Lörrach Die Frau im Dorf lassen

Die Oberbadische
Bringt Denkgebäude zum Einstürzen: Mathias Richling Foto: Rafael Kroetz Foto: Die Oberbadische

Kabarett: Mathias Richling im Burghof zu Politik und Gesellschaft

Von Veronika Zettler

Lörrach. Mit Mathias Richling gab es am Donnerstag wieder ein Stelldichein der politischen Größen auf der Burghof-Bühne. „#2019“ heißt der kabarettistische Jahresrückblick des Schwaben.

Massenhaft Politiker und Promis hat Mathias Richling parodiert, seit er vor 45 Jahren sein erstes Kabarettprogramm auf die Bühne brachte. Gefeiert als „Mann der tausend Gesichter“, ist der heute 66-Jährige der vielleicht begnadetste Parodist überhaupt.

Auch wenn die Ära satirisch ergiebiger Charakterköpfe, der Kohls, Genschers und Schröders, vergangen scheint: In für Kabarettisten unvermindert ergiebigen Zeiten findet Richling nach wie vor mehr als genug würdige Exponenten. Und er hat sie alle im Programm: Trump, Erdogan und Putin, Merkel, Strobl, Johnson und Papst Franziskus, „AKK“, Lindner, Weidel und die neue SPD-Doppelspitze – allesamt lässt er in fiktiven Interviews zu Wort kommen.

In gewohnt hektischer Manier vorgetragen, genügt Richling ein Halbsatz, ein Wort, um gigantische Denkgebäude aus Vermessenheit zumindest für einen Moment lang zum Einsturz zu bringen. Und weil’s ihm wie dem Publikum Spaß macht, darf auch nochmal ein satirischer Lieblingsheld wie Boris Becker durch den Parodienwolf gedreht werden.

In Perfektion kopiert und deshalb ebenso unverzichtbar ist Richlings Wolfgang Schäuble, den er gegenüber Kevin Kühnert mit einer genialen Mixtur aus Desinteresse und Zerstreutheit zur Kenntnis nehmen lässt, dass die SPD immer noch existiert: „Hab’ lang nichts von denen gehört“. Rentner, sinniert der Bundestagspräsident an anderer Stelle, seien „ein Luxus, der nicht zum Sozialstaat passt“. Ebenfalls brillant: Die Parodie von Winfried Kretschmann, der Richling unlängst bescheinigte: „Sie sind manchmal echter wie ich selber“.

Wie seit eh und je in den Ein-Mann-Shows des gebürtigen Waiblingers ist Parodie nur das Vehikel, mit dem er ebenso lust- wie humorvoll die geistige Anatomie der Machtverliebten offenlegt. Dabei vor nichts und niemandem entlang des Parteienspektrums Halt zu machen, gehört zu den Vorzügen des im Burghof mit viel Zwischenapplaus bedachten Programms. Bei Richling gibt es wahrlich keine Wahlempfehlung.

Zumal zwischen den rasant vorgetragenen Zeilen nicht nur die Politiker ihr Fett wegbekommen, sondern auch die Bürger, die zum Beispiel in „Sozialen Medien“ Innerstes und Äußerstes entblößen und gleichzeitig mithilfe selbstgeschaffener Sprachregelungen eine „Beleidigtseinkultur“ und Schlimmeres etablieren.

Verheddert in Gendersternchen und Hashtag-Me-Too-Vokabular plädiert Richling dafür, „die Frau einmal im Dorf zu lassen“ und bemerkt: „Wir Männer werden auf einmal nur noch reduziert auf Frauen“. Sprache werde wohl bald generell „zum Unwort des Jahres“, mutmaßt er obendrein.

Im Pointenfeuerwerk fliegen die Themen und Informationen dem Zuhörer in so irrwitzigem Tempo um die Ohren, dass er kaum etwas sacken lassen kann: Kirchenskandal und Klimawandel (laut Richling die „neue Quengelware für Kinder“), Brexit, Groko, Syrien und Iran, Facebook, Feinstaub und Flüchtlinge sind nur einige davon.

Für etwas Orientierung sorgt die gut gemachte und Ruhe ausstrahlende Kulisse (Regie und Bühnenbild: Günter Verdin). Auf diversen Displays sieht man Politiker in die Gemälde alter Meister montiert: Jens Spahn als Mitglied der „Tuchmachergilde“, Angela Merkel als „Mädchen mit dem Perlenohrring“, Wolfgang Schäuble als „Goethe in der Campagna“ und Christian Lindner als „Wanderer über dem Nebelmeer“. Richling selbst erscheint als Warhol-Serie. Gleichwohl gehört auch er zu den alten Meistern.

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