Lörrach „Die Kinder sind einfach super“

Die Oberbadische

Interview: Christine Strohmeyer, Vorsitzende der CISV Ortsgruppe Lörrach, über das Parallax Village

Das aktuelle Parallax Village in Lörrach ist mit 48 elfjährigen Kindern, je zwei Mädchen und Jungen aus zwölf Nationen, das bislang größte Projekt von CISV Lörrach – „building global friendship“. Willi Vogl sprach mit Christine Strohmeyer, der Vorsitzenden der CISV Ortsgruppe.

Lörrach. CISV stand ursprünglich für „Children International Summer Villages“ und organisiert als gemeinnütziger Verein seit 1951 internationale Austauschprogramme für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. In einer immer stärker globalisierten Welt wird friedvolle konstruktive Kommunikation zwischen den Menschen und Völkern immer wichtiger. CISV beginnt damit in einer Altersgruppe, in der die Kinder noch weitgehend unvoreingenommen aufeinander zugehen können. Kleinere Camps gingen dem Parallax Village in Lörrach voraus.

Frage: Frau Strohmeyer, was bedeutet Parallax Village?

Parallaxe bedeutet zunächst die scheinbare Veränderung des Ortes eines Objekts, wenn sich die Position des Betrachters verändert. Das „Parallax Village“ hat den Untertitel „All eyes open“ und das meint, man muss etwas von allen Seiten betrachten, weil man es erst dann richtig sieht.

Frage: Damit sind wir bereits bei der Motivation, ein so aufwendiges internationales Austauschprojekt zu organisieren, bei dem unterschiedliche kulturelle Prägungen der jungen Teilnehmer aufeinander treffen. Welche Eltern schicken ihre Kinder auf das Camp?

Zumeist kommen die Teilnahmen über persönliche Kontakte zustande. In meinem Falle ging das über meine Kinder, die von Birgit Maier, die selbst Camp-Erfahrung hat, angesprochen wurden. Wenn wir ein Inserat mit einem Aufruf in die Zeitung setzen, wird das nicht so ohne weiteres verstanden. So sind wir hauptsächlich auf Mund-zu-Mund-Propaganda angewiesen und bleiben mit unserer Werbung oft in den Mitgliedsfamilien. Neue Mitglieder gewinnen wir über die Minicamps auf dem Rührberg, wenn die Kinder merken, dass das Programm toll ist und Spaß macht und dass man es auch mal ohne Mama und Papa aushält.

Frage: Was ist das Besondere am diesjährigen Camp?

Es ist das erste Village seit der Gründung von CISV Lörrach vor 25 Jahren, also das erste Camp in dieser Größe und stellt mit vier Wochen und 71 Menschen im Camp eine große Herausforderung dar. CISV-Camps gibt es gestaffelt nach verschiedenen Altersgruppen, die Camps finden in aller Welt und mit internationaler Beteiligung statt. Wenn wir unsere Kinder mit CISV in andere Länder schicken wollen, müssen wir selbst Gastgeber für die verschiedenen CISV-Programme sein. Und dieses Jahr sind wir das erste Mal Gastgeber für ein Village. Viele CISV-Eltern, aber auch Freunde helfen hier Tag und Nacht.

Frage: Trotzdem geht es wohl nicht ganz ohne zusätzliche Unterstützung. Wie finden Sie Sponsoren?

Der hiesige Ortsverband ist gut vernetzt und ich bin dankbar für die Unterstützung aus unterschiedlichsten Richtungen. So fanden wir Förderung bei der Sparkassen-Stiftung, beim Wandelbudget der Schöpflin-Stiftung und fairNetzt, beim Kiwanis-Club, der Sparda-Bank, bei Energiedienst und dm, bei Stadt und Landkreis Lörrach. Wir dürfen die Schule und die Turnhalle nutzen und bekommen die Feldbetten zur Verfügung gestellt. Die Oberbadische Bettenfabrik stellt Bettdecken zur Verfügung, die Firma Bardusch die Bezüge. Hieber, Rewe und mehrere Bäckereien spenden täglich kistenweise Obst und Gemüse, Brötchen und Brot. Dabei stehen wir nicht in Konkurrenz zur Tafel, da der Bedarf hier im Sommer geringer ist. Zudem kamen unerwartet projektgebundene Spenden von Förderern, die anonym bleiben wollen. Bewundernswert bei der Sponsorengewinnung ist der Einsatz von Birgit Maier. Das diesjährige Camp ist ihr „Baby“, seit der Gründung von CISV Lörrach träumte sie davon, einmal ein Village in Lörrach zu beherbergen, und durch ihre unermüdliche Vorarbeit wurde das nun 2019 möglich.

Frage: Ihre Bitte, die Nationalitäten beziehungsweise den Ort der Unterkunft in den Veröffentlichungen nicht zu nennen, steht im Widerspruch zur offenen Kommunikationskultur in Deutschland und vor allem zur völkerverbindenden und friedensfördernden Intention der Organisation. Was steckt dahinter?

Es ist eine CISV-Regel, dass der Schutz und die Sicherheit der Teilnehmenden sehr hohe Priorität hat. Dabei spielt natürlich auch die Angst vor Attentaten eine Rolle, aber nicht nur. CISV möchte offen sein für Teilnehmende aus allen Ländern, deshalb wollen wir auch die Sicherheitsbedürfnisse aller Länder befriedigen. Wenn sich im Village beispielsweise israelische und palästinensische Kinder begegnen, geht das bei Elfjährigen gut, da es in diesem Alter noch nichts aufzuarbeiten gibt. Ist das nicht fantastisch? Ich denke, es ist verständlich, dass wir nicht wollen, dass hier in der Unterkunft fremde Leute durchlaufen. Deshalb haben wir den Ort nicht an die große Glocke gehängt. Aber beim kürzlichen Tag der offene Tür öffnete sich das Camp. Die Kinder haben uns eingeladen, sie haben sich namentlich vorgestellt, und die zwölf Fahnen der zwölf Länder waren zu sehen. Wir haben schriftlich zum Tag der offenen Tür eingeladen, über Briefe, Emails, eine Zeitungsnotiz und Flyer in den Briefkästen. CISV-Standards sind im Übrigen in allen Bereichen sehr hoch, und wir versuchen die Regeln einzuhalten, inklusive des Betreuungsschlüssels. 17 Erwachsene und sechs jugendliche Betreuer kümmern sich rund um die Uhr um die 48 Kinder. In der täglichen „Delegation-Time“ stehen sie den Kindern zur Verfügung, um in der jeweiligen Landessprache individuelle Sorgen und Nöte aufzuarbeiten oder für eine Übersetzung des Tagesgeschehens aus der Campsprache Englisch zu sorgen.

Frage: Was ziehen Sie als Vereinsverantwortliche und Helferin vor Ort emotional aus ihrem ehrenamtlichen Engagement?

Ganz nüchtern betrachtet wollen meine Kinder CISVler sein, und ich muss da als Mutter mitziehen. Aber natürlich steckt mehr dahinter. Ich habe schon erzählt, dass es Birgit Maiers Traum war, mit CISV Lörrach Gastgeber für ein Village in Lörrach zu sein. Village heißt, dass 71 Menschen vier Wochen lang zusammen leben und lernen, rundum umsorgt von einem ehrenamtlichen Team. In den vergangenen zwei Jahren ist es auch mein Traum geworden, und ich kann es noch gar nicht fassen, dass er nun wahr wird. Diese vielen Menschen sind wirklich zu uns gekommen, und es geht ihnen gut bei uns! Ich freue mich jeden Morgen, wenn ich ins Camp komme. Wenn die Kinder sich für das Essen bedanken, sie fröhlich sind und lachen, aber auch mal weinen und wir helfen können, hat sich alle Mühe schon gelohnt. Das ist mein Sommerurlaub. Die Kinder sind einfach super.

Frage: Was wünschen Sie sich für dieses und für zukünftige Camps?

Ich empfinde dieses Camp als sehr offen und bin dankbar für die örtliche Gastfreundschaft. Die Bürger vor Ort sind freundlich und interessiert, und ich würde mich freuen, wenn wir auch zukünftig in Lörrach für ein Camp mit Jugendlichen willkommen wären.

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