von Parteiideologien – öffentlich diskutiert werden muss.
Eines ist aber jetzt schon klar, einfache Lösungen wird es nicht geben, und vielleicht wird es auch schmerzhaft sein, wenn man sich von lieb gewordenen Gewohnheiten und Reaktionsreflexen verabschieden muss, aber wenn alles so bleiben soll, wie es ist, muss sich etwas ändern (Tancredi) oder wie ein chinesisches Sprichwort sagt: Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.